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Ausgabe:

1951 Nr. 8

Spalte:

487-488

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Hoff, Eugène$cvon

Titel/Untertitel:

L'Église et les sectes 1951

Rezensent:

Kruska, Harald

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487

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 8

488

SctlUltze, Bernhard: Russische Denker. Ihre Stellung zu Christus, Kirche
und Papsttum. Wien: Thomas-Morus-Presse im Verl. Herder [1950]. 456 S.
gr. 8°. Lw. DM 14.—.

Seit der Europäisierung Rußlands ist die Auseinandersetzung
mit den westlichen Konfessionen für alle religiösen
Denker Rußlands nicht ein Gegenstand rhetorischer Übungen
oder eine traditionelle Disziplin der „theologischen Wissenschaft
", sondern ein wirkliches Lebensproblem gewesen. Der
Verf. des vorliegenden, hervorragend ausgestatteten Buches,
Professor am päpstlichen Institut für orientalische Studien in
Rom, legt hier eine Geschichte der russisch-orthodoxen Auseinandersetzung
mit dem römischen Katholizismus in den
letzten anderthalb Jahrhunderten vor. 24 der bedeutendsten
Gestalten des russischen religiösen Denkens in dieser Zeit befragt
er nach ihrer „Stellung zu Christus, Kirche und Papsttum
". Diese Befragung geschieht manchmal in etwas mechanischer
Weise. Worte über Christus werden registriert und
ihrem Verfasser positiv vermerkt, auch wo es nur ganz konventionelle
Äußerungen sind (etwa bei Belinskij S. 67ff., doch
auch Öaadajevs Äußerungen auf S. 32 scheinen mir hierher zu
gehören). Ähnlich ist es in bezug auf die Stellung der Russen
zum römischen Katholizismus und zum Primat des Papstes.
Der eigene Standpunkt ist für den Verf. nicht Problem, und
er kann es sich nur durch psychologische und historische
Gründe verständlich machen, daß er das für andere ist. Mit
großer Treue und Sachlichkeit werden die mannigfaltigen Einwände
der orthodoxen Russen gegen den römischen Kirchen-
begriff und Primatsanspruch dargestellt, aber auf eine sachliche
Stellungnahme zu ihnen wird weitgehend verzichtet. Der
eindringlichen Interpretation von Matth. 16, 18 durch Merez-
kovskij wird im Grunde nur ihre „Uberfeinerung und Spitzfindigkeit
" zum Vorwurf gemacht (S. 249). — Sehr erfreulich
ist die sachlich reservierte Beurteilung der Stellung Solovjevs
zum Katholizismus. Völlig richtig sagt der Verf., daß Solovjev
einerseits den römischen Primat als universales Prinzip anerkennt
, andererseits aber im historischen Katholizismus eine
begrenzte Konfession gesehen (also dem Selbstverständnis der
katholischen Kirche entscheidend widersprochen) habe.

Problematisch erscheint es von hieraus nur, daß Solovjev gleichwohl im
Vorwort (S. 8) zu der sehr kleinen Gruppe derer gezählt wird (außer ihm gehört
nur noch Vjaieslav Ivanov zu ihr), die „zur katholischen Wahrheit gelangten".
Wäre es nicht vielleicht besser, ihn in die nächst tiefere einzuordnen, in die
Gruppe derer nämlich, „die ihr (der katholischen Wahrheit) beträchtlich nahe
kamen" ? Das gleiche gilt für die Behauptung auf S. 255, daß sich für Solovjevs
„vielseitigen und universalen Geist durch die geheime Annahme des katholischen
Glaubens im Jahre 1896 neue Welten eröffnet" haben. Es müßte gezeigt
werden, was meines Wissens noch nicht gezeigt ist (und wohl auch kaum
gezeigt werden kann), daß die Entwicklung der Anschauungen Solovjevs nach
1896 wenigstens die Tendenz einer Annäherung an die Dogmen der katholischen
Kirche aufweise. Vielleicht dürfte eher das Gegenteil der Fall sein.

Übrigens ist im „Großinquisitor" von Dostojevskij mit der Annahme des
Schwertes der Cäsaren durch den Papst gewiß nicht das Schisma von 1054,
sondern die Pippinsche Schenkung vom Jahre 756 gemeint (zu S. 183,
Anm. 44).

Das Buch von Schultze ist mit seinen gewissenhaften
Referaten und seinen langen Zitaten aus zum Teil weniger bekannten
oder schwer greifbaren Büchern eine außerordentlich
wertvolle Materialsammlung zur russischen Geistesgeschichte
der letzten anderthalb Jahrhunderte und im besonderen zu der
Auseinandersetzung zwischen russischem Geist und römischem
Katholizismus. Eine geistesgeschichtlich voll befriedigende
Darstellung dieser Auseinandersetzung bleibt allerdings
noch zu schreiben. Die weniger strenge Anwendung des dogmatischen
Maßstabes wäre einer solchen gewiß sehr förderlich.

Marburg/Lahn Ludolf Müller

Hoff, Eugene v., Past.: L'Eglise et les sectes. Quelques dissidences reli-
gieuses de notre temps. La Chaux-De-Fonds: Librairie Protestante 1941.
139 S. kl. 8°.

Vorliegende Schrift des Pfarrers E. v. Hoff ist eine Uber-
arbeitung von Aufsätzen, die in der Genfer Zeitschrift Vie protestante
erschienen sind. Das Anliegen ist kein eigentlich
wissenschaftlich-theologisches, und so wird auch die so dringlich
gewordene grundsätzliche Frage des Verhältnisses von
Kirche und Sekte, abgesehen von einigen einleitenden Ausführungen
, nicht weiter untersucht. Vielmehr will der Verf.
die Möglichkeit einer „schnellen Information" über die „charakteristischsten
Sekten unserer Epoche" bieten. So behandelt
er den Darbysmus, die Katholisch-Apostolische Kirche und die
Neuapostolische Gemeinde, die Siebententagsadventisten, die
Christliche Wissenschaft, die Pfingstbewegung, die Mormonen,
die Zeugen Jehovas, die Menschenfreundliche Versammlung
(eine 1919 entstandene Abspaltung der Zeugen Jehovas, bekannt
auch'unter dem Namen „Kirche des Reiches Gottes"),
die Theosophie, die Anthroposophie (hier hat Verf. sich ganz
auf R. Steiner beschränkt; die „Christengemeinschaft" ist gar
nicht erwähnt, eine Stellungnahme im außerdeutschen Raum
wäre von Interesse) und schließlich den Spiritismus. Die Darstellung
ist mit durchschnittlich je zehn Seiten knapp gehalten
, vermittelt aber doch, dank der Konzentration, eine gute
Orientierung. Das Wesentliche der einzelnen Gemeinschaften
im Blick auf ihre Geschichte, Lehre, Ordnung usw. wird zuverlässig
dargeboten und von der Bibel her beurteilt (die Beurteilung
ist gleichlaufend mit der bei uns bekannten). Den
Beschluß bilden kurze Ausführungen über das rechte Verständnis
der Propheten, der Prophetie und der Apokalypse. Der
Verf. weiß darum, daß man die Sekten „Schuldscheine" der
Kirche nennen kann und die Zerrissenheit der Kirche eine
Anfechtung ist, seine Auseinandersetzung ist darum frei von
falscher Sicherheit und Rechthaberei. Auf der anderen Seite
ist er aber doch bestimmt von dem klaren Wissen um die
Autorität des Wortes Gottes, das eine „Ergänzung" usw.
durch schriftwidrige Gedanken nicht duldet. Man wird natürlich
seine bestimmten Wünsche haben, aber dann müßte die
Schrift umfassender sein. Sie dient jedenfalls auch jetzt schon
in guter Weise dem erstrebten Ziel, die Gemeinde zu stärken.
Berlin Harald Kruska

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

Brunner, August: Der Stufenbau der Welt. Ontologische Untersuchungen
über Person, Leben, Stoff. München u. Kempten: Kösel-Verlag [1950].
579 S. 8°. Lw. DM 19.50.

Wer in diesem Buche eine systematische Darstellung vom
„Stufenbau der Welt", wie sie etwa N. Hartmann in seinen
ontologischen Werken gegeben hat, erwartet, wird es enttäuscht
aus der Hand legen. Nicht der Haupttitel, wohl aber
der Untertitel trifft den Inhalt: es sind in der Tat „ontologische
Untersuchungen über Person, Leben, Stoff". Freilich muß
auch hierbei noch eine doppelte Einschränkung gemacht werden
: einmal enthält das Werk nicht nur ontologische, sondern
auch zahlreiche psychologische, geschichtsphilosophische, ethische
, religionsphilosophische und theologische Erörterungen;
zum andern werden die genannten Themen nicht gleichmäßig
behandelt, sondern unter starker Präponderanz des erstgenannten
. Die menschliche Person, ihre Freiheit und Selbständigkeit
, steht im Mittelpunkt der ganzen Erörterungen.
Diese erfolgen vom Boden der scholastischen Philosophie aus.
Der nicht eingeweihte Leser merkt das freilich zunächst gar
nicht, weil der Verf. seine Gedanken in so moderner Form darbietet
, daß man manchmal an ein Bonmot von E. Troeltsch
erinnert wird, der einmal von Leuten spricht, die „mit den
modernsten Paradoxien eine scholastische Uberlieferung ausstaffieren
". Wie sehr der Verf. an dieser scholastischen Uberlieferung
festhält, beweist beispielsweise die Art, wie er den
Terminus „Wertordnung" verwendet. Wer von der modernen
Wertphilosophie herkommt, versteht unter „Wertordnung"
eine der Seinsordnung gegenüber selbständige Sphäre, einen
ordo sui generis. Wenn Verf. aber von „Wertordnung" spricht,
versteht er darunter etwas ganz anderes. Wie für ihn gemäß
dem scholastischen Axiom: Omne ens est bonum, Wert und
Sein zusammenfallen, so auch Wert- und Seinsordnung. Eine
Wertordnung im Sinne einer auf eigenen Füßen stehenden
Ordnung erkennt er nicht an. Für ihn ist die Wertordnung im
Grunde Seinsordnung (vgl. besonders S. 146).

In welchem Maße das Werk Brunners trotz gelegentlicher
Kritik an einzelnen Lehrstücken der mittelalterlichen Philosophie
scholastisch gebunden ist, merkt der sachkundige Leser,
der sich durch die Modernität der Form nicht beirren läßt, auf
Schritt und Tritt. Freilich tritt diese Gebundenheit weit
stärker als in dem vorliegenden in einem älteren und mehr
populär gehaltenen Werk zutage, das den Titel trägt: „Grundfragen
der Philosophie" (1933) und dessen Inhalt man nicht
zu Unrecht als „modern frisierte Scholastik" charakterisiert hat .

Wie sehr solche Gebundenheit eine Intoleranz gegenüber anderen Standpunkten
und Richtungen zur Folge hat, zeigen die Besprechungen, die Brunner
in den „Stimmen der Zeit" und in der „Scholastik" fortlaufend veröffentlicht.
Um das an einem konkreten Beispiel aufzuzeigen, wähle ich die eingehende
Besprechung, die er meiner „Religionsphilosophie" (2 Bde., Essen 1948) in
der „Scholastik" (1949, S. 275—278) gewidmet hat. Als sie erschienen war,
hielt in meinem religionsphilosophischen Oberseminar auf allgemeinen Wunsch
das wissenschaftlich hervorragendste Mitglied, ein katholischer Theologe und
Studienreferendar, ein Referat über diese Besprechung, in dem er die Polemik
Brunners in ihrer Unsachlichkeit, Ungerechtigkeit und Voreingenommenheit
an den Pranger stellte und den exakten Nachweis erbrachte, daß der Rezensent
sich Ungenauigkeiten und Entstellungen hat zuschulden kommen lassen. Das