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Ausgabe:

1951 Nr. 9

Spalte:

540-541

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Largement, René

Titel/Untertitel:

La naissance de l'aurore 1951

Rezensent:

Meyer, Rudolf

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539

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 9

ist, weil sie „eklektisch" ist (S. 167). „Eklektisch" ist als Beschreibung fehl
am Platz für ein Verfahren, das aus voller Kenntnis der Eigenart einer Überlieferung
und nach bestimmten Grundsätzen das Richtige in den Text setzt,
sei es auch aus überlieferter oder moderner Konjektur. Der viel gehörte Einwand
, damit werde ein Text geboten, der „so nirgends existiert" habe, negiert
alle gesunde und so berechtigte wie notwendige philologische Arbeit. Bewußt
oder unbewußt durch das Bild des hebräischen ATs und des textus receptus
des NTs bestimmt, läßt er nur diplomatische Wiedergaben von HSS gelten,
und mutet damit dem Leser zu, was er dem Herausgeber verwehrt: den relativ
besten Text methodisch herzustellen. Dazu ist der Leser der LXX aber nicht
imstande, wie jede Seite unsrer biblischen Kommentare beweist, und er sollte
dazu erzogen werden, daß er von den Herausgebern verlangt, ihm diese
nötige Arbeit abzunehmen. Einen Text herausgeben bedeutet doch nicht, ein
Bild übermalen. Eine ordentliche Ausgabe zeigt die Überlieferungsverhältnisse
deutlicher als ein diplomatischer Abdruck!

Es wäre mir leid, wenn diese Aufzählung von Anständen
die Tatsache verhüllte, daß das Buch voll von gesunden und
redlich erarbeiteten Urteilen ist. Im I. Teil entscheidet sich
Verf. für Kahles Ablehnung von Lagardes Anschauung, daß
die Einheitlichkeit der alttestamentlichen Textüberlieferung
auf einen bis ins Kleinste zum Muster genommenen Musterkodex
zurückgehe. Wenn auch, von der einen Seite gesehen,
die vielen bekannten Sonderbarkeiten der Schreibung solchen
Schluß nahelegen, so hat Kahle hier doch eindrucksvolles
Material dafür beigebracht, daß die Einheitlichkeit, wie bei
den Targumen, ein Endstadium bedeute. Die Linie von der
masoretisch-grammatischen Vereinheitlichung zu der graphischen
, die man früher meist allein beachtet hat, ist allerdings,
wie mir scheint, noch nicht gezogen, und ehe das geschieht, werden
die Meinungen gegeneinander stehen. Ebenso entschieden
bleibt Verf. nach einem gewissenhaften Referat der neuen Anregungen
bei der herkömmlichen Meinung hinsichtlich der
Textgeschichte der LXX. Er erwägt die Kahleschen Argumente
, die in der LXX eines unter vielen griechischen Targumen
sehen, führt auch Kahles Auffassung der philonischen
Sonderüberlieferung als des einzig erhaltenen alten Textes vor,
ohne sie sich zu eigen zu machen. (Rezensent glaubt sie nunmehr
widerlegt zu haben [Philo's Bible, Cambridge, 1950,
vgl. ThZ 5, 15f.].) Verf. sieht in dem Allem eine dankenswerte
Auflockerung der Fragestellungen. Bei Wutz scheint
ihm der Hinweis auf die Schichten der Eigennamen-Wiedergabe
fruchtbar. Sperber, der seitdem ein ihm gemäßeres
Arbeitsfeld gefunden hat, nimmt er für LXX zu ernst:
Orlinsky und Ziegler haben vielfach gezeigt, wie sachlich unbefriedigend
dieses von stets wechselnder Ausgangsbasis aus
unternommene Anstürmen gegen die Ergebnisse solider Arbeit
gewesen ist. Auf Anhieb lassen sich diese Probleme auch dann
nicht erledigen, wenn man die fachlichen Voraussetzungen
dazu mitbringt. Uber die lateinischen Ubersetzungen wird gewissenhaft
berichtet. Die übrigen Versionen sind kürzer behandelt
; beim Syrer sind die Forschungen von Vööbus noch
nicht berücksichtigt.

Wenn man den Schlußüberblick über die bleibenden Probleme
, mit das Wertvollste, erwägt, so kann man sich nur
T. W. Manson im Manchester Guardian (14.5. 1951) anschließen
in seiner Erwartung, Roberts, der die Hand an den
Pflug gelegt habe, werde nun nicht umkehren, sondern diesen
Studien treu bleiben und neue Ergebnisse dem Buche zugute
kommen lassen. „Eine Ubersicht dieser Art zu schaffen, ist
ein großer Dienst; es auf der Höhe zu halten, wird einen noch
größeren bedeuten." In der Tat: das Buch hat das Zeug in
sich, das gewünschte Handbuch zu werden. Zu diesem Ziel
sollten die Fachgenossen, und besonders die Spezialisten der
verschiedenen Forschungszweige beitragen, wie das hier versucht
wurde.

Cambridge Peter Katz

Rowley, h. h., Prof., m. a., d. d., Theoi. d., f. b. a.: The Growth of the

Old Testament. London: Hutchinson 1950. 192 S. 8° = Hutchinson^
University Library Nr. 45. Christian Religion. Ed.: Prof. E. O. James.
Lw. s. 7,6.

H.H. Rowley, der bekannte Alttestamentler an der Victoria-
Universität in Manchester, legt hier einen Grundriß über die
Geschichte des Alten Testaments und seiner einzelnen Teile
vor, der für einen weiteren Leserkreis bestimmt ist. Verf. führt
zunächst in die Probleme der alttestamentlichen Literaturwissenschaft
ein und betont, daß es ihm darauf ankomme, den
Durchschnittsertrag der Forschung darzubieten, ohne den
Leser mit allen Einzelheiten zu belasten. Auf der Grundlage
des masoretischen Kanons werden der Reihe nach das „Gesetz
", die „früheren Propheten", die „späteren Propheten",
die „Schriften" und schließlich die Kanonbildung behandelt.

Pädagogisch außerordentlich geschickt ist die Behandlung
der einzelnen Unterteile. So wird in Kap. II eine kurze
Ubersicht über den Pentateuch vorgeführt. Anschließend wird
die Quellenfrage behandelt, wobei einige formgeschichtliche
Probleme gestreift werden. Auch auf die neuerliche Entwicklung
der Peutateuchkritik wird kurz hingewiesen. Bei den
„früheren Propheten" bespricht Verf. zunächst kurz das Wesen
israelitischer Geschichtsschreibung (Kap. III), im Anschluß
hieran die einzelnen Geschichtsbücher (Kap. IV—VII).
Vor der Behandlung der „späteren Propheten" (Kap. X—-XIII)
findet der Leser eine Charakteristik der Prophetie (Kap. VIII)
und des literarischen Werdeprozesses der Propheteubik'lH'r
(Kap. IX). Die „Schriften" (Kap. XV—XXI) werden durch
eine kurze Beschreibung der Poesie in Israel eingeleitet (Kap.
XIV), während der Kanonsgeschichte das letzte Kapitel gewidmet
ist.

Verf. hält sich in der Beurteilung des Forschungsertrages
auf einer im wesentlichen konservativen Linie, und gerade bei
seiner besonnenen Behandlung der verschiedenen Probleine
wird man gern weite Strecken mit ihm gehen. So hat er zweifelsohne
mit seiner Beurteilung der Hypothese von Graf-Wellhausen
recht, wenn er schreibt (S. 46):,,... it remains true
that the Graf-Wellhausen view is only a working hypothesis,
which can be abandoned with alacrity when a more satisfying
view is found, but which cannot with profit be abandoned
until then." Auch hierin wird man Verf. gern folgen, wenn er
sich gegen eine allzu freie Konjekturalkritik wendet; ist man
doch heute einem solchen Verfahren gegenüber weit zurückhaltender
als eine frühere Zeit, ohne daß man dabei gleich in
das Gegenteil, den Traditionalismus, zu fallen braucht.

Andererseits sähe man doch gern, wenn Verf. die eine oder
andere Theorie mehr in das Blickfeld des Lesers gerückt hätte.
So würde z.B. die Darstellung des Jahwisten wesentlich gewonnen
haben, wenn v. Rads formgeschichtliche Studien (G.v.
Rad, Das formgeschichtliche Problem des Hexateuchs (1938)),
die m. E. wesentliche Erkenntnisse enthalten, verwertet worden
wären. Dasselbe gilt für die „früheren Propheten". Hier hätte
M. Noths These vom „Deuteronomistischen Geschichtswerk"
(M. Noth,Uberlief erungsgeschichtliche Studien I (1943) ,3 — 110)
mehr Beachtung verdient als die einfache indirekte Bezugnahme
auf S. 76: „It is quite improbable however, that a
Single band was responsible for the editing of all these books,
since the editorial methods vary in the different books." Mag
man einzelnen formgeschichtlichen und literarkritischen Erwägungen
M. Noths durchaus kritisch, wenn nicht ablehnend
gegenüberstehen, seine Grundkonzeption von einem einheitlichen
deuteronomistischen Geschichtswerk stellt auf jeden
Fall einen äußerst förderlichen Beitrag zum literargeschieht-
lichen und theologischen Verständnis der „Bücher" Josua bis
2. Könige dar.

So bleiben für den kritischen Leser manche Fragen offen,
und Verf. ist sich dessen durchaus bewußt, daß gerade auf dem
Gebiete der Einleitung es unmöglich ist, es jedermann recht
zu tun (S. 7): „At no time was it harder to write a book on this
subject than the present, and every reader will want to criti-
cize this one." Gleichwohl wird der gerechte Leser auch dort,
wo er anderer Meinung ist, dem Verf. Dank wissen dafür, daß
er ein Buch zu schreiben verstanden hat, in dem er in fesselnder
Form einem größeren Kreis eine Literaturgeschichte des
Alten Testaments vorlegt, die geeignet ist, Interesse und
Freude am Alten Testament zu erwecken.

Jena Rudolf Meyer

Largement, Rems, Prof.: La Naissance de l'Aurore. Poeme mytho-

logique de Ras Shamra-Ugarit. Traduit et commentfS. Gembloux: J. Ducu-
lot u. Louvain: E. Nauwelaerts 1949. 56 S. 4° = Analecta Lovanicnsia
Biblica et Orientalia. Ser. II, Fase. II. 50 fr.b.

R. Largement, Professor am Institut Catholique de Paris,
legt hier Übersetzung und Kommentar eines der dunkelsten
Texte von Ugarit (C. H. Gordon, Ugaritic Handbook [1947],
Text 52) vor. Einleitend führt Verf. in einer sehr nützlichen
Ubersicht in den gegenwärtigen Stand der Forschung ein. In
Auseinandersetzung mit den verschiedenen Interpretationsversuchen
stellt er sich die Aufgabe, den Text als Gesamtheit
zu übersetzen und zu kommentieren.

.Verf. ist sich der Schwierigkeiten, die sich einer solchen
Aufgabe entgegenstellen, durchaus bewußt; geht es doch bei
diesem Epos nicht nur um Fragen der Einzelinterpretation,
sondern vor allem um die Grundprobleme der Form und des
Inhalts. In dem Epos handelt es sich um ein liturgisch-mythologisches
Stück, das von einer heiligen Hochzeit und deren
Folgen erzählt, in der der oberste Gott der kanaanäischen
Kreislaufreligion, 'Ilu (El), als Gatte und Vater erscheint.