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Ausgabe:

1951 Nr. 9

Spalte:

533-536

Autor/Hrsg.:

Schubart, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften 1951

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 9

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Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften

17. Randnote zu P. Kahles Artikel „Rollen und Codices, Leder und Pergament" (ThLZ 1951, 161)

Von G. Zuntz, Manchester
Unter dieser Uberschrift verwendet P. Kahle meine Be

richtigungen1, um die Folgerungen seines früheren Aufsatzes2
neu zu stützen. Ich bezweifle die Haltbarkeit auch der so
revidierten Beweisführung.

1. Wo liegt Dura-Europos ? Nach Kahle3: in den „umliegenden
Gebieten" von Pergamon; und „so erklärt es sich.

_ Euph _

..Rest der alten Welt" recht erheblich und es ergibt sich eben,
Was K. nicht wahr haben wollte: Pergament wurde, zumindest
seit hellenistischer Zeit, im ganzen Orient gebraucht6. Die
Folgerung ist gültig (nicht aber K.s Voraussetzung; s. unten 2),
und Dura nicht der einzige Beweis dafür: in Avroman in Kurdistan
gebrauchte man, anno 88 v. Chr. und später, gleichfalls
Pergament6.

2. Die Angaben über die „Erfindung des Pergaments im
2. Jahrhundert v. Chr.", für die K. „direkt" auf wohlbekannte
Handbücher verweist, beruhen ausschließlich auf der von mir
bereits angeführten Plinius-Stelle N. H. XIII. 70. Daß diese
nicht wörtlich zu nehmen ist, wurde (zum ersten Mal ?) bereits
im Jahre 1818 ausgesprochen von C. T. G. Schönemanu7.
Dura hat ihn bestätigt.8

3. In Dura sind auch Papyri gefunden worden: dies ist

') ThLZ 1951, 161. Berichtigungen dazu: Text, l.Abschn. Z.4: statt
„vellum" lies „membrana"; Z. 14: statt ,198' lies ,195'; Anm.3) statt ,period'
lies ,world'; Anm.5) Z. 1 lies Tieoyafirjvd.

2) ThLZ 1950, 537. Die verfehlten Argumente dieses Aufsatzes kehren
wieder in P. Kahle, Die hebräischen Handschriften aus der Höhle,
1951, 58 und 63, und in Vetus Testamentum I, 1951, 39f.

3) ThLZ 1951, 162 unten.

4) K. hat offenbar keine deutliche Vorstellung von diesen Funden; s. die
Literatur z. B. bei Rostovtzeff, Hellenistic World p. 1423.

5) Ägypten, das, als Heimat und Hauptproduzent, den Papyrus bevorzugt
, ist ein Spezialfall. Deshalb ,.stammen die frühesten Pergamentfragmente
aus Ägypten aus dem 2. Jahrhundert n. Chr." (Kahle, ib. 163).

*) Erstveröffentlichung durch E. H. Minns in Journ. Hell. Stud.
XXXV, 1915, 22.

') Zitiert bei H. Foerster, Abriß der lateinischen Paläographie,
1949, 46.

8) Plinius sagt: ,,Varro membranas Pergaml tradit repertas." „Membrana
" ist = (5»9?.9-<?pa, und ditp&ifai waren seit langem im Orient gebräuchlich
(s. meine vorige „Randnote"): also kann Varro nicht beim Wort genommen
werden. Interpretiert man „membrana" = „Pergament", so wird Varro doch
durch das „hervorragend feine" Dura Pergament I widerlegt; denn selbst wenn
letzteres auf 190 v. Chr. datiert wird (gegen diese spätere Datierung s. F. Cu-
mont, Rev. de Philol. VIII, 1924, 99), bleibt die Zeit zu kurz für die Annahme
, daß die Leute von Dura sicli eine Pergamencr Erfindung zu eigen gemacht
hätten. So bleibt nur die Annahme, daß Varros Nachricht auf eifrigen
Gebrauch und demgemäß reiche Produktion von Pergament im Pergamon des
Eumenes deutet. Kurz: das Pergament wurde nicht „in Pergamon erfunden"
und sein Gebrauch in hellenistischer Zeit war nicht auf die „umliegenden Gebiete
" von Pergamon beschränkt.

Zuntz nicht unbekannt1. Er weiß freilich auch, daß sie alle aus
dem 3. Jahrhundert n. Chr. stammen2 und somit gerade das
Gegenteil von K.s Wünschen an die Hand geben. Nicht nur
aus hellenistischer Zeit, sondern — das hätte ich betonen sollen

— bis zum Ende der Partherherrschaft (d. h. bis A. D. 165)
hat man in Dura bisher nur Pergament gefunden3. Den Papyrus
brachten die Römer.

4. Was „beweisen" die Papyrusfunde von Nessana4? Daß
man in Palästina im 6.-8. Jahrhundert n. Chr. Papyrus gebrauchte
? Aber für diese späte Zeit wollte doch eben Kahle
Pergament postulieren ? Und Papyrus ist doch ohnehin in der
Höhle gefunden worden ? Das Argument landet in einem Irrgarten
.

Ergebnis: In der Zeit, in die K. die Bergung der Hss. setzt

— ob mit Recht oder nicht, hängt von der Tragkraft seiner
übrigen Argumente ab — in dieser Zeit waren Leder, Pergament5
und Papyrus im Orient seit Jahrhunderten in Gebrauch
und blieben es auf weitere Jahrhunderte. Die Annahme eines
sehr viel späteren Datums wird durch das Vorkommen von
Papyrus erschwert. Abgesehen davon kann aus dem Vorkommen
bzw. Nichtvorkommen dieser Materialien in der
Höhle nichts Zwingendes für die Chronologie geschlossen
werden.

') Vgl. Kahle ib. 163 oben. Daß der Papyri „viel mehr" seien als der
Pergamente, ist freilich — nach den bisherigen Berichten — eine gewagte Behauptung
.

2) Einer vielleicht noch aus dem zweiten; s. C. B. Welles, Transact.
Amer. Philo!. Assoc. 70, 1939, 209.

3) Damit ist keineswegs gesagt, daß Papyrus im hellenistischen Orient —
außerhalb Ägyptens — ganz unbekannt gewesen wäre. Plinius XIII. 73 berichtet
(nicht aus seiner Hauptquelle Theophrast), „neuerdings" habe sich auch
in Babylonien Papyrus gefunden; schon die Seleukiden scheinen versucht zu
haben, ihn einzubürgern (s. Theophrast, Hist. plant. IV, 8, 4) und einige
Stücke sind in Seleucia am Tigris gefunden worden (vgl. Rostovtzeff, 1. c).
Griechen in Dura könnten recht wohl auch Papyrus gebraucht haben ; bisher ist
aber keiner bekannt geworden, der älter als das 2. Jahrhundert n. Chr. sein
könnte (vgl. C. B. Welles 1. c). Der springende Punkt ist, daß bis dann Pergament
dort vorzüglich gebraucht wurde —■ jedenfalls im Geschäftsverkehr.
Literarische Texte älter als ca. 150 A. D. sind im Orient außerhalb Ägyptens
bisher überhaupt nicht zutage getreten; weder auf Pergament noch auf Papyrus
. Den zwei von K. erwähnten (späten) literarischen Pergamenten aus Dura
stellen bisher drei desgl. Papyri gegenüber; gleichfalls aus römischer Zeit. (Dabei
lasse ich die problematischen Höhlentexte außer Betracht — und natürlich
auch die Keilschriften.)

4) Vgl. Kahle, ib. 163 oben.

5) Eine Untersuchung, was im Altertum füglich als „Pergament" bezeichnet
wird, bleibt zu wünschen. Nicht nur die „vielen", die (wie K. ib. 163
sagt) über handschriftliche Probleme „zumeist" nicht orientiert sind, schwanken
, was „Leder" und was „Pergament" zu nennen sei. E. R. Minns sagte von
dem Avroman-Fund (oben Anm. 6, 1. c. 24): „parchment (or possibly leather)",
und die „Lederrolle von Edessa" (i. e. Dura Parchment 20) wird von den gewiß
kompetenten Herausgebern wechselweise als Pergament bezeichnet-
s. Yale Class. Stud. V, 1935, 119 und Z. f. Sem. 10, 1935, 33.

18. Zu dem Funde hebräischer. Handschriften in Palästina

Von W. Schubart, Leipzig-Halle

Da die Schriftleitung dieser Zeitschrift mir erlaubt, ein
paar Worte zu der umstrittenen Datierung dieses überaus
wichtigen Fundes zu sagen, beginne ich damit, den Bestand
zu wiederholen. In einer Höhle nahe dem Toten Meere ist eine
Anzahl von Rollen mit hebräischem Text entdeckt worden.
Die Rollen bestehen aus Leder und befanden sich in Tou-
krügen, die nach dem Urteil der Sachkenner aus hellenistischer
Zeit stammen. Die Schrift der Rollen zeigt keine Spur von
Punktation, deren Anfänge ins 5. Jahrhundert gehören. Die
Rollen sind also in jedem Falle älter als die Texte der Cairoer
Geniza, die bisher den Vorrang des Alters hatten. Papyrus-
bruchstücke, die ebenfalls sich in der Höhle befanden, zeigen
Schrift auf beiden Seiten. Auch lag in der Höhle römische
Töpferware des 3. Jahrhunderts n. Chr. Es fragt sich, ob aus
diesem Befunde irgend etwas für das Alter der Rollen und
ihrer Texte gewonnen werden kann.

Zunächst bleibt die römische Töpferware außer Betracht;
sie kann älter, gleichzeitig oder jünger sein und ergibt daher
nichts. Ob die zur Aufbewahrung benutzten Krüge mit Recht

in hellenistische Zeit gesetzt sind, kann ich nicht beurteilen.
Jedenfalls spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür
Krüge und Rollen für gleichzeitig oder doch nicht allzu weit
entfernt zu halten. Aber wir müssen auch damit rechnen, daß
man ältere Gefäße benutzte, um die Rollen zu schützen, oder
die schon längst vorhandenen Rollen in viel jüngeren Krügen
barg, übrigens wird die Sitte, Schriftstücke in Krügen zu bewahren
, durch ägyptische Funde als gewöhnlich erwiesen.

Was folgt aus dem Stoff der Rollen ? Bestehen sie aus
Leder, so reihen sie sich den Beispielen ein, die von alten
hieratischen Texten an immer wieder den Gebrauch der Tierhaut
bezeugen; wie weit sie im Osten üblich war, entnehmen
wir aus den bekannten literarischen Zeugnissen und aus einzelnen
Funden wie den Urkunden von Avroman 88 und
22 v. Chr. Die Tierhaut hat offenbar im Osten mehr und
länger als in Ägypten und im griechischen Bereich als Schriftträger
gedient. Daß sie durch das Pergament, das doch nur
eine technische Abart ist, zurückgedrängt worden sei, ist wahrscheinlich
aber nicht beweisbar. Auch lassen die erhaltenen