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Ausgabe:

1951 Nr. 1

Spalte:

38

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Weinberger, Otto

Titel/Untertitel:

Die Wirtschaftsphilosophie des Alten Testamentes 1951

Rezensent:

Noth, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 1

38

der ägyptischen Seite. Ebenso ist die auf dieser Schale vorkommende
weibliche Sphinx die Schöpfung syrischer Mythologie
und aus ihr nach Ägypten gelangt, wenn auch Einzelheiten
ihrer Bekleidung und ihrer Haartracht ohne Zweifel
auf ägyptische Vorbilder zurückgehen.

Die Deutung der auf den beiden Schalen stehenden Abbildungen
wird vorbereitet durch eine sehr genaue Beschreibung
dieser Darstellungen, die ihrerseits durch Nachzeichnungen
der auf den Photographien doch nur schwer erkennbaren
Motive erleichtert wird. Insofern stellen die auf den
Tafeln VII und VIII gebotenen, von E. de Metzeufeld herrührenden
Umzeichnungen des Dekors der beiden Goldschalen
einen sehr wesentlichen Beitrag nicht nur zum kunsthistorischen
, sondern auch zum inhaltlichen, und d. h. weithin
religionshistorisch bedingten Verständnis dieser Schalen dar.
Denn daß auf ihr Dekor auch religiös-kultische Gedanken und
Vorstellungen eingewirkt haben, ist wohl für derartige antike
Kunstwerke als selbstverständlich anzunehmen, und die Frage
kann nur sein, wie weit das bei unseren Schalen im einzelnen
zutrifft. Bei der Schüssel, deren Boden in der Mitte einen
leeren Kreis, dann ein Rundband mit vier Steinböcken und im
äußersten und breitesten Register die Streitwagenjagd eines
Königs auf Wildrinder und Antilopen zeigt, liegt die Annahme
der Beeinflussung ihres Schmuckes durch religiös-
kultische Vorstellungen anscheinend weniger nahe als bei der
Schale, die unten auf ihrer Außenseite eine achtzehnstrahlige
Rosette, dann ein Rundband mit fünf zu drei Lebensbäumen
einporspringenden Ziegen und verstreuten Rosetten, im nächsten
Register zwei sich vor einem Lebensbaum neigende Stiere
und zwei vor je einem Lebensbaum stehende Löwen mit
einem dritten Lebensbaum zwischen sich, im obersten einen
links von einer weiblichen Sphinx, rechts von einem gehörnten
Löweusphinx angesprungenen Lebensbaum und allerlei Nebeu-
szenen aufweist. Für die Hauptszene der Schüssel, die Jagd
des Königs auf Wildrinder und Antilopen, glaubt Schaeffer
den von Ba'als Jagden handelnden Text BH zur Deutung
heranziehen und aus dem Vergleich mit ihm folgern zu dürfen,
daß diese Szene den König als bevollmächtigten Mittler
zwischen dem Gott und den Menschen darstellen wolle. Denn
nur als Träger solcher Vollmacht dürfe er auf den Wildstier,
der den Göttern El und Ba'al heilig, für den sterblichen Menschen
aber Tabu ist, Jagd machen und nur so auf Überwindung
der mit dieser Jagd verbundenen großen Gefahren
hoffen. So geistreich diese Deutung ist, so wenig wird man sie
doch als gesichert oder auch nur als wahrscheinlich ansehen
dürfen, um so weniger, als der Text BH schwerlich eine tragfähige
Grundlage für sie abgibt und es sich bei der Verwertung
des neben BH herangezogenen Textes III AB sogar eindeutig
zeigen läßt, daß diese von einem Mißverständnis des Textes
ausgeht. Das in III AB vorkommende smd darf nämlich nicht
mit Schaeffer als „Gespann", ,.Wagen", „Streitwagen" verstanden
werden, sondern bedeutet sicher „Keule".

Mit großer Sicherheit kann man aber bei der mit dem von
zwei Sphingen angesprungenen Lebensbaum geschmückten
Goldschale ihr Dekor auf mythologisch-symbolische Vorstellungen
zurückführen, und hier besteht auch begründete
Aussicht auf deren Erhellung. Zunächst ist es wohl in der Tat
an dem, daß der Dekor dieser Schale die Verehrung des
heiligen Baumes, des Symbols von Fruchtbarkeit und Geburtenfülle
, zum Hauptthema hat. In allen drei Registern der
Schale erklingt dies Thema, und in der Lebensbaumszene des
äußersten braust es gewaltig dahin. In dem Verständnis der
Einzelheiten bleiben indes auch hier mannigfache Möglichkeiten
offen. So begnügt sich Schaeffer bei den neben dem
Lebensbaum stehenden beiden Sphingen mit dem Hinweis auf
die von R. D;ussaud versuchte Deutung, die in der weiblichen
Sphinx ein Symbol des Gottes El, in dem Löweusphinx ein
solches der Göttin Ascherat-Jam sehen möchte. Anderseits
1 vr Schaeffer selbst zur Deutung der auf der Goldschale
als Nebenfiguren vorkommenden Adler und Geier Stellen des
i'anel-Textes heran, aber die hier vorausgesetzte Erklärung
dieser Stellen ist wiederum so problematisch, daß sie den ihr
/-ugemuteten Dienst in Wahrheit nicht leisten können. Nach
alledem ist es klar, daß mit der von Schaeffer für das Dekor
(ier beiden Goldschalen vorgeschlagenen Deutung das letzte
f . r v tt,lcht gesprochen ist. Aber auch so behält Schaef-
„Jr Versuch seine große Bedeutung, insofern er bisher nur
ntDenbei berührte Fragen nachdrücklich aufwirft und Ant-
«Wi,C? aut ff, vorschlägt, die, wenn auch nicht alle endgültig,
beitragen" ZUm Verständnis des Tatbestandes wesentlich

a,,( j„LeSJ!alle,m: Die Ugaritica II sind ein Werk, das ganz

lictnnam J1 b^V" der Reihe der endgültigen Veröffent-
ichungen der Kinde von Ras Schamra bisher erschienenen

vier Bände steht und sie an Wert gar noch übertrifft, ein
Werk, das der von ihm behandelten Gegenstände würdig ist.
Hervorhebung verdient dabei noch, daß das offenbar nach
Vollendung des Werkes geschriebene und vom 20. April 1949
datierte Vorwort nicht nur Zweifel an der Richtigkeit der Verwertung
von Textstelleu zur Deutung der Goldschalen äußert,
sondern auch einen Hinweis auf die Abhängigkeit der hethi-
tischen Kunst von der syrischen bringt, also von rastloser, für
Richtigstellung älterer Vorschläge wie für neue Erkenntnisse
in gleicher Weise offenen Weiterarbeit des Verfassers an schier
Aufgabe zeugt. So darf man seinen weiteren Veröffentlichungen
mit großen Erwartungen entgegensehen und der Hoffnung
Ausdruck geben, daß diese auch von reichen Ergebnissen der
wieder aufgenommenen Grabung bereichert und befruchtet
sein werden.

Halle/Saale Otto Eißfeldt

Weinberger, Otto, Dr. theol., rer. pol. et jur., Dozent: Die Wirtscliafts-
philosophie des Alten Testaments. Wien: Springer Verlag L1948]. XX,
141 S. gr. 8°. DM 14.—.

Schon der Titel des Buches befremdet. Gibt es im Alten
Testament überhaupt eine „Philosophie" und nun gar noch
eine „Wirtschaftsphilosophie"? Was der Verf. darunter versteht
, ergibt sich aus der Formulierung, mit der er seine Aufgabe
umreißt; er hat sich vorgenommen, „ein bestimmtes
Normensystem, nämlich jenes des Alten Testamentes, mit
einem bestimmten Maßstab, nämlich jenem der christlich-
katholischen Ethik zu messen" (S. 22), und zwar liegt dieser
Maßstab vor in den päpstlichen Enzykliken Rerum Novarum
vom 15, Mai 1891 und Quadragesiino Anno vom 15. Mai 1931.

Fast die Hälfte des Buches nehmen vorbereitende Erwägungen
ein, in denen verschiedene wirtschaftswissenschaftliche
Theorien vorgeführt und sodann die Frage nach dem
Verhältnis des Alten zum Neuen Testament besprochen wird,
und zwar ohne jedes tiefere Eingehen auf etwa vorhandene
Probleme. Den Kern des Buches bilden Zusammenstellungen
aus dem Alten Testament zu den Themen „Boden- und Besitzprobleme
", „Kapitalprobleme", „Arbeitsprobleme" und
„Sonstige Probleme". Hier, wo es auf ein gründliches Arbeiten
angekommen wäre, fehlt jede solide Exegese, jede Analyse
von Begriffen, jedes Eindringen in die Welt des Alten Testaments
; dafür finden sich laufend billige und kurzschlüssige
Nutzanwendungen auf gegenwärtige Wirtschafts- und Sozialprobleme
. Ein zusammenfassender und abschließender Abschnitt
ist einer „Prüfung von Einwendungen" gegen die alt-
testamentliche Ethik gewidmet, der sich mit zahlreichen mehr
oder minder unsachgemäßen Angriffen auf das Alte Testament
auseinandersetzt und au sich schon ein berechtigtes Anliegen
vertritt, in seiner Ausführung aber von einer nahezu
unfaßlichen Oberflächlichkeit ist.

Ich wüßte nicht, welchen Beitrag das Buch zu einer
Förderung alttestamentlicher Wissenschaft leisten könnte.

Bonn Martin Noth

Herntrich, Volkmar: Der Prophet Jesaja. Kapitel 1—12. übers, u. erkl,
Oöttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1950. XX, 222 S. gr. 8°= Das Alte
Testament Deutsch. Neues Göttinger Bibelwerk. Hrsg. v. V. Herntrich
u. A. Weiser. Teilbd. 17. Kart. DM 9.40.

Dem Kommentar ist eine Einleitung vorangestellt, in der
1. „Die Prophetie und die Zeitgeschichte", 2. „Der Prophet
und seine Botschaft" und 3. „Das Buch" behandelt werden.
Diese Einleitung ist sowohl eine plastische Einführung in die
Probleme von Jes. 1—-12, als auch an wesentlichen Punkten
eine Zusammenfassung der Ergebnisse, die in der Exegese erarbeitet
werden. Schon die Schilderung der Zeitgeschichte
wird geleitet von der Frage nach dem Wesen und der besonderen
geschichtlichen Wirklichkeit des prophetischen Wortes
. Die eigenartige prophetische Dimension wird abgehoben
von jeder politischen und innerweltlichen Diagnose. „Jüngergemeinde
", „Rest", „Wunder", „Messianische Weissagung"
(„Das Kind wird herrschen") treten als geschichtliche Tatsachen
in den Blick.

Vorwegnehmend und zusammenfassend wird die Prophetie
als Zeugnis von der Nähe Gottes und die himmlische
Liturgie als die Vorwegnahme der Eschatologie erkannt. Die
inhaltlich lutherische Bestimmtheit der Arbeit zeigt sich in der
Bedeutung, die den Zeichen der Herablassung Gottes, der
Kennzeichnung des Glaubens als Neuschöpfung und der Bezeugung
des Wirkens des transzendenten Gottes mitten in der
Geschichte und in der Welt beigemessen wird.

Der kurze Abschnitt über „Das Buch" macht dem Leser
klar, daß den rein sprachlichen, textklitischen, formgeschichl-
lichen und einleitungswissenschaftlichen Problemen nicht aus-