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Ausgabe:

1951 Nr. 9

Spalte:

535-539

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Roberts, Bleddyn J.

Titel/Untertitel:

The Old-Testament-text and versions 1951

Rezensent:

Walters, Peter

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 9

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Stücke Unterschiede der Dicke, Glätte, Farbe, überhaupt der
Behandlung spüren, ebenso wie es recht ungleiche Pergamente
gibt, so daß die Scheidelinie nicht immer sicher zu
ziehen ist. Wie dem auch sei, auch wenn wir es bei den Rollen
der Höhle mit Leder und nicht mit Pergament zu tun haben,
folgt für ihr Alter nichts daraus, denn von einem Zeitalter des
Papyrus, des Leders, des Pergaments darf man nur insofern
sprechen, als dieser oder jener Stoff mehr verbreitet oder in
den Funden mehr vertreten war, wobei der Zufall nicht zu
übersehen ist. Die überragende Stellung des Papyrus gilt für
Ägypten und alles, was davon abhängt, räumlich wie wirtschaftlich
und technisch. Aber keine Vorschrift zwang jene
alten Schreiber zu einem bestimmten Stoff.

Einige Papyrusfragmente des Höhlenfundes zeigen
Schrift auf beiden Seiten. Genaue Untersuchung mui3 noch
dartun, ob sie zu einem Codex gehören; es ist möglich, aber
nicht mehr. Denn auch die Rolle ließ Beschriftung auf beiden
Seiten zu. Um von den Urkunden usw. abzusehen: es gibt
eine beträchtliche Zahl von Papyrusrollen, die einen Urkundentext
und einen literarischen Text tragen, selten sind
die Fälle, in denen auf jeder Seite der Rolle ein literarischer
Text steht, und daß derselbe Text von einer Seite auf die
andre fortschreitet, ist Ausnahme, widerspricht doch diese
Anordnung dem Sinn und der Handhabung der Rolle. Aber
die auf beiden Seiten beschriftete Rolle begegnet uns in der
Literatur: ich nenne nur aus dem AT Hesekiel 2, 10 und aus
dem NT Apoc. 5, r. Auf die Besonderheit dieser Beispiele
kann ich hier nicht eingehen. Lassen wir aber einmal jene
Bruchstücke aus der Höhle als Reste eines Papyruscodex

gelten, so würde das Ergebnis nur für diese Stücke, nicht für
die Rollen in Betracht kommen. Der Papyruscodex ist eine
ägyptische Neben- und Ubergangsform, die noch eine Weile
fortbestand, als der Codex aus Pergament in den Vordergrund
trat. Die Buchform des Codex, die aus der tabula, der Wachstafel
, spätestens im 1. Jahrhundert n. Chr. hervorgegangen ist,
wird neuerdings durch die schönen ehester Beatty-Papyri für
die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. belegt, und zwar gerade
der Papyruscodex für die Christen. Aber die Geschichte des
Codex aufzurollen, ist hier nicht am Platze. Während der
Codex die Literatur erobert, herrscht die Rolle noch lange für
Urkunde und Brief; wie bekannt gibt es noch aus dem 11. Jahrhundert
päpstliche Bullen auf Papyrusrollen, und mutatis
mutandis lebt die Rolle noch heute in Diplomen u. dgl. sowie
als Symbol geistiger Leistung in Denkmälern fort.

Haben wir es mit Rollen aus Leder, nicht aus Pergament
zu tun, so ergibt sich kein terminus ante quem, um so weniger,
als religiöse Texte am Alten zu haften neigen, wie schon die
Thora-Rolle lehrt. Stammen die Papyrusstücke aus einem
Codex, so dürfte man für sie allenfalls die Zeit vom 2. Jahrhundert
bis ins frühe Mittelalter in Betracht ziehen. Dies alles
unter den genannten Voraussetzungen, die keineswegs auf
sicheren Fül3en stehen, um so weniger als sie mit dem ebenfalls
nicht unfehlbaren Ausweis der Krüge nicht recht überein-
gehen wollen.

Nähere Bestimmung wird meines Erachtens nur von der
Paläographie und der Textkritik her gewonnen werden
können.

ALTES TESTAMENT UND ALTER ORIENT

Roberts, Bieddyn j., m. a., b. d.: The Old Testament Text and Versions
. The Hebrew Text in Transmission and the History of the Ancient
Versions. Cardiff: University of Wales Press 1951. XV, 326 S. 8°. Geb. 21 s.
Im Vorwort betont Verf., sein Buch sei nicht mehr als eine
Einführung ins Studium von Text und Ubersetzungen des
ATs und ein Uberblick über die heute herrschenden Anschauungen
. Es sei daher notwendig nur ein erster Schritt zu
weiterem Studium, und für dieses sei die recht ausgedehnte
Bibliographie bestimmt. Dann dankt er seinen Lehrern, zuerst
H. H. Rowley, der ihn 1936/37 zu diesem Buch angeregt
habe. Er gedenkt auch dankbar der anregenden Gespräche
mit P. Kahle, der hierzulande weithin anspornend gewirkt hat.

Ich beginne mit einer Inhaltsübersicht: Teil I befaßt sich mit der
hebräischen Bibel: 1. Der vormasoretische Text. 2. Die Schriftgelehrten.
3. Die Masoreten. 4. Tiberiensische und nachtiberiensische masoretische Arbeit.
5. Punktierte MSS und Druckausgaben. 6. Gründe für Textverderbnis im
masoretischen Text und Emendation. Teil II gilt der LXX: 7. Die Frühgeschichte
. 8. Die griechischen Übersetzungen des 2. Jahrhunderts. 9. Origenes'
LXX. 10. Die Rezensionen der LXX. 11. Die HSS und Ausgaben der LXX.
12. Eigenart der LXX-Übersetzung. Teil III bespricht die wesentlich aus dem
Hebr. geflossenen Versionen: 13. den samaritischen Pentateuch, 14. die aramäische
Targumim, und 15. die Peschitta, Teil IV die hauptsächlich auf die LXX
gegründeten Übersetzungen: 16. die koptische, 17. die äthiopische, 18. ganz kurz
die armenische, georgische, altslavische (oder) kirchenslavische und gotische.
Teil V gilt den lateinischen Übersetzungen: 19. der altlateinischen, 20. der Vul-
gata, Teil VI den arabischen Übersetzungen: 21. Saadia, 22. den aus der LXX und
Peschitta geflossenen. Ein abschließendes Kapitel führt zusammenfassend die
Probleme für den Urtext und die Versionen vor. Ein Anhang gilt den stets schon
laufend berücksichtigten neuen Rollen vom Toten Meer. Es folgen 30 Seiten
einer wohlgegliederten Bibliographie und volle Register.

Also ein Handbuch, um so mehr zu begrüßen, als unsre
Einleitungen notgedrungen immer dünner werden und die Abschnitte
über Text und Textgeschichte am empfindlichsten
einzuschrumpfen pflegen! Es fällt in eine Zeit, die mit einer
Fülle unerwartet auftauchenden neuen Materials neue Probleme
und Methoden vor sich sieht. Mau verstellt, daß ein
junger Forscher sich an eine solche Inventaraufnahme wagt,
die sonst meist als Abschluß einer reifen Erfahrung geboten
wird. Wieweit ist er seinem Zweck gerecht geworden ? Positiv
ist zu sagen: Es ist erquickend zu sehen, wie eine junge Kraft
das Ergebnis gut genutzter langer Lern jähre den Fachgenossen
und Studierenden zugänglich macht. Sein Feld ist das AT,
und um ihm voll gerecht zu werden, hat er emsigen Fleiß
daran gesetzt, sich in den ausgedehnten Gebieten der Versionen
heimisch zu machen. Der Unterschied etwa zu früheren
englischen Werken ist unverkennbar; er ist mit im Temperament
des walisischen Verf.s begründet. Swetes Introduc-
tion, geschrieben, ehe all diese Fragen auftauchten und ehe

den Versionen, besonders der LXX, tiefergehende Studien gewidmet
waren, ist wesentlich antiquarisch, eine Fülle des Wißbaren
und Wissenswerten zuverlässig registrierend, rückwärts
gewandt, mit weit weniger Sinn für offene Fragen als Eb.
Nestle, Swetes bester Helfer. Sir Fred. Kenyons mannigfache
Veröffentlichungen, mit ihrem unschätzbaren Material und der
verständnisvollen Registrierung von Geleistetem, schöpfen
doch auf unserm Gebiet bewußt und betont aus zweiter Hand
in allem, was über Paläographie hinausgeht. Roberts dagegen
hat jede Wende der alttestamentlichen Textwissenschaft
leidenschaftlich aufnehmend miterlebt und ringt darum, die
sich ablösenden Strebungen und Anregungen in eine Gesamtschau
einzuordnen, zur Wegleitung für kommende Arbeit. So
sind seine Problemkreise durch die Namen Kahle, Wutz,
Sperber gekennzeichnet. Doch erliegt er nicht den Einflüssen,
die auf ihn wirken, sondern erstrebt überall ein Gleichgewicht
in Richtung des Haltbaren, Weiterführenden. Ein Vorzug
seiner Arbeit ist, daß er überall bezeichnende Beispiele zu
geben sucht, an denen seine Thesen klar gemacht werden
können.

Einige dieser Beispiele sind nicht glücklich gewählt und sollten durch
andere ersetzt werden, a) Man kann kaum den Zusatz der LXX In I. Sam.
17, 36 als Beispiel für die häufigen Weglassungen in ffl anführen, da er sicher
nicht zum ursprünglichen Text gehört; er „trägt ganz das Wasserzeichen des
Targums",wieWellhausen, DerTextder Bücher Samuelis, 106,bemerkt
(zitiert von Nowack, aber nicht von S. R. Driver, Notes . . on the Books
of Samuel), b) Während Verf. S. 113 Kahles Beobachtungen (S. 146f.) über
von Sil und © abweichende Anführungen in AG 7 und Hebr.9'f in ihrer Tragweite
ausdrücklich auf die genannten Stellen einschränkt, geht er später, bei
Besprechung des samaritischen Pentateuchs (S. 191) so weit, die allgemein angenommene
Ansicht des alexandrinischen Ursprungs von Hebr. für änderungsbedürftig
zu halten; „denn, wäre sie richtig, dann würden die Zitate sicher eine
viel engere Verwandtschaft mit der LXX aufweisen, als wirklich der Fall ist".
Hier bewirkt also die Beobachtung der Verwandtschaft mit dem Text von
Sam. ein Aufgeben der vorher bewährten Vorsicht. Wir können aber, wie ich
anderswo ausführen werde, mit ganz anderer Bestimmtheit reden. Für Hebr.
ist die LXX, bis in ihre Textverderbnisse hinein, die Bibel, eine Tatsache, die
G. Härder (Theologia Viatorum, 1937) schweres dogmatisches Kopfweh
bereitet hat. Wo Hebr. von der LXX abweicht, steht er oft nicht allein, und
das hilft, seinen Text näher zu bestimmen. So hat er 10'° mit Rüm. 121' eine
Wiedergabe von Deut. 3235 gemein, der gegenüber Verf. in anderm Zusammenhang
, in dem erfreulichen Abschnitt über Abkürzungen im hebräischen Text
(S. 97), selbst die gemeinsame Lesung von Sam. und LXX für den Urtext vorzieht
. Hier ist die beiden Zitaten gemeinsame Vorlage schon darum sekundär,
weil sie einem als korrupt erkannten hebräischen Text, unserm masoretischen,
folgt. Anderswo, und das ist hier entscheidend, bietet Philo die Parallele, und
Philos Text war unbezweifelbar der alexandrinische des 1. Jahrhunderts. 13, 5
stimmt das Zitat mit Philo conf us. 166 überein. In Pli ilo' s B i b le, p. 72 n. 2,
konnte ich nachweisen, daß die zitierte Stelle Gen.2815 sein müsse, die nach
Deut. 318-8 erweitert war. In 86fügt Hebr, wie Philo al leg. III 102, jrävTa hinzu
mit F 93 bw rsua8. An beiden Stellen schöpfen Philo und Hebr. aus der gleichen