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Ausgabe:

1951 Nr. 5

Spalte:

305-309

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Metzke, Erwin

Titel/Untertitel:

Sakrament und Metaphysik 1951

Rezensent:

Süss, Théobald

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 5

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und Klöstern und nicht zuletzt dreimal die Buntreproduktion
der berühmten Dreieinigkeit von Rublev (auf der Umschlaghülle
, vor dem Titelblatt und im Prospekt!) runden den angenehmen
und anregenden Eindruck des Werkes ab.

Halle/Saale Konrad Onasch

Biedermann, Hermenegild m., o.e.s.a.: Das Menschenbild beiSymeon

dem Jüngeren dem Theologen. Würzburg: Augustinus-Verlag 1949.
117 S. 8» = Das östliche Christentum. Abhandl. i. A. d. „Arbeitsgemeinschaft
d. deutschen Augustinerordensprovinz z. Studium d. Ostkirche" hrsg.
v. O. Wunderle. N. F. H. 9. Kart. DM G.—.

Nach einer kurzen aber gründlichen Besprechung seiner Quellen, die ihm
zur Verfügung standen, einer Übersicht über die historische und gelstesge-
schichtliche Einordnung Symeons, der „nur auf dem Hintergrund der griechischen
Kirche und zumal der griechischen Väter" zu verstehen Ist (S. 20), kommt
Verf. zum ersten Kapitel seiner Arbeit: Der Mensch in seinem Ursprung und in
seiner tatsächlichen Situation. Hier wird gezeigt, wie der Mensch, dessen
Seele vor allem Träger der Oottebenbildlichkeit ist (S. 26), was sich vorzüglich
im Verstand und in der Freiheit ausdrückt (S. 28—29), einerseits durch die
Erbsünde (S. 33), durch die Ursünde Adams also, andererseits durch alle Akte
des Ungehorsams mit seiner Wurzel, der Schwäche des Menschen (S. 39) in jene
erschütternde Lage der völligen Finsternis gerät (S. 36ff.), jene aligemeine
Sündhaftigkeit der Menschen, die im letzten ein mysterium iniquitatis bleibt
(S. 32). Hieraus ergibt sich die Stellung S.s zur Welt und zum Leibe (S. 42—50),
die für seine Anschauung von der vollkommenen Vergottung dann konstitutiv
wurde. Im zweiten Kapitel: Der neue Heilsweg, geht der Verf. gemäß der
prinzipiellen Grundlegung orthodoxer Dogmatlk in richtiger Welse von
der Menschwerdung aus, deren soteriologischer Telos an Hand der Texte
gut herausgearbeitet wird (S. 50ff.). Abgesehen von einigen, vielleicht messa-
lianischen Anlehnungen (S. 56 etwa) erkennen wir, wie sehr S. hier mit seiner
Mystik auf bestem Erbe patristischer Theologie steht, deren Orthodoxie fast
symptomatisch immer dann sich erweist, wenn ihr die Enanthröpesis die unerläßlich
soteriologische Voraussetzung der Theopoiesis ist (vgl. Athanasius,
de incarnat. verbi, cap. 54. MG 25, 192, der wohl klassische Beleg hierfür!).
B. hat diese Linie bei S. mit großer Klarheit, die Problematik teilweiser und
scheinbarer Abweichungen eingeschlossen, herausgearbeitet. Auf diesem zentralen
Gedanken gründet sich schließlich auch die Einsicht, daß selbst bei dem
konsequenten Synergismus S.s (S. 89 u. ff., sowie das Gleichnis S. 97 oben)
auch die Gottesschau (S. 89, 95) und die sie vorbereitenden Wege der Reinigung
und Tugend nur Gnade sindl (S. 93). S. 98 schildert Verf. dann die Stufen der
Gottesschau, die bei S. schließlich in der Schau des Dreieinigen selbst gipfelt
(S. 99). Vom Vollendeten kann dann gesagt werden: imo quod Christus ipse
est (S. 100). Daraus folgt für S. die Konsequenz der Auflösung der Eschato-
logie: „Es ist also kein wesenhafter Unterschied zwischen Diesseits und Jenseits
im Leben des Erlösten" (S. 107, dort gesperrt). Nochmals aber wird betont,
daß alle Formen der Mystik S.s (Brautmystik: S. 108), die durch eine auffallende
Nüchternheit gekennzeichnet werden (S. 110), letztlich auch nur
„Frucht der Menschwerdung des Logos" sind (S. 112)1

Im Gegensatz zu seiner hier rezensierten Arbeit über die
Eschatologie in der ostkirchlichen Frömmigkeit (ThLZ 195°
Nr. i, Sp. 47), die noch zu mancher Kritik Anlaß gab, hat uns
letzt B. eine klare wissenschaftlich fundierte Studie geschenkt,
die zum Geburtstage Symeons (949) rechtzeitig erschien. Die
Katholische Forschung hat sich dieses byzantinischen Mystikers
nach der Entdeckung durch Karl Holl im Gegensatz
zur protestantischen Forschung mit besonderer Liebe angenommen
. B.s Arbeit gibt uns über das Spezielle hinaus im
Kähmen eines kleinen aber sehr geeigneten Sondergebietes
einen dankenswerten Beitrag zur Anthropologie der Ostkirche
überhaupt. Hierüber ist bis jetzt wenig geschrieben worden
Bei dem begründeten Interesse protestantischer und katho
nsclier Theologie an den Fragen christlicher Anthropologie
kann man die Studie B.s nur begrüßen.

Halle Saale Konrad Onasch

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Metzke, Erwin: Sakrament und Metaphysik. Eine Lutherstudie über
das Verhältnis des christlichen Denkens zum Leiblich-Materiellen. Stuttgart:
Kreuz-Verlag [1948]. 56 S. gr. 8°= Lebendige Wissenschaft. Eine akademische
Schriftenreihe hrsg. v. Prof. D. Hans Frhr. v. Campenhausen. H. 9
Kart. DM 1.50.

Eine kurze „Vorbemerkung" über das Verhältnis von
Rheologie und Philosophie ist kennzeichnend für die ganze
Haltung dieser Schrift. Der Verf. erkennt ihre gegenseitige
Unabhängigkeit an und weist nur darauf hin, daß bestimmte
Gedanken Luthers auch die Philosophie angehen. Philosophie
und Theologie sollen voneinander lernen und ihre Beziehung
Weht auf methodologische Erörterungen und Kompetenz
Streitigkeiten beschränken. Hier drückt sich eine große Zu
rückhaltung aus, die auch die ganze Schrift hindurch immer
wieder auffällt; sie macht ihren Wert, aber auch ihre Grenze

aus. Metzkes Versuch ist eine ausgezeichnete Vorlage, um die
philosophischen Themen der Theologie Luthers zu meditieren;
es ergibt sich aber auch, daß man bei semer Art, die Fragen zu
behandeln, nicht stehen bleiben kann. Im Folgenden fassen
wir den Inhalt der Schrift zusammen und knüpfen daran einige
weiterführende und kritische Gedanken.

Das einleitende Kapitel (S. 5—15) weist auf die Bedeutung des Leiblich-
Materiellen, das Luther in seiner Abendmahlslehre so nachdrücklich betont,
für das menschliche und christliche Daseinsverständnis überhaupt hin. Der
allgemeine Strom des Geisteslebens vom 16. Jahrhundert bis heute ging freilich
den umgekehrten Weg, ein verflachender Rationalismus stellte Idealismus
und Materialismus als lähmende Alternativen einander entgegen, was schließlich
zu den bedrängenden Fragen der Gegenwart führte. Luther zeigt uns Gott
im unmittelbaren Verhältnis zum Leiblichen, aber so, daß Gottes Freiheit
einerseits, das eigene Wesen des Leiblichen andererseits voll gewahrt bleiben.
In seiner Sakramentsanschauung drückt sich also eine allgemeine Denkart aus,
ein bestimmtes Wirklichkeitsverständnis, das durchaus metaphysischen Charakter
trägt. Aber die Wirklichkeit wird hier nicht spekulativ erschlossen; sie
ist keine zeitlose Wesenheit; sie ist Gegenstand von Erfahrung, vermöge der
Demut, die das, was alle menschlichen Möglichkeiten übersteigt, in leibhaften
Gegebenheiten von außen empfängt. Damit setzt Luther dem Subjektivismus,
den er selbst In seiner Lehre vom Glauben so kräftig zur Geltung gebracht,
eine feste Grenze. Der Glaube wird auf bestimmte äußere, vom Menschen unabhängige
Gegebenheiten bezogen, das subjektive Moment in einer ontologi-
schen Grundlage verankert, wobei freilich zu fragen ist, ob ontologische Kategorien
zureichen.

Das zweite Kapitel (S. 16—27) behandelt die in Luthers Sakramentsdenken
sich ausdrückende Abwehr bestimmter Gefahren allgemeiner Art. Es
stellt sein „est" gegen eine Reflexion, die alle Gegebenheit, alle Sprache, alle
Gewißheit auflöst und nichts übrig läßt außer dem sich selbst absolut setzenden
Ich; und zugleich gegen die objektive, spekulative Reflexion der scholastischen
Philosophie, die all dies durch Eingliederung in ein hierarchisches Seinssystem
sichern möchte. Es betont die Leiblichkeit des Handelns Gottes im Gegensatz
gegen das Bestreben, von der Innern Gewißheit als dem Ursprünglichen auszugehen
und so den Geist als abstrakten Gegensatz zum Leiblichen zu konstruieren
, womit dann das Verhältnis des Menschen zur äußern Wirklichkeit,
zur Oeschichte, zu sich selbst der Auflösung verfällt. Schließlich zeigt es Luther
im Kampf gegen ein Trennungsdenken, das in der Lehre vom Sakrament, von
Christus, vom Menschen ursprünglich Zusammengehöriges auseinanderreißt.

Im dritten Kapitel (S. 28—40) geht der Verfasser zur Darstellung der
positiven Anschauungen Luthers über, ausgehend vom Gegenüber von Element
und Wort, von leiblichem Empfang und Glaube. Es handelt sich dabei
weder um einen Dualismus noch um einen Monismus, auch um keine äußerliche
oder eine dialektische Synthese, sondern um eine beide Seiten wechselseitig
begrenzende Korrelation, die eigenen Wesens ist und philosophisch geklärt zu
werden verdient. Nicht nur vollendet sich das Werk des Geistes durch die
Leibwerdung, sondern auch umgekehrt geht leibliche Realität keineswegs in
körperlicher Vorhandenheit und Wirkung auf, sie kann den Menschen in seinem
ganzen, gcist-leiblichen Dasein erfassen, insofern sie Träger geistiger Wirklichkeit
ist. So kann der Glaube sich auf leibliche Wirklichkeit beziehen, ohne dadurch
von seiner Geistart etwas einzubüßen. Audi stärkste Äußerungen des
Sakramentsrealismus, wie die richtende Wirkung ungläubigen Genusses, bringen
keineswegs ein magisches oder automatisches Moment in die Geistwirkung
leiblicher Gegebenheiten hinein. Denn im Grund geht es um Gottes eigenes
Handeln, nicht um einen vorhandenen Seinszusammenhang, wie andererseits
die Leiblichkeit solcher Geistwirkung anzeigt, daß sie auch nicht in eine subjektive
Tätigkeit des Menschen aufgelöst werden kann. Zwischen subjektivisti-
schem Spiritualismus und objektivistischem Naturalismus hindurch bewegt
sich Luthers Denken auf eigener Bahn, die durch Begriffe wie „Gaben, die
Gott schenkt", „Gottes Handeln", „geschichtlich" gekennzeichnet wird. Dies
ist der tiefste Grund seines Gegensatzes gegen die Transsubstantiation, der
Grund auch seines Zögerns gegenüber dem nicht minder substantialistischen
Begriff der Konsubstantiation. Die sakramentalen Elemente kommen nicht
als Substanzen, sondern in ihrem natürlichen Wesen, als Brot und Wein und
Wasser in Betracht; eben als solche sind sie Träger der Gaben Gottes; und
wenn der Verstand dabei nach Gründen der Möglichkeit fragt, so wird er auf
tausend ähnliche Wunder in der natürlichen Wirklichkeit hingewiesen; es
kommt nur darauf an, die Wirklichkeit recht anzusehen.

Der folgende Abschnitt (S.41—48) behandelt die Revolutionierung der
Raumvorstellung durch die Ubiquitätslehre. Schon die Tatsache, daß Luther
diese entwickelt, obwohl er jede Theorie über das Wie der Gegenwart Christi
für unnötig hielt, ist ein Hinweis darauf, daß sich in ihr der metaphysische
Hintergrund seines Denkens geltend macht. Er bewegt sich hier keineswegs in
überkommenen Gleisen; er überwindet vielmehr die dinglich-lokale Vorstellungsweise
, an die mit der Scholastik auch das reformierte Dogma gebunden
blieb. Daß Gott überall in gleicher Weise gegenwärtig ist, macht den Raum in
allen seinen Teilen gleichförmig und gleichwertig und öffnet den Blick für seine
grenzenlose Unendlichkeit. Damit hat Luther ein bedeutendes Thema der gesamten
neueren Philosophie vorweggenommen: wie Gott und Geist in der
Raumwelt gegenwärtig sein können. Er ist sich auch dessen bewußt, daß dies
nicht eine Frage des Glaubens, sondern des Vernunftdenkens ist. In zahllosen
Beispielen erörtert er die Möglichkeit der Gegenwart desselben Gegenstandes
an verschiedenen Orten. Aber die Uberwindung des lokalen Denkens führt
nicht zu einer Theologie der Innerlichkeit oder der Abstraktion, sondern trägt