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Ausgabe:

1951 Nr. 7

Spalte:

407-408

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Schoeps, Hans-Joachim

Titel/Untertitel:

Gottheit und Menschheit 1951

Rezensent:

Mensching, Gustav

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Seite 1

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407

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 7

408

eigener Verantwortlichkeit für sein Tun erhob. Wenn I. S.76f.
den moralischen Charakter der xlaig schon für das alte Nostos-
gedicht zuzugeben geneigt ist, so gräbt er sich damit eben
selber das Wasser ab. Der Poseidonzorn bot, gleichfalls nach
Irmschers eigenem Zugeständnis, dem Bearbeiter nur wenig
Möglichkeiten fürjeine Umbildung, und wie der Helioszorn,
den er ebenfalls noch aus dem alten Bestände herrühren läßt,
früher anders ausgesehen haben soll, bleibt unklar.

Von besonderem Interesse ist für Irmschers Thema auch
die Beobachtung des Abstands zwischen Mensch und Gott, die
er nur wenig für analytische Zwecke ausgenutzt hat. In der
Odyssee, so stellt er fest, ist dieser Abstand gewachsen: wenn
er nun aber fortfährt, das einzigartige Nahverhältnis der
Athena zu Odysseus werde eben dadurch in seiner Besonderheit
noch hervorgehoben, so ist damit für mein Gefühl die
eben gemachte Konstatation wieder umgestoßen; dieses Nahverhältnis
, das spätere Sage übrigens, besonders für Theseus
und Herakles, nachgebildet hat, ist für die Odyssee im ganzen
charakteristisch und muß in ihr allein dastehen, da auch
Odysseus als ihr einziger Held allein dasteht. Für die myke-
nische Periode leugnet I. S. 3iff., 72f., 87 das menschliche
Abstandsgefühl: es war nach ihm eine Zeit, in der Menschen
mit Göttern „wie mit ihresgleichen" (S. 31) — oder wenigstens
„fast wie mit ihresgleichen" (S. 87) — verkehrten und kämpften
, eine Zeit, die für Achilleus im Kampfe gegen den Flußgott
Xanthos bis zu einem gewissen Grade noch einmal lebendig
wird. Eine solche Annahme läuft allem, was wir sonst über
den Gang der griechischen Religionsgeschichte zu wissen
glauben, schnurstracks zuwider und beruht nur auf einer
Verkennung des sozusagen romantischen Charakters des Motivs
oloi vvv ßgorol siatv : man traut den Altvorderen zu aller
sonstigen Überlegenheit auch in der Hybris mehr als sich
selber zu!

Irmschers Arbeit darf nachgerühmt werden, daß sie trotz
solcher Angriffspunkte ihren Wert als sorgsame und verständnisvolle
Darstellung ihres Themas behält.

Bonn Hans Herter

Schoeps, Hans Joachim, Prof.: Gottheit und Menschheit. Die großen
Religionsstifter und ihre Lehren. Stuttgart: Steingrüben-Verlag [1950].
197 S. 8°.

Das vorliegende Buch ist gedacht als „erste Information"
einer „breiteren Bildungsschicht" über die großen Stiftergestalten
der Religionsgeschichte: Moses, Jesus, Marcion, Mani,
Mohammed, Zarathustra, Buddha, Laotse und Konfuzius. Der
Verf. bietet eine ausgezeichnet klare und eindrucksvolle Darstellung
der genannten Persönlichkeiten und ihrer Lehren auf
Grund des zeitgenössischen Standes der jeweils zuständigen
Spezialf orschung.

Von grundsätzlichem Interesse sind die in der Einleitung ausgesprochenen
Oedanken zur „Religionswissenschaftlichen Betrachtungsweise". In diesem
Abschnitt wird das in der Religionswissenschaft vielfach erörterte Problem
einer in der Sache begründeten Einteilung der Religionen der Welt behandelt.
Außer der von mir vorgeschlagenen, auf den Grundstrukturen der geschichtlichen
Religion sich aufbauenden Einteilung in Volks- und Weltreligionen wird
hier ein anderer Vorschlag gemacht: danach sollen die Religionen, „die an den
gleichen von der Bibel bezeugten Oott glauben, der Himmel und Erde geschaffen
hat, Judentum, Christentum und Islam" eine homogene Gruppe
bilden (S. 13f.). Das sind also die monotheistischen Religionen mit Ausnahme
des Mazdaismus. Daneben stellt Sch. die Gruppe der polytheistischen und die
der impersonalistischen Religionen. Der Verf. meint, mit dieser Einteilung zugleich
das Problem des Absolutheitsanspruches der „biblischen" Religionen
religionswissenschaftlich insofern lösen zu können, als man von drei verschiedenen
Bundschlüssen desselben Gottes reden könne, wodurch alle drei
Religionen einen verschiedenen aber gleichberechtigten Wahrheitsanteil hätten
(S. 15). Dieser Vorschlag scheint mir, religionswissenschaftlich gesehen, unsachgemäß
zu sein. Man kann selbstverständlich die Religionen nach der Struktur
ihrer Gottesidee ordnen in monotheistische, polytheistische und impersonali-
stische Religionen. Aber es wird ein sachfremder neuer zweiter Gesichtspunkt
in die Einteilung hineingebracht, die doch logischerweise stets nur von einem auf
alle Phänomene angewandten Prinzip bestimmt sein darf, wenn nur die monotheistischen
Religionen eine Gruppe bilden sollen, die, wie Sch. meint, den
gleichen biblischen Gott bekennen. Was heißt denn religionswissenschaftlich
(nicht theologisch) gesprochen: denselben Gott bekennen? Soll das bedeuten,
daß die Gottesvorstellungen Ähnlichkeiten und Abhängigkeiten voneinander
aufweisen? In diesem Falle dürfte doch auch die mazdaistische Gottesidee
erhebliche Verwandtschaft mit den sog. „biblischen" Gottesideen aufweisen
und daß von ihr auch Einflüsse auf spätjüdische und frühchristliche
Gottesvorstellungen ausgegangen sind, wird man heute nicht mehr bezweifeln
können. Oder soll mit der Behauptung, die „biblischen" Religionen bekennten
den gleichen Gott, gewissermaßen ein metaphysisches Urteil ausgesprochen
werden derart, daß die drei Gottesvorstellungen auf dieselbe numinose Realität
sich beziehen? In diesem Falle wäre zu fragen, was uns religionswissenschaftlich
das Recht gibt, solche Urteile zu fällen. Die mazdaistische Gottesidee ginge
dann also auf einen anderen Gott bzw. auf eine Fiktion oder Illusion. Damit
sind wir aber mitten in der Sphäre der Wahrheit der Religion, über die auch
nach Sch. (S. 9) die Religionswissenschaft nicht zu urteilen hat. Sch. führt also
bei seiner Einteilung einen Glaubensgesichtspunkt ein, der in ihr unsachgemäß
ist. — Auch die von dem Verf. vorgetragene Deutung des Absolutheitsanspruches
der „biblischen" Religionen im Sinne der drei Bundschlüsse Ist
religionswissenschaftlich nicht möglich; es ist im Grunde der gleiche theologische
oder bekenntnismäßige Absolutheitsanspruch, wie ihn die einzelne Religion
erhebt, nur daß hier die Basjs auf drei Religionen erweitert ist. Es bleibt
das religionswissenschaftliche Problem bestehen, wie denn die Absolutheits-
ansprüche anderer universaler Religionen (z. B. des Mazdaismus und mancher
indischen Sekten) zu verstehen und zu bewerten sind. Ich glaube, daß man
religionswissenschaftlich mit der von mir (Volksreligion und Weltreligion. 1938)
vorgeschlagenen Unterscheidung zwischen intensiver und extensiver Absolut-
heit, die ihrerseits wieder in inklusive und exklusive Absolutheit zerfällt, und
mit der Deutung dieser Absolutheitsansprüche als Erlebnis- und nicht als Erkenntnisurteile
dem Verstehen des Phänomens vielfacher sich ausschließender
Absolutheitsansprüche näher kommt.

Bonn Gustav Mensching

ALTES TESTAMENT

Rotscheidt, Helene: Das Alte Testament in Bibelkunde, Geschichte,
Auslegungen. Teil I und II: Urgeschichte bis Salomo. Gladbeck: Heilmann
1950. 187 S. gr. 8°. Pp. DM 4.50.

Der Titel des Buches wird im Vorwort S. 7 dahingehend
erläutert, das Buch wolle anregen, „das AT im zeitgeschichtlichen
Zusammenhang, im Blick auf das NT und umgekehrt
zu sehen und seine Bedeutung für die weitere Geschichte und
unsere Tage zu erkennen". Dem Vorwort, das zweifellos mißverstanden
wäre, wollte man die an sich ja ungewöhnliche
Reihe der Paten als kirchliches Imprimatur deuten, darf man
wohl entnehmen, daß die Verfasserin im Blick auf die Religionsunterricht
erteilenden Lehrer zu ihrem Werk ermuntert
wurde.

Die Verfasserin, die, wie aus S. 162 hervorgeht, ohne spezielle
Ausbildung im AT durch ein akademisches Studium an
diese weitschichtige Aufgabe gesetzt wurde, hat sich mit einem
bewundernswerten Fleiß in eine Fülle verschiedenartigster
Literatur hineingelesen und Exzerpte gemacht. (Bei den
Zitaten springt aus mir unerfindlichen Gründen die Numerierung
, so daß 5—47 und 211—449 ausfallen.) Man mag darin
ein besonderes Zeichen der Bescheidenheit der Autorin sehen,
die so ganz hinter ihren Kronzeugen zurücktritt, aber der
offenkundige Verzicht auf eigne Stellungnahme schließt für
den Leser auch zweifellos große Nachteile in sich. Seine Entscheidung
muß notwendig subjektiv sein, da er ja zu den vorgelegten
Möglichkeiten keine Argumentationen erhält.

Das eigentümliche Druckverfahren stellt links drei Kolumnen
nebeneinander: „Weltgeschichte" — „Jahre v. Chr.
Schriftstellen" — „Biblische Geschichte" und rechts zwei:
„Hinweis auf das NT und umgekehrt" — „Auslegungen".
Dieses Druckverfahren, das zu einer Synopse verhelfen soll
(was doch nicht immer gelingt) führt, da die „Weltgeschichte"
nur 14 Spalten beansprucht und da rechts auch Lücken bleiben
, im Endeffekt dazu, daß beinahe ein Viertel des zur Verfügung
stehenden Raumes leer bleibt!

Die Anordnung folgt nicht dem Kanon, was doch für
bibelkundliche Bücher empfehlenswert bleibt, sondern versteht
sich als „historisch": I = Urgeschichte bis Josua
(Textgrundlage: I.—5. Mose. Josua); II = Richter bis Salomo
(Textgrundlage: Richter, Ruth, Samuelis, Chronik-Könige
[Jö dieser Reihe besprochen!], Psalter [auf ganzen sechs Seiten!],
Sprüche, Prediger, Hohes Lied und Hiob). Der noch ausstehende
dritte Teil ist überschrieben: Rehabeam bis zur Zeit
Christi (Textgrundlagen: Propheten, restliche „Schriften" und
Apokryphen).

Eine „Weltgeschichte" des Orients von 2000 Jahren auf
14 Spalten (= 4V2 Seiten) darzubieten, ist ein gewagtes
Unterfangen, zumal wenn noch etwas über die Religion mitgesagt
wird und überflüssige stories (Grotefend, Champollion,
Siegel aus Thaanach) den Raum weiter einengen. Um so wichtiger
aber wäre es bei dem vorauszusetzenden Leserkreis gewesen
, ganz präzise das Tatsachenmaterial nach dem gegenwärtigen
Stande der wissenschaftlichen Erkenntnis anzuführen
(oder aber ganz darauf zu verzichten). So geht es
jedenfalls nicht.

Zur Begründung ein paar Einzelheiten. Hammurapi gehört nach S. 40 in
das 20. Jahrhundert, nach S. 38 igemäß mißverstandenem Mari] in das 19. Jahrhundert
. Mari fordert das 18. Jahrhundertl Wenn man aber überhaupt von
der neuen Chronologie spricht, dann muß man alle Daten (Sargon von Akkad