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Ausgabe:

1951 Nr. 8

Spalte:

484-485

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Schnieber, Hans

Titel/Untertitel:

Mein Weg zur Kirche 1951

Rezensent:

Schott, Erdmann

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 8

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Schwäche . . . durch moralischen Minimalismus" geübt (319). -
Das ist ein antisäkularistischer Gedankengang, angesichts
dessen zwei Fragen doch wenigstens gestellt werden sollen, erstens
, ob es wirklich richtig ist, beim Glauben an das Reich
Gottes oder Christi mit dem „Herrschaftsanspruch" statt
mit dem Bestehen und Kommen dieser Herrschaft anzufangen
, und zweitens, ob es nicht auch von Gott her eine Einsetzung
der verschiedenen Lebensgebiete in eine ihrer Geschaffenheit
entsprechende Selbständigkeit gibt ?

Die Stellung zum Protestantismus wird in innerlich sehr
feiner Weise und in demütiger Aufrichtigkeit behandelt. Es wird
über „Interkonfessionelle Begegnung der Gläubigen (Unterstreichung
von mir) gehandelt. Der Glaube sei auch für den
Katholizismus nicht „Besitz", sondern „übernatürliche Gnade
". Die Wahrheit, um die es freilich gehe, sei außer uns. Aber
auch wo nur Teilwahrheit bejaht sei (Protestantismus), gebe
es Anteil an Christus. Der Glaube sei keine bloß formale
Größe. Es komme auf die confessio, und damit auf seine
Lebendigkeit und Bewährung im Leben an. Die Kirche habe
die Aufgabe der Verwaltung seiner Fülle. - Aber nun eben
doch seiner Fülle! Sie ist ja vermeintlich katholische Funktion
. Und so wird eben doch die „Meidung der ökumenischen
Bewegung der Protestanten durch die offizielle Kirche
(Enzyklika „Mortalium animos") nicht wundernehmen". (!)
So schön also auch ein Satz wie der ist: „Die Ecclesia trium-
phaus wird anders aussehen, als mancher Katholik und
mancher Kleriker sie sich ausmalen" (324), so verständnisbereit
die Erörterung geführt wird (L. Höcker), so ist eben
doch, daß vom „Lehramt" der rechte Weg verfolgt wird,
unangetastete Voraussetzung, und ohne Erwähnung von „Mortalium
animos" wird auch ein so warm und eindringlich geschriebenes
Votum nicht verfaßt.

Es wäre noch mancherlei Anerkennendes und Kritisches
zu sagen. Daß das Werk nicht über der Ost-West-Spannung
steht, soll nicht verschwiegen werden. Alle Artikel auch nur zu
nennen, geschweige denn zu besprechen, erlaubt der Raum
nicht.

Nur eine mir ethisch als wichtig erscheinende Frage soll noch gestreift
werden. In einem sehr interessanten Aufsatz spricht K. Peters über „Gerechtigkeit
und Rechtssicherheit" als strafrechtliches Problem. Die beiden
können sich stoßen, wie ja wohl schon der altbekannte Satz: Fiat justitia, pereat
mundus 1 anzeigen kann. Mit dem mundus zugleich würde auch eben das Recht
chaotisch werden. Wiederum gibt es mancherlei ungerechtes Handeln, das
doch nicht präzis durch ein Gesetz getroffen wird. Darf man es nun ohne Gesetz
bestrafen? Wo bliebe dann die Rechtssicherheit?

Wiewohl nun Peters die Gerechtigkeit hier nicht die Rechtssicherheit
vergewaltigen lassen will, meint er doch, eine naturrechtliche Begründung
für den Grundsatz: Nulla poena sine lege! lasse sich nicht aufzeigen. — Aber
ist das unwidersprechbar? Ist nicht für Strafe nach der reinen Gerechtigkeit
gleichsam kompetent allein Gott? Und muß nicht, da die Menschen alle
Sünder sind, der Grundsatz gelten, daß sie einander nur nach genauer Bestimmung
entsprechend dem wirklich Feststellbaren strafen dürfen?

Zu demselben Problemkreis — ich gehe auf die sehr interessante Dialektik
von Gerechtigkeit und Rechtssicherheit, die nach P. völlig eindeutig nicht auflösbar
sei, nicht weiter ein — zählt es, wenn beiläufig erwähnt wird, der „Pro-
grammsatz Liszts: Nicht die Tat, sondern der Täter soll bestraft werden",
sei „einer der tragendsten Gegensätze unseres modernen Strafrechts geworden
" (383)1 — Aber der Nichtjurist muß doch fragen, ob das nicht wenigstens
mißverständlich ausgedrückt ist. Freilich kann nur der Mensch die Strafe
empfangen. Und es kann gewiß ein Segen sein, wenn das Urteil auf Grund
der „freien richterlichen Beweiswürdigung" erfolgen darf. Aber läßt sich diese
nicht ebenfalls erheblich mißbrauchen? Gewiß wird es zumeist zu begrüßen
sein, wenn das Strafmaß dem Ermessen unterliegt und nicht automatisch
ergehen muß. Aber die pointierte Gewichtsverlagerung von der Tat auf den
Täter in dem Satz von Liszt läßt fragen, ob der Richter zum Herzenskün-
diger werden wolle, notabene ob hier sein eigentliches Amt liegt, — und ob er
damit nicht wieder an das Reservat Gottes rührt? Läßt weiter die Formulierung
Liszts nicht auch von ferne an die Parole denken, daß die Gesinnung, evtl.
auch ohne Tat, zu bestrafen sei, eine Parole, die doch über den Bereich der
Handlungen, bei denen schon der Versuch strafbar ist, weit hinausgeht.

Wir haben das Thema jetzt nicht zu verfolgen. Es soll gewiß dem menschlichen
Richter nicht der Blick auf Gesinnung und Charakter des Täters gesperrt
werden. Im Gegenteil, er hat durchaus die Tat mit von daher zu verstehen
. Aber bestraft wird der Täter um der Tat, nicht um seiner selbst willen.
Die Strafe also der Tat I Gottlob, daß Menschen nicht mehr als sie zu bestrafen
haben. Dem Täter aber die aus ihr erfolgende moralische Wirkungl

Es legt sich die Frage nahe, ob es nicht das katholische, aus der Lehre
vom Bußsakrament bekannte juristisch-theologische Denken ist, was hier auch
auf das weltliche Strafrecht übergreift.

Greifswald Rud. Hermann

Schnieber, Hans: Mein Weg zur Kirche. Mit einem Geleitwort Sr. Exzellenz
, des Herrn Erzbischofs von Bamberg. Nürnberg: Sebaldus-Verlag
[1948]. 197 S. 8°. Hlw. DM6.—.

Lambinet, Ludwig: Das Wesen des katholisch-protestantischen
Gegensatzes. Ein Beitrag zum gegenseitigen Verstehen. Geleitwort von
Robert Grosche. Einsiedeln/Köln: Benziger 1946. 221 S. m. 1 Titelb. 8°
Kart. sfr. 10.— ; Lw. sfr. 12.80.

Lambinet und Schnieber sind einstige evangelische Pfarrer,
die zur römisch-katholischen Kirche konvertierten. Die beiden
Konversionsschriften, die sie uns vorlegen, haben aber einen
durchaus verschiedenen Charakter.

Schnieber gibt in selbstbiographischer Form eine Art
Lebensbeichte, in der er sich über seinen Schritt rückschauend
Rechenschaft gibt und ihn auch seinen evangelischen Freunden
verständlich zu macheu sucht. Ursprünglich war er altlutherischer
Pfarrer und als solcher bewegt von den beiden Fragen :
„Was ist es um den wahren Leib im Sakrament des Altars ? "
und „Wo ist die wahre Kirche ?" (13). Später war er Jahrzehnte
hindurch Pfarrer in der evangelisch-lutherischen Landeskirche
Sachsens bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1936 (krankheitshalber
). Im Jahre 1943 konvertierte der nunmehr 63 jährige
in Eichstädt und wurde 1946 in Bamberg zum Priester
geweiht. Seine innere Entwicklung war besonders seit dem
Reformationsjubiläum 1917 immer stärker durch die Beschäftigung
mit der katholischen Kirche bestimmt worden, die
faszinierend auf ihn wirkte und ihn allmählich ganz in ihren
Bann schlug.

Theologisch trägt die Schrift Sch.s wenig aus. Einerseits sucht er seinen
evangelischen Lesern Mariologie, Heiligenverehrung, Unfehlbarkeitsdogma,
Antimodernisteneid, Corpus Juris Canonici u. a. m. mit den auch sonst gebräuchlichen
Argumenten schmackhaft zu machen, andererseits bewegt sich
sein Urteil über Luther und die Reformation durchaus in den Bahnen der
durchschnittlichen katholischen Polemik, ohne irgendwie in die Tiefe vorzustoßen
(Lortz und Hessen geben da mehr). Aus Luthers Lehre vom servum
arbitrium zieht er die billige falsche Konsequenz: „Damit fällt dann natürlich
jede Verantwortlichkeit hin" (58). Das Luthersche „Simul Justus et peccator"
beseitigt nach Sch. den Antrieb zum Kampf gegen die Sünde (Luther sagt sehr
eindrücklich das grade Gegenteil, was Sch. aber ignoriert). Ja, sogar die Übersetzung
„allein durch den Glauben" in Rom. 3, 28 kritisiert Sch. wieder ohne
jede weitere Begründung (127), als hätte Luther nie einen Sendbrief vom Dolmetschen
geschrieben! Überhaupt ist an keiner Stelle zu spüren, daß Sch. sich
mit L. selbst und der reichen evangelischen Literatur zu Luthers Theologie
auseinandergesetzt hätte. Dafür hat er aber neben anderer katholischer Literatur
auch Grisars Lutherwerk gelesen (98), und ein Aufsatz des sonst von ihm
als reformiert völlig abgelehnten Karl Barth hat ihn belehrt, daß „das Festhalten
an der wirklichen Gegenwart von Leib und Blut des Herrn im heiligen
Abendmahl in Luthers ganzem Lehrsystem ein Fremdkörper sei" (125). Diese
Hinweise dürften genügen, um zu zeigen, daß die Schrift Sch.s im wesentlichen
nur biographischen und psychologischen Wert hat.

Auch Lambinet setzt sich nicht mit Luthers Theologie
auseinander, aber er hat eine umfangreiche und weitschichtige
protestantische Literatur verarbeitet, angefangen von Martin
Chemnitz über Leibnitz, Schleiermacher, Hegel, Schelling,
Kierkegaard, Julius Müller, Stahl, Karl von Hase, Ritsehl,
Harnack u. a. bis hin zu Wehrung, Tillich, Heiler, E. Hirsch,
Nygren, Sasse. Die Reihe der katholischen Autoren, die er verzeichnet
, beginnt mit Bellarmin und ist bedeutend kürzer.
L. will eine „Phänomenologie des Konfessionsproblems" (11)
geben. Er sieht darum von sich selber bewußt ab und läßt
alles Biographische fort. Nur aus dem Geleitwort von Robert
Grosche erfahren wir, daß L. (der offenbar einer katholisch-
evangelischen Mischehe entstammte) nach dem Studium der
Philosophie und der evangelischen Theologie an verschiedenen
Orten des Rheinlandes als evangelischer Pfarrer gewirkt hat
und 1942 an der Ostfront als Krankenträger gefallen ist.

L. entfaltet den katholisch-evangelischen Gegensatz in drei Schichten,
nämlich zunächst in welthaften Gegebenheiten, dann im Ursprung des
Christentums und schließlich im Abfall vom Ursprung des Christentums. In
der ersten Schicht (welthafte Gegebenheiten) behandelt er die Glaubensspaltung
in der völkisch-nationalen Deutung (südländisch — nordisch), in der
geistesgeschichtlichen (Mittelalter — Neuzeit) und in der religionsgeschichtlichen
Deutung (Priesterreligion — Prophetismus). In der zweiten Schicht
(Ursprung des Christentums) beschäftigt ihn der Gegensatz des petrinlschcn
und paulinischen Christentums und in der dritten (Abfall vom Ursprung) die
allumfassende Katholizität (Natur und Gnade) im Widerspruch zu dem
häretischen „Allein". Lambinet bekennt sich am Schluß seines Buches mit
folgender Begründung zur katholischen Kirche: „Das abstrakt petrinische ist
immer noch wirklichkeitshaltiger als das abstrakt paulinische Prinzip. Übertrieben
formuliert: Die katholische Kirche kann es sich ruhig leisten, sich der
häretischen Gefahr zu nähern, die ihr am nächsten liegt. Immer noch wird von
einem allzu petrinischen Katholizismus gelten, was Schelling fundamental erkannt
hat: Die katholische Kirche hat die Substanz. . . Mag auch die religiöse
Subjektivität, das persönliche Aneignen des Heils sehr im Argen liegen . ..