Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1951 Nr. 7

Spalte:

403-405

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Scharff, Alexander

Titel/Untertitel:

Ägypten und Vorderasien im Altertum 1951

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

403

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 7

404

hältnis verknüpft ist, nach welchem alle erdenklichen Begründungen eben nur
durch sie „innerhalb des Ganzen" ihren Platz haben. Sie begründet sich so
selbst als die Wahrheit über alle begründbaren Wahrheiten. Ein Verhältnis
strengster Solidarität sichert sie in Gegenseitigkeit im Rahmen des alles zur
Allgemeingiltigkeit hebenden Geistes. Es sind „logisch verschieden gebaute
und doch strengstens zusammengehörige Komplexe von Wahrheiten"; aber
sie verbürgen sich wechselseitig ihre Geltung; selbst das Prinzip der Individu-
ation fügt sich ein; im Denken zuliöchst auch sich selbst denkend, faßt der
Geist eine Unermeßlichkeit von begründeten Zusammenhängen zusammen, ist
er in diesem Tun, ohne alle äußeren Garantien, gerade bei der logischen Mehrstufigkeit
des Ganzen, in dessen „Einstimmigkeit" gegen alle Zweifel gesichert.

Den Vorrang dieser Position sucht dann im Anhang eine Kritik modernster
genetisch-biologistischer Gedankengänge, in den Anmerkungen
eine Polemik gegen neueste ontologische Auffassungen noch besonders zu
sichern.

Der Theologe wird hier bei der idealistischen Hoch-
gipfelung im Geist sogleich die Lehre von der Imago Dei vor
Augen haben. Zumal der evangelische Theologe wird sich aber
auch anderer ihm unerläßlicher Wahrheiten seines Menschenbildes
erinnern. Kann der Mensch wirklich so idealistisch eindeutig
in seiner Zweideutigkeit aus sich selbst heraus festgestellt
, endgültig festgestellt werden ? Kann das „nicht von
Gott her", „nicht aus dem Glauben heraus", „nicht unter der
Offenbarung" gelingen? Für ihn wird dem die zweigleisige,
nicht einfach rationalisierbare Wahrheit vom peccator-simul-
iustus immer im Wege stehen, trotz der, in sich sowieso des
Nähern stets fraglichen, Imago-Dei-Lehre. Doch selbst wenn
er seine eigenen Wahrheiten zunächst zu einer eigenen theologischen
Anthropologie ohne viel philosophische Anknüpfung
zu entfalten versucht, wird er nachträglich und sekundär
nicht an einer Menschdeutung wie der Litts vorübergehen
können (so wenig wie an anderen). Und wenn er dazu neigt,
sich ein philosophisches Menschenverständnis als natürliche
Basis seiner Gedanken über den glaubenden Menschen her-
auszuwählen, wird er erst recht schon vorweg auch Litt befragen
. Es bedarf einer philosophischen Auseinandersetzung,
warum er ihn wählt oder gerade nicht wählt, weiterer Erwägungen
, wie weit die theologischen Anliegen sich hier anfügen,
bereichern, variieren oder vielleicht auch zu einer letzten
Tiefe führen könnten, oder vielleicht auch nicht können. Im
Kampf gegen allzu einseitige biologistische und noch radikalere
moderne Menschdeutungen verlockt den Theologen der
Imago-Dei doch immer sehr ein begrenzter Idealismus, zumal
wenn er so vorsichtig, so eingegrenzt, so mit einer weitgehenden
Anerkennung der Zweideutigkeit, ja der Tragik der
menschlichen Existenz verbunden ist. Die Vorfrage des Rechts
des Littschen Ausschlusses jeder Metaphysik eines Dritten
(also auch Gottes) wäre da freilich zuerst zu erwägen, ließe
sich aber wohl auch mit den üblichen Gedanken von dem
Unterschied philosophischer und theologischer Besinnung
nicht allzuschwer überwinden.

All diesen Erwägungen, die jeder Theologe wieder etwas
anders anstellen wird, vorweg scheint mir die Kritik noch
eine Beleuchtung schuldig, ob und wie weit eigentlich rein
philosophisch die letzte idealistische Hochgipfeluug
der Anthropologie Litts im Zeitlosen des Geistes innerhalb
ihrer so vorsichtigen Eingegrenztheit wirklich gelten darf und
muß. Sie scheint mir umfragbarer, als Litt es sieht.

Das hier alles entscheidende immer wieder variierte Beweismoment Litts
scheint mir der vielgerühmte sogenannte Selbstmord der Skepsis: Treibt
das Denken den Zweifel auch gegen sich selbst, hebt es alsbald unerbittlich sich
selbst und damit auch das Recht des Zweifels in diesem besonderen Falle sich
selber gegenüber selber wieder auf. Litt wertet diesen Gedankengang alsbald

im Handumdrehen ins Positive um: also ist das Denken bei sich selbst jeder
Selbstbezweifelung entnommen und damit in sich selbst von unanfechtbarer
Giltigkeit, d.h. genauer wenigstens das Sichselberdenken des Denkens. Es ist
dies die unableitbare Urvoraussetzung alles abgeleiteten Wissens. Als hartes
rationales Entweder-oder klirrt dieser Gedanke an allen entscheidenden Stellen
(vgl. nur MuW S. 150, 152, 161, 1G7, 252f., 267, 292ff., 315f.). Von der andern
Seite her korrespondiert dieser Selbstbegründung die Behauptung der Einge-
paßtheit des so verstandenen Geistes in die Gesamtheit aller übrigen Erkenntnis
zur Einstimmigkeit.

Demgegenüber erheben sich doch wohl folgende Fragen: Behauptet
überhaupt wirklich das Wissen den Besitz endgiltiger, und das heißt doch wohl
unrevidierbarer Wahrheit, sei es auch nur über sich selbst, ohne daß die Behauptung
völlig leer wird; behauptet es nicht vielmehr auch hier nur die Tendenz
oder das Streben danach ? Ist die Behauptung, daß das Wissen sich selbst
immer als giltiges voraussetzt, richtig wiedergegeben, will es nicht vielmehr nur
auf dem Wege dahin immer in einer „relativen Wohlerkenntnis" sich bewegen,
auch wo es zu konkreten Aussagen über sich selber kommt? Ferner: Gibt es
überhaupt ein reines Innen der Selbsterfassung des Geistes, wenn es auch nicht
über das körperliche Außen des leiblichen Ich geht; bleibt nicht auch die Selbsterfassung
des Denkens immer im Nacheinander eines Hinter-sich-selber-Her-
denkens; sofern man aber die reine mystische unmittelbare Selbsterfassung des
Geistes doch behaupten will, bleibt sie dann nicht eben in sich wieder völlig
leer; faßt man sie aber dann auch nur in Worte einer mystischen Identität,
dann kommen diese ganz gewiß doch eben „hinterher"? Drittens: Entspricht
nicht dem „Selbstmord der Skepsis" ein entgegengesetztes Phänomen in einer
„Selbstaufhebung des Denkens bei jeder Absolutsetzung seiner Giltigkeit", sei
es auch nur über sich selbst (vgl. einige Andeutungen Litts selber in den Schlußkapiteln
von DuS); gibt es auch hier nicht nur eine scheinbare Absolutheit einer
völlig leeren absoluten Selbstgewißheit, als deren Subjekt und Gehalt sich zuletzt
doch kein „Über-Ich" (DuS S. 167), sondern im Paradox nur die eigene
Endlichkeit entpuppt? Gibt es nicht also weder ein Primat des Positiven noch
des Negativen; und ist nicht die Sphäre des Erkennens und Denkens (und also
des Geistes) eben die echte Schwebe zwischen beiden, dem absoluten
Zweifel und der absoluten Giltigkeit (theologisch: der immerwährende Teufelskreis
auch aller Erkenntnis)? Muß nicht auch der verbleibende Rest von Hegels
absolutem Geist bei Litt wieder wirklich ganz zurück ins endliche Menschliche;
bleibt alles Erkennen, auch das des Denkens in seiner Selbstergründung nicht
doch immer im echt sokratischen Dialog, der nur die unbekannte letzte
Wahrheit in immerwährenden Entgegensetzungen von Teilwahrheiten umkreist
? So wäre es ein jezeitiges Wohlerkennen von Halbwahrheit, das weder
absolute Skepsis noch absolute Giltigkeit zuläßt, sondern mit seiner Relativität
auch seine Grenze, Endlichkeit und Sterblichkeit immer neu findet und sucht. -
Haben sich die Theologen im Grunde nicht immer so befunden, wenn sie von
ihren Themen mit ihrer docta ignorantia stammelten?

Gleitet aber vielleicht unter diesen Fragen der Übergipfel des Geist-Ich
bei Litt wieder zurück in den immer endlichen Raum der schwebenden und sich
wandelnden Wolken einer bleibenden „Frag-Würdigkeit" alles Wissens des
endlichen Geistes, dann fällt auch jene doch nur schwer erträgliche Inhomogenität
des Stufengefüges des Wissens, die Litt bei aller Verklammerung der
Selbstwahrheit des Geistes und der Welt der übrigen Wahrheiten doch nicht
recht durchsichtig macht. Es fällt auch die Ersatzbegründung aus einer letzten
Solidarität des Ganzen dieser Verklammerung. Es finden sich dann vielleicht
auch, so kunstvoll die Schilderungen des Stufengefüges des Wissens und der
Wirklichkeit bei Litt sind, auch hier noch Möglichkeiten zu großen Vereinfachungen
. Das Denken sucht vielleicht philosophisch das Einfache, um im
Fragwürdigen zu enden, und theologisch das Fragwürdige, um Im Einfachen
zu ruhen.

Litts Versuch einer philosophischen Anthropologie als
Philosophie des Geistes ist ein Muster einer gründlichen, nach
allen Seiten reich orientierten, viele Linien unter eine leise
idealistische Vorherrschaft zusammenfassenden rein säkularen
Menschdeutung. Niemand wird sich in dies ausgereifte
Alterswerk ohne Gewinn im ganzen wie im einzelnen vertiefen.

REL1GIONS WISSENSCHAFT

Scharff, Alexander und Anton Moortgat: Ägypten und Vorderasien

im Altertum. München: Bruckmann [1950]. V, 535 S., 2 Kt. 8° = Weltgeschichte
in Einzeldarstellungen. Lw. DM 18.—.

Alexander Scharff, der leider gegen Ende des Jahres
1950 durch den Tod aus seiner Arbeit herausgerissen ist, gibt
auf S. 1—192 eine Darstellung der „Geschichte Ägyptens von
der Vorzeit bis zur Gründung Alexandreias" und erleichtert
deren Verständnis durch die Beigabe einer übersichtlichen
Kartenskizze von Ägypten und einer Zeittafel. Anton Moortgat
behandelt auf S. 193—505 die „Geschichte Vorderasiens
bis zum Hellenismus" und erhöht die Verständlichkeit seines
Anteils ebenfalls durch Beigabe einer guten Ubersichtskarte
und einer Zeittafel. Da Moortgat, anders als Scharff, mehrere
Völker und Kulturen — Hethiter, Sumerer, Akkad, Assur,

Elam usw. — zu berücksichtigen hat, weist seine 14 Seiten
(S. 489—503) umfassende Zeittafel Parallelkolumnen auf, in
denen die Könige und wichtigsten Ereignisse aus den einzelnen
Bereichen nebeneinander aufgeführt werden, so daß die jeweilig
gleichzeitigen Daten dem Leser einprägsam vors Auge
treten. Beide Verfasser geben aus der für ihren Anteil in Betracht
kommenden wissenschaftlichen Literatur eine besonnene
Auswahl, Scharff vor jedem größeren Abschnitt seiner
Darstellung, Moortgat am Ende seines Anteils auf S. 471—488,
und ermöglichen so dem Leser eine gründlichere Beschäftigung
mit dem Gegenstand. Der Schluß des Buches,S. 507—535,
bringt je ein Sachregister für den ersten und für den zweiten
Teil, das die Auffindung bestimmter Punkte des dargestellten
Geschichtsverlaufes sehr bequem macht.

Beide Verfasser haben ihre Aufgabe, eine auf der Höhe
der gegenwärtigen wissenschaftlichen Forschung stehende und
zugleich einem weiteren Leserkreis eingängige Geschichte des