Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1951 Nr. 7

Spalte:

405

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Anwander, Anton

Titel/Untertitel:

Die Religionen der Menschheit 1951

Rezensent:

Mensching, Gustav

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

405

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 7

406

ägyptisch-vorderasiatischen Altertums zu schreiben, in anerkennenswerter
Weise gelöst. Daß die Ausschnitte dieses Geschichtsverlaufs
, die ihnen besonders vertraut sind, stärker berücksichtigt
worden sind als andere, versteht sich von selbst
und bedarf kaum der Begründung, geschweige denn der Entschuldigung
, die Moortgat in seinem „Nachwort" (S. 5041.)
für diese Tatsache vorbringt. Desgleichen ist es angesichts der
Fülle des Materials, das zu verarbeiten war, und der Menge der
Probleme, zu denen es Anlaß gibt, nur zu erwarten, daß die
eine oder andere der hier vorgetragenen Lösungen zu Bedenken
Anlaß gibt. So läßt sich wohl fragen, ob das, was S. 4151-
über die Gefährdung Jerusalems durch Sanherib 701 v.Chr.
und die Abwendung dieser Gefahr gesagt wird, in jeder Hinsicht
genügt. Kleine Versehen wie die in der Zeittafel auf S.502.
wo es bei Salmananassar IV statt 881—872 heißen muß 781
bis 772 und bei Sanherib statt 804—681 vielmehr 704—681,
kommen ganz selten vor und verbessern sich wie von selbst.
Da beide, Scharff und Moortgat, für Archäologie und Kunstgeschichte
aufgeschlossen sind, kommen in ihrer Darstellung
diese vornehmlich zu ihrem Recht, und das erhöht den Wert
und die Lesbarkeit des Buches in hohem Maße. Schließlich
darf nicht vergessen werden — am allerwenigsten in einer vorab
für Theologen bestimmten Zeitschrift —, daß sowohl die Geschichte
Ägyptens als die Vorderasiens, wie sie hier vorgeführt
werden, insbesondere auch ihre Rückwirkung auf Israel,
dessen Geschichte ja mit der dieser beiden Bereiche eng verzahnt
ist, ständig im Auge haben. So ist dies Buch auch und
gerade für Theologen und Freunde des Alten Testaments von
größtem Wert. Fehlte es, wie viele Lehrende und Lernende
immer wieder schmerzlich empfunden haben, bisher an einer
zusammenfassenden Darstellung der Geschichte des Antiken
Vorderen Orients, die man bei der Behandlung der Geschichte
Israels zu Rate' ziehen konnte, so füllt das vorliegende
Buch diese Lücke nun in einer Weise aus, die zu großer Freude
und aufrichtigem Dank Anlaß gibt.

Halle/Saale Otto Eißfeldt

Anwander, Anton: Die Religionen der Menschheit. 2., umgearb. Aufl.
Freiburg: Herder 1949. XVI, 400 S., 67 Abb. auf Taf. u. 1 Kt. gr. 8 .
Lw. DM 16.—.

Will ms, Bernhard, Dr.: Gott Unter Göttern. Ein Kompendium der Religionsgeschichte
. Paderborn: Schöningh 1949. 252 S. 8°. Kart. DM 3.90.

Das in zweiter Auflage erschienene Buch von Anwander
gliedert die Religionen der Welt in Naturreligionen, Kulturreligionen
, Weltreligionen und ,,Die übernatürliche Religion; ,
worunter der Verfasser das Christentum versteht, das selbst in
diesem Abschnitt, der auch noch eine kurze Darstellung der
Umwelt des Christentums enthält, auf sechs Seiten abgehandelt
wird. Jesus erhält etwa 40 Zeilen, der übrige Raum ist der
Kirche und der Kirchengeschichte gewidmet. Das ist eine seltsam
ungleichmäßige Stoffverteilung in einem Werk von 400
Seiten, das zudem im Christentum das „Ideal einer Religion
(S. 2) sieht und damit Norm und Maßstab für die ganze Reh-
gionsgeschichte. Die Einteilung, die in sich unlogisch ist (der
..übernatürlichen Religion" müßten die übrigen Religionen als
natürliche Religionen gegenübergestellt werden) und die außerdem
in dem Begriff „übernatürliche Religion" eine Kategorie
verwendet, die in der Religionsforschung nicht möglich ist,
zeigt den Charakter des Buches: es handelt sich um eüie Darstellung
der Religionen, deren Bewertung vom Standpunkt
katholischer Glaubensüberzeugung aus erfolgt. Es muß indessen
vermerkt werden, daß diese dogmatische Grundüberzeugung
nur den Rahmen für eine durchaus objektive Behandlung der
außerchristlichen Religionen bildet. Als weiterer Vorzug des
Buches ist ferner festzustellen, daß der Verfasser der besonders
von protestantischen Dogmatikern Barthischer Observanz geübten
Praxis einer radikalen Auseinanderreißung der Religionsgeschichte
in außerchristliche Religionen und Christentum
eindrucksvoll entgegentritt.

Das kleine Buch von Will ms ist eine durchaus unselbständige
populäre Darstellung der Religionen, die als Hauptquelle
das oben besprochene Buch von Anwander benutzt, das
fast auf jeder Seite zitiert wird. Auch hier ist der Standpunkt die
katholische Überzeugung vom anfänglichen sog. Urmonotheis-
™OSi von dem die Völker abfielen und der dann im katholischen
Christentum wiederhergestellt wurde und seine Erfüllung fand.
Wissenschaftlich kritische Bibelforschung erhält hier die epi-
theta ornantia „liberale und ungläubige Bibelkritik" (S. 221)
und wird selbstverständlich abgelehnt.

Bonn Gustav Mensching

Irinschcr, Johannes: Götterzorn bei Homer. Leipzig: Harrassowitz 1950.
VIII, 96 S. gr. 8°. Kart. DM4.10.

Die vorliegende Arbeit eines Schülers von W. Schade-
waldt nimmt von einer semasiologischen Untersuchung der
zahlreichen homerischen Wendungen für den Zorn ihren Ausgang
und beweist darin Gefühl und Verständnis für die
Sprache. Uber firjvt;, den prominentesten unter den einschlägigen
Termini, hatte zuletzt H. Frisk, Eranos XLIV
1946, 28ff., gehandelt und darin nicht wie I. den Begriff des
Dauernden, den die antiken Grammatiker im Zusammenhang
mit ihrer etymologischen Herleitung von ftiveiv dem Worte
zusprachen, sondern die Nüance einer Reaktion auf einen Verstoß
gegen Recht und Sitte gefunden. Auch I. spürt allerdings
neben dem affektischen ein noetisches Moment gerade in diesem
Ausdruck, bindet es aber vorsichtigerweise nicht so sehr an
eine Norm, denn er sieht das Grundmotiv des homerischen
Zorns überhaupt neutraler in der Beeinträchtigung der auf
der Anerkennung seitens der Gemeinschaft beruhenden Ehre
(rtfttf) des Einzelnen: das gilt für die Menschen und so auf
höherer Ebene auch für die Götter, und bei diesen wieder sowohl
gegenüber ihresgleichen wie auch gegenüber Sterblichen,
besonders dann, wenn solche in ungehörige Bereiche übergreifen
oder Kultverpflichtungen versäumen, und wäre es auch nur
versehentlich. Die zweite Kategorie des Götterzorns bildet
den eigentlichen Gegenstand der Arbeit, die reiche Gelegenheit
findet, den verschiedenen Ausprägungen dieser Erscheinung
nachzugehen.

In der Parteinahme Heras, Athenas und Poseidons für
die Griechen und derjenigen Apollons und Aphrodites für die
Troer wirkt nach vielvertretener Ansicht, der sich auch I. anschließt
, die unterschiedliche Herkunft dieser Gottheiten nach.
Für Hera und Athena war aber noch ein besonderer Grund in
dem Urteil des Paris gegeben, dessen Schuld, wie derlei auch
sonst bei Homer geschieht, sein ganzes Volk büßen muß, und
für Poseidon konnte II. 21, 44iff. — nun schon moralisierend
— der Laomedonfrevel angeführt werden, obgleich dann die
Schwierigkeit auftrat, wieso Apollon, sein Leidensgefährte,
sich nicht ebenfalls auf die Seite der Griechen schlug. Da diese
Motive aber ganz im Hintergrunde verbleiben (vgl. E. Bichel,
Homer, Bonn 1949, 56f. mit Anm. 42), ist noch Raum für
eine wiederum ethische Begründung des Unterganges Ilions
mit dem eidbrüchigen Pandarosschusse, wobei es den Dichter
wie so oft nicht gestört hat, daß dieses Vergehen gottgewirkl
war, und Menelaos darf II. 13, 622ff. auch an die Verletzung
des Gastrechts durch Paris denken. Unter diesen beiden Gesichtspunkten
wirkt Zeus das Geschehen, der in seiner Stellung
als Göttervater und Herrscher bestimmte Normen des Menschenlebens
ganz im allgemeinen wahrt, wie er auch für die
staatliche Ordnung und die Ehrung der Toten eintritt, während
Apollon viel persönlicher in Chryses nur seinen Priester
schützt. In der Odyssee begründet der Zorn Poseidons, wenn
auch auffallend wenig herausgestellt, die Irrfahrten des
Odysseus seit der Blendung Polyphems und der Zorn des
Helios den Untergang der Gefährten; die voraufgegangenen
Leiden fallen unter die allgemeine Motivierung des Schicksals
der Griechenführer mit dem Zorne Athenas wegen der Duldung
der Schändung Kassandras (Od. 3, 132ff ). Tritt Poseidon
rächend und nicht strafend auf, so wird im Falle des Helios
das Schuldmoment schon klarer; über den Charakter des
Zornes Athenas wird nichts Näheres ausgesagt, aber in der
Freierhandlung sind die Götter eindeutig Hüter des Rechts:
„Chryses wurde erhört, weil er der Priester, Polyphem, weil
er der Sohn des Gottes war, Telemach, weil er im Recht ist"
(S. 76).

Der Götterzoru erscheint also in den beiden Epen sehr
verschieden gefärbt. Während I. sich nun für die Ibas hiermit
zufrieden gibt, sieht man mit einiger Besorgnis, wie er im
Falle der Odyssee daraus für die Schichtenforschung Nutzen
zu ziehen versucht, wenn er auch nicht mehr als Ergebnisse
der neueren Analyse zu bekräftigen beabsichtigt. Natürlich
läßt sich über die von Teiresias Od. 11, ngff. dem Odysseus
auferlegte überschießende Sühneleistung für Poseidon, die mit
Rücksicht auf den Stoff der Thesprotis eingeführt sein dürfte,
und die aitiologische Geschichte von der Versteinerung des
Phaiakenschiffs Od. 13, i25ff., die sehr nach einem Zusätze
aussieht, ohne weiteres reden, aber auch wenn man darüber
hinaus den guten Willen hat, eine stark erweiternde Bearbeitung
eines alten Nostossanges anzuerkennen, ist die Basis
doch zu schmal für Irmschers These, diese Bearbeitung habe
sich dadurch von dem Kerngedicht unterschieden, daß sie in
schon spürbarer, aber noch nicht konsequenter Hinneigung
zu ethisch-rechtlichen Aspekten „theologisierend" den Part
der Götter intensivierte und dabei doch den Menschen zu