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Ausgabe:

1951 Nr. 8

Spalte:

469

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Heinisch, Paul

Titel/Untertitel:

Geschichte des Alten Testamentes 1951

Rezensent:

Rost, Leonhard

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469

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 8

470

ALTES TESTAMENT

Heinisch, Paul, Prof. Dr.: Geschichte des Alten Testamentes. Bonn:

Hanstein 1949/50. XIX, 387 S. gr. 8° - Die Heilige Schrift des Alten Testamentes
übers, u. erkl. Ergänzungsband II, 1. u. 2. Hälfte. DM17.50;
Lw. DM 21.—.

Das große katholische Kommentarwerk „Die Heilige
Schrift des Alten Testamentes" nähert sich seiner Vollendung.
Die Kommentarreihe liegt vollständig vor, von den Ergänzungsbänden
ist die „Geschichte des Alten Testamentes" der
vorletzte. Paul Heinisch, der als Mitherausgeber fungiert und
dem wir außer fünf Kommentaren auch den ersten Ergänzungsband
„Theologie des AT" zu danken haben, stellt sich
hier eine Aufgabe, die man vielleicht eindeutiger als „biblische
Geschichte des AT" bezeichnen könnte. Von der Schöpfung
an bis zu der Fülle der Zeiten, bis an die Schwelle des Christentums
führt er seine Geschichte, ordnet die alttestamentlichen
Mitteilungen, sucht nach Bestätigungen und Korrekturen aus
dem Kreise der mythischen, sagenhaften und geschichtlichen
Überlieferungen des Vorderen Orients in leicht apologetischer
Haltung. Die klare Gedankenführung, die seine Kommentare
auszeichnet, ist auch hier erfreulich festzustellen. Die Knappheit
des zur Verfügung stehenden Raumes zwingt freilich mehr,
als es oft erwünscht ist, zu bloßem referierendem Nacherzählen
und zur Vereinfachung der Probleme. Allerdings rechnet das
Buch wie die ganze Reihe ja auch mit einem Leserkreis, der
weit über die Fachgelehrten hinausreicht. Und damit wird die
notvolle Vereinfachung zur Tugend. Bedenkt mau dann
weiter, daß es ein katholisches Werk ist, das die Forderungen
der Kirche mit dem Stand unserer heutigen Kenntnisse auf
dem Gebiet der Geschichte, Kultur und Religionsgeschichte
ausgleichen soll, dann, aber auch nur dann, muß man zugeben,
daß der Verf. es meisterhaft verstanden hat, die ihm gestellte
Aufgabe zu lösen.

Berlin Leonhard Rost

Haldar, Alfred: Studies in the Book Of Nahum. Uppsala: Lundequistska
Bokhandeln 1947.173 S. 8° - Uppsala Universitets Arsskrift 1946: 7. kr. 7.
Haldars Monographie über das Buch Nahum zerfällt in
zwei dem Umfang nach ziemlich gleiche Teile. In der ersten
Hälfte wird der überlieferte Text des Buches eingehend behandelt
, und in der zweiten Hälfte wird der Versuch einer vergleichend
religionsgeschichtlichen Erklärung des Inhalts unternommen
.

Im textkritischen Teil, dessen Ergebnis abschließend in
einer vollständigen Darbietung des ermittelten hebräischen
Textes mit nebenstehender Übersetzung zusammengefaßt
wird, wird gute und gründliche wissenschaftliche Arbeit geleistet
. Zu allen der Erörterung bedürftigen Sätzen und Worten
wird der Text der Septuaginta, der Peschitto und der Vul-
gata in jeweils der originalen Sprache angeführt, häufig auch
der Targumtext. Wo ich es nachgeprüft habe, haben sich die
Angaben als zuverlässig erwiesen. Unter den Tochterübersetzungen
der Septuaginta wird die äthiopische Ubersetzung
auffällig bevorzugt; daß sie mit herangezogen wird, ist gewiß
zu begrüßen, aber ihre besondere Hervorhebung, neben der
nur die Vetus Latiua noch öfter erscheint, ist doch nicht eben
sachlich begründet. Trotz dieser verhältnismäßig breiten Basis
für die textkritische Arbeit hält der Verfasser grundsätzlich
an der Unversehrtheit des überlieferten masoretischen Textes
fest. Er folgt damit einer heute sehr starken Tendenz in der
alttestamentlichen Wissenschaft, die als Reaktion auf ein oft
doch recht leichtfertiges Umgehen mit dem alttestamentlichen
Text unzweifelhaft ein gutes Recht hat. Es ist richtig, daß alle
Möglichkeiten der sprachlichen und sachlichen Erklärung des
durch die Uberlieferung gegebenen Wortlauts ausgeschöpft
werden müssen. Der Verfasser macht in dieser Richtung manchen
guten Vorschlag; besonders das häufige Heranziehen des
nachgerade immer sicherer bekannt werdenden akkadischen
Wortbestandes zur Erklärung von dunklen hebräischen Worten
und Ausdrucksweisen trägt allerlei gute Früchte.

Freilich fragt man sich doch des öfteren, ob die gegebenen Erklärungen
einleuchtend und geeignet sind, das Festhalten am überkommenen Text um
Jeden Preis zu rechtfertigen. Ich greife einige Beispiele heraus. Die Deutung
des rnkümäh (statt mkömah) in Nah. 1,8 als eines Abstraktums im Sinne von
i.opposition" (mit O. R. Driver) überzeugt nicht so sehr (S. 27). Der Text von
Nah. 2, 14 läßt sich nur mit einer sehr gewundenen und nicht eben wahr-
»cheinlichen Erklärung des Wechsels in den Suffixen festhalten (S. 63f.). Der
vokalische Ausgang von mkömö in Nah. 3,17 läßt sich nicht „most easlly" als
a|te Nominativendung ansprechen (S. 75), solange nicht erklärt ist, warum
diese Kasusendung sich gerade hier erhalten haben soll und in anderen Fällen

nicht. Gegen die auf S. 18 gebotene Auffassung von Nah. 1,3a/? habe Ich starke
Bedenken; sowohl die Übersetzung von mit „annihllate" wie auch die Annahme
eines emphatischen l (statt des dastehenden !') erscheint mir sehr fragwürdig
. An dieser Stelle würde ich meinerseits keinen triftigen Grund sehen,
vom überlieferten Wortlaut abzugehen. Ganz ohne Textemendationen und sogar
Konjekturen kommt auch der Verf. nicht aus. Der Vorschlag zu Nah. 2,9b
(S. 56) ist dabei durchaus erwägenswert. Das mag auch für den Vorschlag zu
Nah. 3,8b (S. 69f.) gelten; hierbei ist nur die Berufung auf die scriptio continua
zu beanstanden, die es trotz gegenteiliger Behauptung In Wirklichkeit doch
niemals gegeben hat, wie jetzt wieder die neuen Handschriften vom Toten
Meer zeigen. Sie wird auf S. 72 auch zu Nah. 3,13 beschworen, hier noch mit
der besonderen Note, daß ein zweimal nebeneinander auftretender gleicher
Konsonant nur einmal habe geschrieben werden können; diese Möglichkeit
scheint mir trotz der Bemerkungen auf S. 9f., 13f. auch durch die Ostraka von
Lachis nicht bewiesen zu sein, noch ganz abgesehen davon, daß man flüchtige
Ostrakabeschriftungen nicht ohne Vorbehalt mit Abschriften literarischer
Werke vergleichen kann.

Ganz ablehnend steht der Verfasser der Heranziehung
metrischer Erwägungen zur Textkritik gegenüber. Und wieder
wird man ihm hier jedenfalls so weit zustimmen müssen, daß
in dieser Hinsicht äußerste Zurückhaltung am Platze ist. Aber
bei einem Werk wie dem Buche Nahum drängt sich die metrische
Gliederung doch geradezu auf; und wenn man schon vor-
sichtigerweise auf Emendationen „metri causa" lieber verzichtet
, so sollte doch jedenfalls die Frage des Versbaus ständig
mit im Auge behalten werden. Der Verfasser hat einleitend auf
S. 12 f. die möglichen Formen des parallelismus membrorum
an Hand von einigen Beispielen kurz vorgeführt unter Hinweis
auf das Vergleichsmaterial, das uns dazu jetzt in den ugariti-
schen Texten zur Verfügung steht. Mir scheinen diese Ausführungen
sehr nützlich zu sein, und man bedauert nur, daß
sie sich auf einige Beispiele beschränken und sich nicht über
das ganze Buch Nahum erstrecken. Im Zusammenhang mit
dieser Analyse des parallelismus membrorum erhebt sich nun
aber ganz von selbst wieder die metrische Frage, die eben nicht
zu umgehen ist. Zu diesen formalen Fragen gehört endlich
auch die Frage des (unvollständigen) Alphabet-Akrostichons
in Nah. i, das mit gutem Grund hier meist angenommen wird.
Der Verf. verneint kurzerhand die Existenz dieses Alphabet-
Akrostichons im Zusammenhang mit seinem grundsätzlichen
Festhalten am überlieferten Wortlaut und muß dann wohl —
er äußert sich dazu nicht ausdrücklich — in dem streckenweise
ja einfach gegebenen Vorhandensein der Elemente eines solchen
Akrostichons einen Zufall sehen. Ob das aber wahrscheinlich
ist ?

Die zweite Hälfte der Arbeit stellt sich die Aufgabe, im
Buche Nahum die kultischen Motive und Anspielungen aufzuspüren
, von denen Sprache und Vorstellungswelt entscheidend
geprägt sind. Dabei bewegt sich der Verf. auf einem ihm vertrauten
Gebiet, nämlich dem Gebiet der vergleichenden Re-
ligionsgeschichte des alten Orients, mit dem auch seine anderen
Arbeiten über „Associations of Cult Prophets among the An-
cient Semites" (1945) u"d „The Notion of the Desert in Su-
mero-Accadian and West-Semitic Religions" (1950) sich beschäftigen
. Hier bewährt sich seine ausgebreitete Kenntnis von
Texten besonders des Zweistromlandes, und hier wird sachgemäß
auch reichlich Gebrauch gemacht von den ugaritischen
Texten, die als Urkunden aus der unmittelbaren Umwelt des
Alten Testaments in diesem Zusammenhang von wesentlicher
Bedeutung sind. Für das Verständnis der altorientalischen
religionsgeschichtlichen Texte einschließlich des Alten Testaments
geht der Verf. von bestimmten Voraussetzungen aus,
die er in einer Spezialstudie wie der vorliegenden seinerseits
nicht begründen kann, sondern als gegeben unterstellen muß.
Es sind die Voraussetzungen der religionsgeschichtlichen
„Uppsala-Schule". Nicht jedermann wird diese Voraussetzungen
teilen. Wenn ein allgemeiner „Hochgotf-Glaube angenommen
wird, wobei der „Hochgott" zugleich der „Fruchtbarkeitsgott
" gewesen sei (S. 92), wenn ein im ganzen alten
Orient geltendes „kultisch-mythisches Schema" vorausgesetzt
wird, nach dem im alljährlichen Neujahrsritual der Sieg des
Gottes über die Feindmächte des Chaos stattfand, wenn mit
einem göttlichen Königtum gerechnet wird, in dessen Rahmen
der König im Ritual den Kampf und Sieg des Gottes agierte,
wenn der Begriff „messianisch" gedeutet wird im Sinne des
durch den Sieg des göttlichen Königs alljährlich rituell herbeigeführten
Heilszustandes der erneuerten Schöpfung (S. 103),
so wird mindestens hinsichtlich der Allgemeinverbreitung und
Geschlossenheit dieses Schemas nicht jeder dem Verf. folgen
können. Sicher irrig scheint mir die auf S. 148 gegebene Erklärung
des Namens Nahum als Abkürzung von Nahüm-'el =
„El is a comforter" zu sein, in der auch noch das Anliegen des
Buches Nahum angedeutet sein soll; ein Uberblick über mögliche
Namenbildungen zeigt, daß es zu dem vermeintlichen