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Ausgabe:

1951 Nr. 7

Spalte:

428-431

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Søe, Niels H.

Titel/Untertitel:

Christliche Ethik 1951

Rezensent:

Dilschneider, O. H.

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 7

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liehe Gewißheit, Glaube und Geschichte, Schrift und Bekenntnis
; hier kommt Jelkes theologischer Standpunkt besonders
zur Geltung. Aber auch im System selbst finden sich neue
Paragraphen wie z.B. §64 über die Grundzüge der Versöhnungslehre
oder der letzte Paragraph des Buches: „Der Erstgeborene
als der ewige Mittler." Fortgefallen ist der bisher besondere
Paragraph über die Tatsünden: sein Inhalt ist fast
ganz in den Abschnitt über das Wesen der Sünde eingefügt. In
der Geschichte der Dogmatik sind die Abschnitte über die
Dogmatik der alten Kirche und des Mittelalters nicht wiedergekehrt
, ebenso fehlen jetzt die Übersichten über die außerdeutsche
evangelische Dogmatik. Was das Erstere anlangt, so
wird Jelke wohl auf die Dogmengeschichten verweisen. Aber
das Letztere ist zu bedauern: es entsteht der Eindruck, als gebe
es nur in Deutschland dogmatische Arbeit, von der zu reden
lohnt. — Umgestellt gegenüber der 13. Auflage hat Jelke die
Trinitätslehre: bisher stand sie in der Gotteslehre, jetzt kommt
sie am Schlüsse des ordo salutis, vor der Eschatologie. Die
Lehre von der Kirche ist in zwei Paragraphen zerlegt.

Uber den Aufbau des Ganzen sei kurz berichtet. Den Pro-
legomena und der Geschichte der Dogmatik folgen die beiden
Hauptteile: die Grundlegung des Systems (Das Problem der
religiösen Gewißheit; Die Offenbarung Gottes in Christo als
Grund der christlichen Wahrheit; Schrift und Bekenntnis als
Normen der Dogmatik), der „Aufbau des dogmatischen Systems
", in den drei Unterteilen: Der Heilsrat Gottes au sich
(Gott, Schöpfung und Welt, Gottes Verhältnis zur Welt), das
Hindernis des göttlichen Heilsrates und seine Beseitigung
(Sünde und ihre Folgen; Christologie, Versöhnungsielire, der
erhöhte Mittler), die Durchführung des göttlichen Heilsrates
(Geist und Kirche, Gnadenmittel, Heilsordnuiig, Eschatologie
). Der Aufbau entspricht im Ganzen einem weitgehenden
Konsensus in der Dogmatik, während Jelke im einzelnen bei
der Zusammenfassung der Stoffe (z.B. Sündenlehre und Christologie
) seinen eigenen Weg geht.

Es kann nicht die Aufgabe dieser Besprechung sein, die
Theologie von R. Jelke zu charakterisieren und kritische Fragen
an sie zu stellen. Das Buch will trotz aller Neugestaltung
in erster Linie als neue Auflage des Luthardtschen Kompendiums
genommen werden; also als Hilfsbuch für die Studenten
. So haben wir zu fragen, wieweit es dieser seiner ererbten
Bestimmung gerecht wird.

Da meldet sich als erste die Frage: ist nicht durch die Verbindung
des alten Luthardt-Stoffes mit Jelkes eigenem System
ein Zwitter entstanden? Ist das Kompendium nicht
seiner alten Bestimmung entfremdet worden ? Die — relative —
Stärke des alten „Luthardt" bestand in dem, was der Verfasser
in dem Vorwort zur ersten Auflage 1865 schrieb: „Was
ich hier gebe, will natürlich keine Dogmatik im eigentlichen
Sinne, auch nicht ein Abriß meines dogmatischen Systems,
sondern nur eine Zusammenstellung des nötigen geschichtlichen
Stoffs sein." Es wäre zu wünschen gewesen, daß Jelke
sich auch seinerseits daran gehalten und sein eigenes System
in einem besonderen Buche, aber nicht in dem Rahmen des
alten „Luthardt" vorgelegt hätte.

Was nun aber das übernommene Luthardtsche Material
anlangt, so liegen seine Mängel am Tage. Daß es schon längst
nicht mehr ausreicht, darüber herrscht Einverständnis. Die
Theologie der Reformatoren wird ganz unzulänglich dargeboten
. Aber auch die Wiedergabe der „Schriftlehre" sowie der
dogmengeschichtlichen Entwicklung und der altprotestantischen
Dogmatik bedarf einer völligen Neubearbeitung. Daß
„Luthardt" trotzdem noch immer bei den Studenten weiterlebt
, liegt nur daran, daß niemand bisher einen wirklichen Ersatz
geliefert hat. Das ausgezeichnete „Hilfsbuch zum Studium
der Dogmatik" von E. Hirsch würde den Luthardt jedenfalls
für die alte Dogmatik ersetzen, wenn Hirsch nicht in einer betrüblichen
Resignation vor den schlechten Lateinkenntnissen
der Mehrzahl unserer Studenten den altdogmatischen Stoff nur
in deutscher Ubersetzung, mit wenigen lateinischen Termini
in Klammem, dargeboten hätte. So haben wir immer noch
nicht das Kompendium, das Luthardt wirklich ersetzt. Jelke
würde sich ein sehr großes Verdienst erworben haben, wenn er,
statt den „Luthardt" in seinen alten Stoffen mit einem Kompendium
seiner eigenen Dogmatik zu verkoppeln, jene biblischtheologischen
und historischen Ubersichten neu bearbeitet
hätte.

Soweit die Haupteinwände gegen das Buch. Es bietet aber
auch im einzelnen gerade in seiner neuen Gestalt erheblichen
Anlaß zur Kritik. Ich beschränke mich auf den für ein Kompendium
besonders wichtigen Abschnitt über die Geschichte
der Dogmatik. Hier ist nun viel Grund zum Kopfschütteln,
nämlich in dem Stück über die Dogmatik der neueren und neuesten
Zeit. Jelke behält den seltsamen Aufbau, den schon die

13. Auflage bot, bei: nach der Ritschlschen und religionsgeschichtlichen
Schule kommt sofort die dialektische Theologie,
erst danach der Biblizismus und die „moderne konfessionelle
Theologie". Das bedeutet: J. T. Beck, M. Kähler, H. Cremer
und ihre Schüler einerseits, die Erlanger, Hofmann, Frank,
Ihmels andererseits erscheinen erst um Seiten später als die
Dialektiker! Was für ein Geschichtsbild wird im Kopfe des
Studenten entstehen! In der neuen Auflage ist nun gar noch
zwischen der dialektischen und den beiden genannten, viel älteren
Richtungen ein Stück über die sogenannte „Deutsche
Theologie" eingeschoben: den Namen hat Jelke jedenfalls von
der Zeitschrift des rechten Flügels der dem Nationalsozialismus
nahestehenden und eine Zeitlang zu den „Deutschen
Christen" sich haltenden Theologen genommen. Hier werden
die besonderen Probleme der Theologie in der Hitlerzeit angedeutet
, die Namen der Theologen, die an der Zeitschrift „Deutsche
Theologie" mitarbeiteten, und eine Anzahl von Broschüren
und Büchern aus jener Zeit genannt. Ob das in eine Geschichte
der Dogmatik überhaupt hineiugehört ?

Die Behandlung der einzelnen genannten Theologen ist
sehr ungleichmäßig und willkürlich. Von E. Hirsch zum Beispiel
bekommt der Student nichts als den nackten Namen, inmitten
der anderen Mitarbeiter der „Deutschen Theologie".
Von seinem „Leitfaden zur christlichen Lehre", 1938, erfährt
man nichts. Bei der dialektischen Theologie ist das Unglück
passiert, daß Jelke einfach den Text der Auflage von 1933 wiederabdruckt
. Das bedeutet: von den Büchern dieser Theologen
wird erwähnt nur, was vor 1932 erschienen ist. Bei Barth ist
das Letzte die Dogmatik von 1927, die „Kirchliche Dogmatik"
von 1932 ff. findet in diesem Kompendium von 1948 keine Erwähnung
! Das Entsprechende gilt für E. Brunner, Bultmann,
Gogarten. Keiner dieser drei Theologen wird auch nur mit
einem einzigen Satze gekennzeichnet, was doch angesichts ihrer
Unterschiede von K. Barth, dem einige, freilich völlig unzulängliche
Sätze gewidmet werden, wohl nötig wäre. Auch abgesehen
von den Dialektikern werden vielfach die neueren
Werke oder Auflagen der angeführten Theologen nicht erwähnt
. So fehlt S. 49 die dritte Auflage von Horst Stephans
Glaubenslehre, 1941. Die Charakterisierung vieler Dogmatiker
ist ganz unbefriedigend, z.B. die von Kähler und Schlatter.
Schon ihre Einordnung unter die „Biblizisten" ist fragwürdig-
Was soll mau weiter davon halten, daß ausgerechnet Martin
Schulze und Karl Heim zusammengestellt werden als Theologen
, bei denen sich „Einflüsse von M. Kähler mit solchen von
A. Ritsehl kreuzen"! Da der Verf. den Text von 1933 nicht
sorgfältig überholt hat, erscheint auch jetzt, 1948, Heinrich
Reudtorff (S. 56) immer noch als „Mecklenburgischer Landesbischof
", Otto Dibelius mit einer Broschüre von 1931 als „der
Brandenburgische Generalsuperintendent". — Unter der Literatur
zur Geschichte der Dogmatik fehlt H. E. Webers großes
Werk „Reformation, Orthodoxie und Rationalismus", ebenso
mein Buch über „Die Prinzipien der deutschen reformierten
Dogmatik", G. Schrenks „Gottesreich und Bund", Horst Stephans
„Geschichte der evangelischen Theologie seit dem deutschen
Idealismus", Elerts „Kampf um das Christentum".

Zu diesen sachlichen Mängeln kommen technische. So ist der Sperrdruck
bei den Autorennamen in der Geschichte der Dogmatik sehr ungleichmäßig
verwendet. Auf S. 54 befinden sich zwei sinnentstellende Druckfehler:
in Zeile 9, bei K. Heim wird statt „Geschichtsphilosophie" doch wohl zu lesen
sein „Gegenwartsphilosophie"; Hofmanns Hauptwerk heißt nicht „Schriftbewußtsein
". E. Schaeders Buch nicht, wie S. 41, „Theoretische", sondern,
wie richtig S. 53, „Theozentrische Theologie", meine Schrift zu Luthers
Eschatologie „Unsterblichkeit und ewiges Sterben bei Luther", nicht, wie
schon 1933 fälschlich dasteht, „ewiges Leben" (445). Der Verfasser von
Ecclesiola in ecclesia, Hilbert, hat den Vornamen G., nicht H. (389). Der Name
Troeltsch erscheint mehrfach falsch als „Tröltsch". Brunstäd hat kein ,,t" am
Schlüsse (52). Der Ritsehl nahestehende Hermann Schultz wird so, nicht
Schulz (so S. 49) geschrieben; H. Fricks „Vergleichende Religionswissenschaft"
ist nicht, wie S. 50 will, 1927, sondern 1928 erschienen.

Alle diese Fehler und Ungeuauigkeiten sind in einem für
die Studenten bestimmten Kompendium besonders unerfreulich
. Ich habe sie nur aus dem Kapitel über die Geschichte der
Dogmatik und sonst durch Stichproben festgestellt; die Aufzählung
wird also leider nicht als vollständig anzusehen sein. —
Auf S. 53, Z. 13 ist statt „letzteren" zu lesen „letzten".

Erlangen Paul Althaus

Säe, N. H.: Christliche Ethik. Ein Lehrbuch. München: Chr. Kaiser 1949.
548 S. gr. 8°. Lw. DM 27.—.

S0e gliedert seine Ethik in einen grundsätzlichen und speziellen
Teil. Während er im ersten Teil die Grundlagen der
christlichen Ethik erörtert, wendet sich der Verfasser im zweiten
Teil den einzelnen Lebensgebieten zu. Das ist im Ganzen