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Ausgabe:

1951 Nr. 6

Spalte:

362-364

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Marquardt, Generosus

Titel/Untertitel:

Die Bedeutung der natürlichen Gotteserkenntnis für Glaube und Wissenschaft 1951

Rezensent:

Schott, Erdmann

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 6

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von Religion und Offenbarung nicht hinaus. Die Bibel urteilt
da unbefangener (z.B. Gal. 4, 1 ff.); sie verbindet die klare
Absage an das Heidentum mit der Erkenntnis, daß auch in
der Zeit des Gesetzes (Gal. 3, 23ff.) und in der Zeit der Unwissenheit
(Acta 17, 30) Gott gedient wurde (Acta 17, 23),
wenn freilich auch durch die Christusoffenbarung nun dieser
jüdische und heidnische Gottesdienst völlig antiquiert ist.
Dersekow bei Greifswald E. Schott

Schönfelder, Walter: Die Philosophen und Jesus Christus. Ein Beitrag
zur Geschichte des Gesprächs der neuzeitlichen Philosophie mit dem
Christentum. Hamburg: Richard Meiner [1949]. 174 S. 8°. DM4.80.
Uber die Auseinandersetzung zwischen Christentum und
moderner Weltanschauung ist schon viel geschrieben worden.

e"ler bis m die neueste Zeit reichenden, relativ allgemein-
l erständlichen Bestandsaufnahme des Anteils der Philosophie
an diesem Gespräch fehlte es aber bisher. Der durch seine
schon rn 5. Auflage vorliegende Einführungsschrift „Philosophie
im Uberblick" weithin bekannte Dozent am Leipziger
- .sionsseminar fullt nun diese Lücke aus. Der Versuch, den
weitschichtigen Stoff auf noch nicht 200 Seiten zu meistern,
ist treihch ein Wagnis. Es gelingt aber. Der Verf. arbeitet mit
vi eiser Beschränkung. Anstatt das Gesamtgebiet unserer Zeitrechnung
umspannen zu wollen, welche Erwartung derHaupt-
a "ahelegen könnte, beschränkt er sich schon im Untertitel
und dann auch tatsächlich auf die Neuzeit, in erster Linie seit
flehte^ Der Vergleich der beiden Titel gibt die weitere Frage
aut, ob es sich nur um den geschichtlichen Jesus oder um das
vJiristentum überhaupt handeln soll. Tatsächlich ist das letztere
gemeint. Die andere Auffassung wäre auch kaum durchführbar
. Die leise Unklarheit, die man in dem Haupttitel
linden konnte wird durch den Gebrauch des Christusnamens
gemildert und durch den Vorzug einer konkreten Fassung des
1 Heinas aufgewogen.

ttv, ?U"} Verständnis der neuzeitlichen Situation war ein
operblick über die vorhergehenden Jahrhunderte unerläßlich,
diesen Zweck erfüllt eine musterhaft knappe Einleitung,
wenn sie - der „Vollständigkeit" halber ? — bei den etwaigen
Begegnungen Jesu mit den Stoikern und Kynikern von Ga-
oara, mit Pythagoreem und alexandrinischen Religionsphilo-
sopiien einsetzt, so möchten wir hinter die „schwerwiegenden"
gründe für derartige Vermutungen einige Fragezeichen setzen,
vv lr tolgen dem Verf. aber gern, wenn er, ohne bei den Apologeten
oder Kelsos und seinem großen Bestreiter sich aufzu-
naiten, uns im Fluge an dem Doppelerbe der Antike (rationales
Renken und Mystik, das sich in der Scholastik mit christlichem
zeit • Cmt' Um sich baId wieder zu emanzipieren und die Neu-
vnr k1 Bewußtsemsphilosophie und Einheitslehre zu spalten)
Noruber- und direkt in die moderne Konstellation hineinführt.

einzelnen wäre hier vielleicht zu bemerken, daß Ekstasis
1 Skm VV1 dbedeutung nach nicht das Heraustreten aus der
^eiDiichkeit oder aus dem Bewußtsein, sondern die Verände-
ung des Normalzustandes, die „Verrücktheit" bezeichnet
HW. iylr£ zunächst nicht die Augen schließen, sondern den
-»lund schließen, zum Schweigen verpflichten bedeutet.

wer erste',nahezu drei Viertel des Buches füllende Haupt-
ien ist so angelegt, daß Verf. das Christusbild der neuzeitlichen
S*J££r£ we.ni8er "ach chronologischen als sachlichen Ge-
Pifi« ?i iten m,zelm Einzelbilder zerlegt: Christus der reli-
M™!™«1«11, (Ekkehart, Renaissance und Reformation
SdiSSSÄ der Jfl5gete Schelling, der reife Hegel,

ma SS'' E^Ua/,d von Hartman«); der Apostel der Hu-
S *erder- Goethe), der Naturgott (Novalis, Hölderlin);
ticste r„fr«T dT Abbreviatur. Schopenhauer ; der mäch-
ÄG"st. (Rechner , Vorbild und Lehrer der Moral (Spinoza,
DaW, 'r kT' J;elbnn,Z' Lessi"g> Katlt. der junge Hegel,
(Feuerl^n,edrACl! ,St^U?' Wilhdm Wundt); der Wi.nschgott
Svmbowlf ?%V ^Schwärmer (Nietzsche, Spengler);
S™Wir U7^TJet Erlösun8 (Dacque); der Versöhner (der
^erunJ fhng)- °b dlese "aturgemäß etwas schematisehe Typi
I*?V?rf kn-ef ga"Z Paßt' so11 hier nicht untersucht werden
DonnVuL ?lgt Jed™falls für seine nicht leichte Aufgabe ein
in 1 a "J,1** eme erstaunliche Belesenheit, vor allem auch
samt!,™? en' und die Gabe knapper und lichtvoller Zusammenfassung
auch verwickelter Gedankengänge.
Predige ßVerSUndliCh 'St d'e Bezeicnming Schleiermachers als Dreifaltigkcits-
Amter 1 h"" •'"acnmalieer" Universitätsprofessor. Er hat bekanntlich beide
Goethe"ebeneinander geführt und sie auch beinahe gleichzeitig angetreten.
Leiden 11 HcakteriSierUng deS Christen,»>ns als Religion der Ehrfurcht vor
fakters " .Schmach wurde icn bei voller Würdigung ihres episodischen Cha-
Stanzen d L'*38 positiver werten- Er sagt selbst von sich, daß er in seinen
I Kreuz zu schmücken verstand. Ebenso ist Schillers Einstellung

zum Christentum ein wenig verständnisvoller gewesen. Gewiß, das Lied von
der Glocke ist völlig säkular. Aber neben den „Gottern Griechenlands" steht
das Distichon von der Religion des Kreuzes. Und der Kantianismus Schillers
bedeutet nicht bloß Skepsis. Die Gedankenlyrik, etwa „Ideal und Leben",
zeigt es anders. Daß Feuerbach den Menschen zum Gott mache, ist ein etwas
gewagter Ausdruck. Aber das positive Ziel, das auch diesem Apostel des
Wunschgottes vorschwebte, Ist wohl richtig angedeutet. Die „engste geistige
Verwandtschaft" zwischen Kierkegaard und Nietzsche ist überspitzt, trotz der
nicht fehlenden Einschränkung. Paradox berührt stellenweise die Anordnung.
Das C. Kapitel will eigentlich die Aufklärung darstellen, die man an früherer
Stelle vermißt hat. Es führt dann von Spinoza biszuWundt und faßt recht
verschiedene Geister zusammen.

Ehe Verf. uns auf den Kampfplatz der neuesten Auseinandersetzung
führt, schiebt er eine mehr systematische Zusammenfassung
der Grundlagen der philosophischen Christo-
logie ein, in der er sich über Mensch und Natur, Harmonie und
Disharmonie, Werk und Person (Christi) und das Anliegen der
Philosophen verbreitet. Da er auch hier ins einzelne geht, sind
Wiederholungen unvermeidlich. Allein sie kommen dem Verständnis
und der Gesamtübersicht zugute, und es gelingt dem
Verf. infolge seiner eindringenden Kenntnis auch biographischer
Einzelheiten manches zu ergänzen und in neue Beleuchtung
zu rücken.

Man kann fragen, ob dieser Teil nicht, ans Ende gestellt, auch dls
neuesten Auseinandersetzungen hätte umfassen sollen. Die Oesamtübersicht
wäre dadurch freilich noch verwickelter geworden. Christian Hermann Weiße
stand dem Christentum nahe, hat sich auch mit theologischen Spezialfragen
beschäftigt, war aber seiner Berufsstellung und auch seiner grundsätzlichen
Einstellung nach Philosoph. Der Zusammenbruch Nietzsches hängt nicht bloß
mit seiner morbiden Erbanlage zusammen, sondern erklärt sich vor allein
daraus, daß er sich 18G5 als Student in einem Leipziger Bordell mit Lues
angesteckt hat (ThLZ 1950, 459).

Den Schluß machte eine dankenswerte Ubersicht über die
Begegnungen zwischen Philosophie und Christentum in der
neuesten Zeit. Der frühere Scheler und die Existenzphilosophie
(Kierkegaard, Heidegger, Jaspers, Sartre) ziehen an
uns vorüber. Die vergleichende Religionswissenschaft (Otto,
Heiler, van der Leeuw) und die dialektische Theologie, bei der
alle Namen, selbst der Barths, fehlen und der schwerlich mit
Recht die imitatio Christi, die Gefolgschaft gegenüber dem
Mittler als einer einmaligen geschichtlichen Größe als besonderes
Anliegen zugeschrieben, deren Ablehnung der „Religion
" wohl auch nicht ganz richtig eingeschätzt wird, werden
noch gestreift. Nebenbei fallen die Namen Husserl, Marcel,
Maritaiii, Steiner, Tagore, James, Stammler, Spranger,
Litt u. a.

Diese Ubersicht gibt ein reiches Bild. Trotzdem würde
man für eine Neuauflage einzelne Ergänzungen wünschen.
Lehrreich ist die Beobachtung, daß die Weiterführung der Gedanken
Eduard von Hartmanns bei Arthur Drews zu der Behauptung
führte: „Jesus darf nicht gelebt haben". Der Monismus
(Haeckel, Ostwald) hat vielleicht doch zu tief gewirkt, um
ganz übergangen zu werden. In die entgegengesetzte Richtung
würde Rudolf Kucken weisen, dem man gern wenigstens einige
Zeilen gewidmet sähe.

Seine eigene Auffassung hat Verf., der zunächst nur den
Bestand als Historiker registrieren will, mit weiser Zurückhaltung
nur gelegentlieh angedeutet. Die Sache redet selbst
deutlich genug und macht vor allem das doppelte ausdrücklich
, daß die Philosophie einer Auseinandersetzung mit Jesus
Christus, an dem sich die Geister scheiden, nicht aus dem
Wege gehen kann und daß sie nach manchen Um- und Irrwegen
gerade neuerdings, wenigstens teilweise, zu einer konkreteren
und positiveren Würdigung Jesu zurückzulenken beginnt
.

Leipzig Albrecht Oepke

Marquardt, Generosus, o. F. m.: Die Bedeutung der natürlichen
Gotteserkenntnis für Glaube und Wissenschaft. Ein Beitrag zur deutschen
Hochschulfrage. Anhang: Christliche Glaubensgewißheit. Fulda: Parzeller
1949. 55 S. m. 1 Tab. 8°. DM 2.40.

M. polemisiert gegen die „atheistischen" Methoden in den
Wissenschaften. Er geht aus von den Bestimmungen des Vatikanunis
und des Antimodernisteneides über die Erkennbarkeit
und Beweisbarkeit Gottes und fordert eine Wissenschaft,
die „die Tatsache Gottes von vorneherein berücksichtigen" (25)
wird. „Selbstverständlich hat der Wissenschaftler die Pflicht,
dort, wo ihm ein außergewöhnlicher Vorgang begegnet, dessen
Erklärung zunächst im Natürlichen zu suchen. Erst wenn sich
wirklich alle Versuche einer weltimmanenten Erklärung als
unzureichend erwiesen haben, darf und wird er den Schluß