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Ausgabe:

1951 Nr. 7

Spalte:

434-436

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Spranger, Eduard

Titel/Untertitel:

Zur Geschichte der deutschen Volksschule 1951

Rezensent:

Kittel, Helmuth

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433 Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 7 434

geistlichen Ministerium des Reichsbischofs auf der anderen
Seite gestanden, aber es wurde uns in Berlin schon in dieser
Zeit deutlich, daß er theologisch dort nicht hingehört. Mit
Klarheit und Umsicht hat er nun den Ertrag des Kampfes der
Bekennenden Kirche für die Kirche in einer Reihe von Vorträgen
nach 1945 dargestellt, und die Quintessenz dieser Vorträge
uns in gedrängter Form dargeboten. Es ist gerade mir,
der ich als reformiertes Mitglied der Vorläufigen Kirchenleitung
im kircheupolitischen Kampf auf der anderen Seite gestanden
habe und von daher eine ähnliche Verantwortung
trug, eine große Freude zu bezeugen, daß das, was wir wollten,
von Otto Weber klar und eindringlich, aus der Schrift gut begründet
, dargeboten wird.

Der Professor für reformierte Theologie in Göttingen gibt
in seinem Büchlein eine Klärung über den reformierten Kirchenbegriff
und die daraus folgende Praxis im Anschluß an die
Frage 54 des Heidelberger Katechismus. Die versammelte Gemeinde
ist die Kirche in actu, wie sie der reformierte Katechismus
bezeugt. Die Gedanken von der Einheit der Gemeinden m
Christus, die von daher entwickelt werden, sind gutes calvmi-
sches Erbe. Weber versteht es gut, den echten presbyterial-
synodalen Aufbau der Kirche von innen her zu durchleuchten
und sowohl gegen den Episkopalismus wie gegen die Parlamentarisierung
der Synoden als sog. Vertretung des Kirchenyolkes
abzugrenzen. Seine Ausführungen über den antikultischen
Gottesdienst bewegen sich gleichfalls auf der Linie reformierter
Liturgik. Das ganze Büchlein ist ein wertvolles Zeugnis reformierten
Bekenntnisses heute.

Darum führt es auch sorgfältig in das Neue Testament ein.
Es entwickelt den Kirchenbegriff von dem paulinischen Gedanken
des Leibes Christi und von dem Wirken des heiligen
Geistes aus. Man hätte vielleicht noch hinzufügen können eine
Darlegung über die Kirche als das Volk Gottes. Aber das Wesentliche
dieses Anliegens ist auch erfüllt in Webers Lehre von der
ecclesia als der Versammlung des Volkes Gottes. Weber betont
mit Recht, daß die urchristlichen Gemeinden eine Einheit hatten
, ohne die Nötigung zu empfinden, sie zu organisieren. Doch
hätte er wohl auf die Klammern hinweisen mögen, die diese
Bruderschaft geistlich zusammenhielten: auf die wandernden
Apostel, Propheten und Lehrer, die die einzelnen Gemeinden
miteinander verbanden, auf das geistliche Verhältnis zwischen
Muttergemeinde und Tochtergemeinden, wie es Paulus Rom.
*5, 27 bezeugt, auf die sehr wirksame und oft betonte geistliche
Vaterschaft, die die Wortverkündigung den Verktmdi-
gern gibt, und die Stellung der Erstlinge in den urchristlichen
Kirchenprovinzen. Sehr eindrucksvoll und zutreffend sind die
Ausführungen Webers über den vernünftigen Gottesdienst im
Anschluß an Rom. 12,1. Doch hätte wohl eine Erörterung des
eschatologischen Gottesdienstes der Johannesoffenbarung eine
Abrundung des neutestamentlichen Kirchengedankens geben
können.

So ist das Buch eine gute Wegweisung für die Zukunft der
Kirche. Es kämpft gegen die Verweltlichung der Kirche im
Klerikalismus, Liturgismus und synodalen Parlamentarismus
und versucht in der klaren Erkenntnis, daß die Reste des christlichen
Abendlandes, die noch vorhanden sind, zum Sterben
verurteilt sind, zwar die Volkskirche alten Stils preiszugeben,
aber den Dienst der Kirche in der Öffentlichkeit zu behaupten
und zu verstärken.

Berlin-Spandau Martin Albertz

Junglas, Johannes Peter, Prof. Dr.: Die Lehre der Kirche. Eine Laiendogmatik
. Mit einem Nachtrag von Prof. Dr. Adolf Kolping. 5. Aufl.
Bonn: Verlag d. Buchgemeinde [1949]. XIV, 400 S. gr. 8°. Lw. DM9.—■

Die bereits in 5. Auflage vorliegende Laiendogmatik des
J937 verstorbenen Bonner katholischen Theologen hat durchaus
den Rang eines wissenschaftlichen Grundrisses. Die Darlegungen
zeichnen sich durch Klarheit und Durchsichtigkeit
aus, stellen aber an den Nichttheologen erhebliche Anforderungen
. Ungewöhnlich stark für eine Laiendogmatik wird auf
die Lehrentwicklung eingegangen, was sich wohl daraus erklärt
, daß der Verfasser auch Fachmann auf dem Gebiete der
Dogmengeschichte war. In Buchbergers Lexikon f. Theol. u.
Kirche war er Sachbearbeiter für dieses Fach. Die damit gegebene
Aufgeschlossenheit für historische Fragen findet allerdings
ihre Grenze an den Entscheidungen des kirchlichen Lehramts
. Bereits im Vorwort wird betont, daß die Glaubenswahr-
neiten der Kirche nicht in irgendeiner frei gewählten Form vorgetragen
werden sollen, sondern in der durch das unfehlbare
Lehramt geprägten Formulierung. Unter den Vätern und Lehrern
der Kirche wird Augustin bevorzugt, von dem der Verfasser
bekennt, daß er ihm Entscheidendes verdankt, während
Thomas auffällig zurücktritt. Dennoch ist Junglas' Dogmatik
weit weniger vom Geiste Augustins und der alten Kirchenväter

durchweht, als etwa die von Michael Schmaus. Gerade an den
entscheidenden Punkten muß er dann Augustin auch die Gefolgschaft
versagen. Er erklärt zwar (S. 111), daß er seine Gedanken
über die Folgen der Erbsünde im Anschluß an Augustin
entwickeln will, nimmt das aber alsbald zurück mit dem
Satze, daß niemals eine Einzelpersönlichkeit zum Maßstabe
des allgemeinen christlichen Glaubens gemacht werden könne
(112). Auch in der Gnadenielire wird Augustins Anschauung
möglichst entschärft und der Verurteilung der unentwegten
Anhänger Augustins durch die Kirche zugestimmt (283). Die
Jansenisten werden als unerleuchtete Verehrer Augustins bezeichnet
(364). In der Sakramentslehre soll Augustin einen anfänglichen
Symbolismus später preisgegeben haben (229).

Den protestantischen Leser interessiert vor allem die
Beurteilung Luthers und der Reformation. Hier hat der Verfasser
anscheinend keine eingehenderen Quellenstudien getrieben
oder auch nur gute protestantische Darstellungen berücksichtigt
. So kommt es zu vielen schiefen und falschen Urteilen
. Zwar ist es richtig, wenn als Luthers Grundanschauung
die Alleinwirksamkeit Gottes in Sachen des Heils und eine
negative Beurteilung des Menschen bezeichnet wird (280).
Aber selbst in de servo arb. wird nicht uneingeschränkt gelehrt
, daß Gott auch das Böse wirke (281). Ebensowenig
stimmt es, daß nach reformatorischer Lehre Christus nur für
die Auserwählten gestorben sei (153), oder daß Christus so das
Gesetz für uns erfüllt habe, daß Gott an den Gläubigen keine
sittlichen Forderungen mehr stelle (160. 187. 282), und daß die
ganze Frucht der Erlösung darin bestehe, daß Gott uns unsere
Sünde nicht anrechnet (187). Daß das Luthertum eine vollkommen
gebrochene Stellung gegenüber aller weltlichen Kultur
, gegenüber Ehe, Familie, Staat, Vaterland usw. habe, weil
die Beschäftigung mit diesen Dingen eine Gefahr für das Heil
der Seele bedeute (285), das dürften nicht einmal katholische
Laien dem Verfasser glauben. Gerade weil das Buch von Junglas
in vieler Hinsicht eine treffliche Einführung in die katholische
Dogmatik gibt, muß man eine sachlich richtigere Darstellung
der reformatorischen Anschauungen wünschen.

Der Herausgeber der 5. Auflage, Prof. Adolf Kolping in
Bonn, erläutert in einem Anhang die Lehrbedeutung der päpstlichen
Rundschreiben über das Wesen der Kirche und über die
Lehre vom Priestertum (Mystici corporis Christi und Mediator
Dei). Zugleich bringt er einige Korrigenda an der Darstellung
von Junglas an. Er hebt besonders hervor, daß die Bezeichnung
„mystischer Leib Christi" allein auf die sichtbare römisch-katholische
Kirche gehe (381). Christus und sein sichtbarer Stellvertreter
stellen ein einziges Haupt dieses Leibes dar (383). Die
modernen Versuche, die auf dem Wege über die Schrifterklärung
und die Väterlelire in die geheimnisvolle mystische Verbundenheit
Christi mit den Gläubigen tiefere Einblicke tun wollen,
halten sich dabei nicht allezeit an die gesunde Lehre (385), beachten
nicht genügend den Bildcharakter der paulinischen und
johanneischen Aussagen (387) und führen zu einem unklaren
Panchristismus. Auch hinsichtlich des Priestertums wird die
Sonderstellung des Priesters gegen übertriebene Tendenzen
zum allgemeinen Priestertum betont. Kolping findet also in den
Enzykliken in erster Linie ein Abstandnehmen des Lehramtes
von der sog. liturgischen Bewegung (O. Casel). Die von Junglas
vertretene Auffassung der Eucharistie, daß der Tod Christi
nur in heiligen sakramentalen Zeichen hergestellt werde (237),
wird im Sinne des Tridentinums dahin korrigiert, daß es sich
beim Meßopfer um ein wahres und eigentliches Opfer handle
(396). Kolpings Ausführungen sind im übrigen so knapp, daß
es mir zweifelhaft ist, ob er sich Laien in allem verständlich gemacht
hat.

Erlangen Hans Graß

RELIGIONSPÄDAGOGIK

Spranger, Eduard: Zur Geschichte der deutschen Volksschule. Heideiberg
: Quelle & Meyer 1949. 109 S. 8°. Pp. DM4.80.

Das Buch vereinigt drei gesondert erschienene Arbeiten
Sprangers: „Zur Geschichte der deutschen Volksschule" (vgl.
Abh. d. Preuß. Akad. d. Wissensch., Phil.-Hist. Kl. Berlin
1944), „Zur Geschichte der Volksschulpflicht" (vgl. „Die Erziehung
", Jg. XIII, 1938, Heft 12) und „Zur Geschichte der
Berufsschulpflicht" (vgl. „Die Erziehung", Jg. XIV, 1939.
Heft 2 u. 10).

Die für den Theologen wichtigste ist natürlich die erste.
Wir besitzen noch keine, dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft
genügende Geschichte der deutschen Volksschule. Aber
wir haben in Sp.s Akademieabhandlung die Skizze einer sol-