Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1951

Spalte:

475-476

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Buchheim, Karl

Titel/Untertitel:

Wahrheit und Geschichte 1951

Rezensent:

Heussi, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

475

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. S

476

Väter, der Theologen, der Liturgien Wert hat (aber nicht als
eine schlüssige Theologie der Wirklichkeit „Frau"). Der Stil
des Buches paßt zu diesem Eigenwert; die Weise von Festtagspredigten
, ja von Hymnen, hält die Verfasserin durch
588 Seiten durch — eine Leistung, die da und dort sich zu
wirklicher Erhabenheit steigert. Es ist das genus grande (nicht
tumidum) der alten Rhetoriker — wozu aber immerhin
Augustinus De doctrina christiana lib. IV. cc. 19 und 26 zu
hören wäre.

Bad Liebenzell Leonhard Fendt

Lüthi, Walter: Das Unservater. Eine Auslegung. 5. Aufl. Basel: Reinhardt
o. J. 139 S. 8°. sfr. 4,50; geb. sfr. 6,50.

Der Berner Münsterpfarrer bietet in diesem Schriftchen
nicht Reihenpredigten, sondern für den Leser bestimmte Betrachtungen
über das Gebet des Herrn, eine über die Anrede,
sieben über die Bitten, vier über den Beschluß. Die Meditationen
sind gegenwartsnahe, insbesondere in die Schweizer
Lage hineingesprochen. Lüthi hält sich im wesentlichen unabhängig
von der lutherischen oder reformierten Katechismus-
tradition. Er schreibt für den einzelnen Christen von heute.
Die Schrift verrät keine Kenntnis von der gründlichen wissenschaftlichen
Exegese Lohmeyers. Sie setzt sich auch nicht mit
der Luk. 11, 1 gestellten Frage auseinander, inwiefern das Gebet
des Herrn ein Bekenntnis ist. Das Wesentliche ist ihm die
christozentrische Auslegung mit eschatologischem Aspekt, und
damit trifft er in der Tat die Sache. Die Durchführung ist, wie
immer bei Lüthi, anfassend, klar und lebendig. Die einzelnen
Betrachtungen stehen etwas isoliert nebeneinander. Die doppelte
Spannung zwischen dem Vater und dem Bösen und in
Gott selber zwischen dem Vater und dem Heiligen hätte wohl
noch schärfer gefaßt werden können. Der christozentrische
Charakter wäre auf die Weise noch stärker zum Ausdruck gekommen
. In dem kommenden Christus löst sich die Spannung
zwischen dem Königtum Gottes und seinem gnädigen Willen,
zwischen Himmel und Erde, zwischen der dritten und siebenten
Bitte. Die Christenheit unserer Tage wird für die Auslegung
ihres Urbekenntnisses Lüthi zu gutem Dank verbunden
sein.

Berlin-Spandau M.Albertz

KIRCHENGE SCHICHTE: ALLGEMEINES

Buchheim, Karl: Wahrheit und Geschichte. ZurBegegnung von Glaube
und Wissenschaft [2. Aufl.] München: Kösel-Verlag [1950]. 271 S. 8° -
Hochland-Bücherei. Lw. DM 9.80.

Buchheims Grundgedanke ist der, daß das Denken der
Moderne, vor allem auch Kants und des Positivismus, zu ausschließlich
am Raum orientiert ist, während doch „die Totalität
des Seienden niemals im Räume allein, sondern vor allem
in der Zeit erfaßt" wird, also nicht bloß mathematisch, sondern
vor allem historisch sein muß (S. 46). In Wirklichkeit
hat die Zeit gegenüber dem Raum für den Menschen das Übergewicht
(S. 32L). Aus dem ausschließlichen Raumdenken
kommen die abzulehnende Unterscheidung zwischen Phänomen
und Ding an sich (31 f., 48L), der moderne Agnostizismus
und Atheismus (51), auch die Lehre vom beständigen Fortschritt
des Geistes, die Aufklärung (67). Die rein mechanische
Auffassung der Welt ist eine vom einseitigen Raumdenken her
bestimmte Ansicht und der ontologische Grundirrtum der
neueren Zeit (76). Geschickt wird die Zeitvorstellung Augu-
stins gegen die Kantische ausgespielt (43 ff.). In Wirklichkeit
ist alle „Vernunff-Erkenntnis in der Grundlage historische
Erkenntnis, die autonome Haltung Kants „läßt Künstlichkeit
erkennen" (49t.). Die Existenz eines lebendigen Gottes und
einer lebendigen Seele ist dem Raumdenkeu unzugänglich (51),
dagegen eine radikale Trennung des profanen vom religiösen
Geiste vom Zeitdenken aus überhaupt nicht möglich (52). In
der Antike war die Rolle der Mathematik eine ganz andere als
in der Moderne (52); die griechische Philosophie bedurfte daher
auch keiner Kantischen Kritik (72). Die mechanische Naturerklärung
ist vordergründig; die größere Aufgabe ist die Erkenntnis
der finalen Verknüpfung des Geschehens; daraus
ergibt sich der Begriff einer Allgenieingeschichte, in der
Naturgeschichte und Menschheitsgeschichte sich zusammenschließen
(87). Auf die vier ersten Kapitel, in denen diese
Grundgedanken entwickelt werden, folgt dann in acht weiteren
Kapiteln ein Längsschnitt durch die Geschichte der griechischen
Philosophie von Pythagoras bis Aristoteles. Hier treffen
wir auf nicht wenige sehr selbständige und feine Beobachtungen
, durch die manche herkömmliche Auffassungen entscheidend
korrigiert werden; die Atomisten, Epikuros, die So-

histen, Sokrates u. a., werden von modernen Verzeichnungen
efreit, die einzelnen philosophischen Richtungen gut charakterisiert
, allenthalben neue und überraschende Lichter aufgesetzt
. Es ist interessant, wie die Anfänge der eigentlichen
Geschichtschreibung (Thukydides) in die Gesamtentwicklung
der griechischen Philosophie hineingestellt und aus ihr verständlich
gemacht werden. Dieser der griechischen Philosophie
gewidmete Hauptteil des Buches soll dazu dienen, zu zeigen,
wie weit diese noch unbefangene, von den christlichen Auffassungen
noch unberührte Eigenkraft der Philosophie vorzudringen
vermochte (69L). Daher wird beständig auf die
christlichen Lehren hingewiesen, die Erbsünde, die Gnade, die
Menschwerdung des Logos (die der Verf. streng dogmatisch-
supranatural faßt); es werden die Linien aufgewiesen, die von
der griechischen Philosophie zum Evangelium, aber auch die,
die zum Gnostizismus und Manichäismus hinführen. '

Der Titel „Wahrheit und Geschichte" läßt in seiner Unbestimmtheit
und Mehrdeutigkeit nicht vermuten, welches das
eigentliche Anliegen des Buches ist, auch nicht, welchen Weg
hier der Leser geführt werden soll. Der Untertitel „Zur Begegnung
von Glaube und Wissenschaft" gibt zwar die Richtung
an, in die das Buch weist, aber nicht eigentlich das, was
expressis verbis erörtert wird, und steht auch logisch in einer
Spannung zum Obertitel. In diesen Aporien der Titel spiegelt
sich die Unklarheit der Konzeption des Buches wider. Eine
zwingende gedankliche Architektonik, ein großer systematischer
Wurf ist dem Verf. nicht geglückt. Er hätte besser zwei
Bücher schreiben sollen (Kap. I—IV; Vff.). Die Arbeit enthält
aber eine solche Menge von guten Beobachtungen und anregenden
Gedanken, daß wir sie trotz dieses kritischen Ein-
wandes gegen ihre Grundstruktur ihrem Verf. gern abnehmen.
Vor allem der Grundgedanke ist sehr beachtlich, und es wäre
sehr zu wünschen, daß er eine gründliche Diskussion auslöste.
Jena Karl Heussl

Würtenberg, Gustav, Lic. Dr.: Kirchengeschichte in synchronistischen
Geschichtstabellen. 2. Aufl. Düsseldorf: Werner-Verlag 1948. 39 S.
8°. DM 1.50.

Der Verf. bietet in gedrängtester Form eine tabellarische
Ubersicht, die vorwiegend für den Religionsunterricht bestimmt
ist. Das ist an sich ein löbliches Unternehmen. Aber
wenn der Verf. mit seiner synchronistischen Methode Neuland
betreten zu haben glaubt, so sind ihm offenbar die sechs Auflagen
der Weingartenschen Tabelle unbekannt geblieben. Eigenartig
berührt bei dem Verf. einer kirchengeschichtlicheu
Tabelle die Sorge, durch ein zu reiches Tatsachenmaterial unübersichtlich
zu werden, die Angst vor einem historistischen Betrieb
der Kirchengeschichte. Natürlich wird sich die Stoffauswahl
nach dem Zweck des Buches zu richten haben. Schülern
wird man weniger zumuten als Theologiestudenten. Aber ist es
nicht ein bedenkliches Zeichen der Zeit, wenn bei einer Kirchen-
geschichts-Tabelle das Interesse nicht in erster Linie auf der
Sache selbst, auf der Erhebung der einfachen historischen Tatsache
selber ruht, sondern immer noch ein Nebenzweck eingeschaltet
wird durch die unglückselige Trennung von Religion
und Glaube ? Den Glauben kann man zwar nicht tabellarisch
darstellen, obwohl das ja das Ziel dieser Tabelle sein müßte,
aber „eine energische Unterstreichung der religiösen Entwicklung
" soll diese Tabellen von profanhistorischen unterscheiden.
Nach meiner Meinung ist die Notwendigkeit einer kirchenge-
schichtlichen Tabelle Beweis genug für die Wichtigkeit dieser
Entwicklungslinie innerhalb der Menschheitskultur. Wie aber
soll ein Abbild der Wirklichkeit zustande kommen, wenn die
übrigen Kulturgebiete gegenüber dem religiösen nur „illustrative
Tendenz" haben dürfen! Kann der Geschichtslehrer mit
Tabellen, die unter solchen Voraussetzungen entstanden sind,
etwas anfangen ? Sie werden also nur im kirchlichen Religionsunterricht
benutzt werden können. — Der Stoff ist in acht Perioden
gegliedert: Religion und Geschichte Israels, das neu-
testamentliche Zeitalter, Geschichte der alten Kirche, das
Christentum und die Germanen, Renaissance und Reformation
, das Zeitalter der Gegenreformation, Aufklärung, Pietismus
und Idealismus, von der Romantik bis zur Gegenwart. Die
erste Periode ist in einer Kirchengeschichts-Tabelle entbehrlich
, die letzten Daten des ersten Teiles könnten in den zweiten
eingearbeitet werden. Es ist anerkennenswert, daß die Tabelle
bis zur Gegenwart durchgeführt ist.

Jena Hanna Jursch

Meisner, Heinrich Otto: Urkunden- und Aktenlehre der Neuzeit.

Leipzig: Koehler & Amelang 1950. 241 S.,7Taf. gr. 8°. Hlw. DM 19.50.

Im Jahre 1935 hatte der Verf. dieses Buches eine in weiten
Kreisen mit Freude und Dankbarkeit aufgenommene Aktenkunde
veröffentlicht, die grundsätzlich die Urkundenlehre

i: