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Ausgabe:

1951 Nr. 6

Spalte:

356-358

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Söhngen, Oskar

Titel/Untertitel:

Evangelische Kirchbautagung in Berlin 1948 1951

Rezensent:

Wessel, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 6

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nämlich bei aller Freiheit der religionsgeschichtlichen Forschung
auf den Boden des „quer durch die Menschenworte hindurch
" im Tenach (Tora, Nebiim, Ketubim) und im Evangelium
ergangenen Wortes Gottes, ist also im Gegensatz zum
Liberalismus Offenbarungstheologe. Kann es aber zwei verschiedene
Gottesoffenbarungen geben ? Verf. behauptet dies.
Er löst die Schwierigkeit vor allem im Anschluß an Franz
Rosenzweig und Martin Buber wie folgt. Für das Judentum
bedürfe es der Offenbarung in Christus nicht, denn es sei schon
durch die Erwählung des Abrahamssamens im Kindesverhältnis
zu Gott und damit am Ziel. Es sei aber möglich, wenn auch
für den Juden nicht durchschaubar, daß Gott neben dem
Abrahamsbund noch andere Bundesschlüsse vollzogen habe.
Für die „Völker" sei jedenfalls Christus der einzige Weg zum
Vater, über die noch unerlöste Welt hinweg (Christus daher
nicht Messias!) blicken beide, Kirche und Synagoge, auf das
Ende, und es sei möglich, daß der von beiden Erwartete zuletzt
die gleichen Züge tragen werde. Vgl. auch „Unterwegs"
1948, Heft 3: Möglichkeiten und Grenzen jüdisch-christlicher
Verständigung.

Im Judentum haben sich in den beiden letzten Menschen-
altern starke Umlagerungen vollzogen, vor allem in der Beurteilung
der Person Jesu. Sie kommen der Verständigung zugute
. Das Problem ist aber durch die scheinbar so starke Annäherung
schwerlich schon gelöst. Droht nicht die heute übliche
Betrachtungsweise, zumal wenn auch der Islam einbezogen
wird, auf einen bis zum letzten verfeinerten Synkretismus
hinauszukommen ? Damit wäre die Absolutheit sowohl
des Christentums wie des Judentums, die Verf. nebeneinander
anzuerkennen wünscht, aufgegeben. Wer diesen Preis nicht
zahlen kann, steht zuletzt doch wieder vor dem alten Ent-
weder-oder.

Von den seit den ersten Jahrhunderten behandelten Fragen
tritt die nach der Zerstörung des Tempels heute, wo der
Rückfall Jerusalems an das Judentum zumindest in Sehweite
kommt, merklich zurück. Daß jede von ihr ausgehende Argumentation
verfehlt ist, wird heute wohl jeder christliche Theologe
zugeben. Hinsichtlich des Verhältnisses von Gesetz und
Glauben lassen wir uns gern erinnern, daß Gesetz und Werk-
gerechtigkeit für den Juden nicht schlechthin zusammenfallen,
müssen aber um so mehr bitten, nun auch Christentum und
Antinomismus nicht zu identifizieren. Paulus kennt auch die
bewahrende Kraft der Tora (Gal. 2, 15; Rom. 1 u. 2). Er
radikalisiert gerade das Gesetz (Rom. 2, 17—29). Daß er die
Verknüpfung von Gesetz und Bund übersehe, ist schon durch
Rom. 9, 4 ausgeschlossen. Er war doch wohl der bessere Experte
. Daß er am „Eigentlichen des Judentums glatt vorübergegangen
ist", müssen wir bezweifeln. Das auf S. 52 über
diesen Punkt, auch über die Herleitung der Trinitätslehre aus
Mysterientheologie und Ditlef Nielsens Position Gesagte entspricht
nicht dem Sachverhalt. Was die Erwählung Israels betrifft
, so hat schon der „Tenach", wie selbst Buber andeutet
(S. i43f ) über die Theologie des Blutes hinausgeführt. Israel
ist faktisch auf dem Wege zur Kirche. Will es trotzdem die
Theologie des Blutes konservieren ? Die Antwort von Rosenzweig
, die hier am weitesten führt (S. i3of.), hebt doch die
Diskrepanz von „physischer Berufung" und „metaphysischer
Erwählung" nicht auf. Allein an dieser Alternative, die nach
der einen oder anderen Seite weiterdrängt, könnte das Judentum
zerbrechen. Mögen die erlesensten Geister des Judentums
die Erwäh hing Israels als reinen Gnadenakt verstehen, so
ändert dies nichts daran, daß sie in der Synagoge i. a. als
Rechtstitel, auf den man pochen kann, verstanden worden ist.
Die Messianität Jesu wird allzu kurz mit dem Verweis auf die
sichtlich noch unerlöste Welt abgetan. Dies verträgt sich
schwer mit der Versicherung, daß gerade das Judentum starr
auf das Ende blicke, während das Christentuni sich in der Welt
häuslich eingerichtet habe. Was würde übrigens Max Brod
liierzu sagen, der umgekehrt behauptete, daß das Heidentum
nur das Diesseits, das Christentum nur das Jenseits kenne, das
Judentum aber die Synthese der Gegensätze bedeute ? In
jedem Falle müßte doch wohl die Eschatologie auf beiden
Seiten gleichmäßig in Ansatz gebracht werden. Die tiefste
und letzte Frage aber stellt das Kreuz. Es ist heute üblich
geworden, daß das Judentum Jesus, den es früher nicht genug
begeifern konnte, in den höchsten Tönen preist und als seinen
größten Sohn in Anspruch nimmt. War Jesus wirklich auch
nur der, als den man ihn jetzt preist, war dann nicht seine Beseitigung
ein ungeheurer Justizmord, wohl der schwerste aller
Zeiten ? War er noch mehr, was war sie dann ? Uber diese
Frage geht gerade das Renaissancejudentum allzu leicht hinweg
. Es liegt uns fem, den einzelnen Juden mit dieser Schuld
sozusagen zivilrechtlich oder strafrechtlich zu belasten, vollends
, sie antisemitisch auszubeuten. Wir wissen um die Schuld
aller, vornehmlich um die eigene. Aber wir meinen, daß man
Jesus durch ehrliche Anerkennung des Tatbestandes mehr
ehren würde, als durch noch so wortreiche Deklamationen über
seine „echt jüdische" Größe. Wir vermissen hier — man gestatte
das Wort — bis auf weiteres den letzten Wahrheits-
ernst.

Möchte das nicht als eine Aufkündigung des Gesprächswillens
aufgefaßt werden! Derselbe sollte vielmehr gerade
unter Beweis gestellt werden. Wir erkennen noch einmal dankbar
an, daß er auch auf jüdischer Seite vorhanden ist. Was
Verf. in seinem Schlußkapitel über die heilsgeschichtliche
Stunde schreibt, in der das Christentum sich gleich dem Judentum
dem Säkularismus gegenüber in derselben Verbannung
und Heimatlosigkeit vorfindet, gehört zum Verständnisvollsten
, was in neuester Zeit über den Gegenstand geschrieben
worden ist, und wird, so hoffen wir, auch auf christlicher Seite
volles Gehör finden. Möchten die Zeiten für immer vorüber
sein, wo Ecclesia und Synagoga nur im Tone des Streitgesprächs
miteinander glaubten verkehren zu können.

Leipzig Albrecht Oepke

GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST

Söhngen, Oskar: Evangelische Kirchbautagung in Berlin 1948. Ein

Bericht. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1950]. 182 S. m. Abb. 8°. Kart.
DM 10.— ; HIw. DM 12.—.

Zwei Jahre nach der dritten Tagung für evangelischeu
Kirchbau in Berlin ist nun der Bericht vorgelegt, der außer
den gehaltenen und einem ausgefallenen, hier angehängten
Referat knappe Uberblicke über die Diskussionen und die
sonstigen Ereignisse im Rahmen der Tagung enthält. Der
Band ist schon nahezu ein historisches Dokument. In unse rer
schnellebigen Zeit ist der Abstand von zwei Jahren beträchtlich
, und manches, das uns damals richtungweisend neu schien,
ist uns heute entweder schon selbstverständlich oder auch bereits
überholt. Der damaligen Situation entsprechend standen
bei diesem Kongreß theoretische Fragen weit im Vordergrund,
und man mühte sich, zunächst über die geistigen Grundlagen
eines neuen Kirchbaues Klarheit zu erringen. Es war, wie
schon auf der Tagung in Hannover ein Jahr zuvor, für die
Entwicklung kennzeichnend, daß die Architekten auch hier
wieder den Männern der Kirche die Frage nach dem Wie des
neuen Kirchbaues stellten. Rückschauend wird der Leser heute
dem Schlußreferat zustimmen müssen, wenn in ihm festgestellt
wurde, daß die Antwort der Kirche an ihre Baumeister ausblieb
.

Es ist nicht möglich, hier auf alle Einzelheiten der Referate wie der Diskussion
einzugehen. Wichtiges aber muß herausgegriffen werden, und hinter
manches werden wir ein Fragezeichen setzen müssen. Befragen wir zunächst
die Beiträge der Theologen. Von der im ersten Referat erfreulich klar gesehenen
und umrissenen Erkenntnis ausgehend, daß der Kirchbau der Konfessionen
sich je nach dem Verständnis des Kultraumes notwendig unterscheiden müsse,
boten die ersten drei Referate die Grundlinien dieses Verständnisses in der
lutherischen (Söhngen), reformierten (Gabriel) und römisch-katholischen
Kirche (Pinsk). Es ist dabei interessant, daß der Vertreter des Luthertums
von der lutherischen Tradition ausging, der des Reformiertentums von einer
Sammlung von Stimmen der Gegenwart und der des Katholizismus von der
HI. Schrift. — Der erste Beitrag gründet sich auf der Umreißung des reforma-
torischen Gottesdienstverständnisses (Gottesdienst und Kirchendienst sind
auseinanderzuhalten) und der Skizzierung der Stellung Luthers zum Kirchbau.
Wenn dann die Überbetonung der Ohren als der Organa Christiani hominis hervorgehoben
wird (S. 20), so wird man demgegenüber doch wohl die Erkenntnis
Luthers vom notwendig bildhaften Denken des Menschen und die daraus gezogenen
Folgerungen hinsichtlich der Kunst in der Kirche (Wider die himmlischen
Propheten) ebensowenig vergessen dürfen wie die Empfehlung von
Abendmahlsbildern als Altarschmuck, wo ein solcher gewünscht wird (Auslegung
des 111. Psalms). Cranachs Sakramentsaltar in Wittenberg ist ein
klassisches Beispiel für evangelische Altarmalerei lutherischen Gepräges. Man
wird also nicht so absolut vom Aufhören der religiösen Malerei Cranachs infolge
seines Bekenntnisses zur Reformation sprechen dürfen, wie der Referent das
tat (S. 21), ganz gleich, ob dieser Flügelaltar ein Werk des älteren Cranach oder
seiner Werkstatt oder eine Arbeit beider Cranachs ist. So kunstfremd ist die
lutherische Reformation nun doch nicht gewesen, daß man mit Recht sagen
dürfte, sie habe für Altarbildmalerei keine Verwendung mehr gehabt (S. 21),
das ist allzu überspitzt. Die Folgerungen, die dann aus diesen Grundlagen gezogen
werden, wird man nicht ganz bejahen können. Kann man wirklich, von
Luther ausgehend, zu solchen Formulierungen kommen: „Der gottesdienstliche
Raum (vom Kirchengebäude gesagtI) ist Offenbarungstätte des heiligen
Gottes" (S.27) und: „Wenn aber sich Gott an der gottesdienstlichen Stätte