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Ausgabe:

1951 Nr. 5

Spalte:

304-305

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Seraphim, Metropolit

Titel/Untertitel:

Die Ostkirche 1951

Rezensent:

Onasch, Konrad

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 5

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fessionellen Probleme, wieweit ihr trotzdem Verbindlichkeit
eignet". Es „gibt ein weites Gebiet des christlichen Lebens,
in welchem" die „Zweiteilung Gotteswort—Meuschenwort
nicht aufrechtzuerhalten ist" (160). Wir müssen uns heute
bekennen zu der „Bindung an die Geschichte der Kirche, an
die Weisheit und Erkenntnis der Väter" (290). Das Schicksal
der Ordnungen in der lutherischen Kirche ist ehie notvolle
Sache. Wir müssen erkennen, daß z. B. die Fehlentwicklung in
den gottesdieustlicheu Ordnungen „gewisse Ansätze" in der
lutherischen Reformation selber hat, nämlich in der starren
Gegenüberstellung von Gottes Wort und Menschen wort (194),
von unbedingt und bedingt Nötigem. .Man darf die Ordnungen
nicht nur formal, durch die Notwendigkeit von Ordnung überhaupt
, sondern muß sie vor allem auch als durch inhaltliche
Gesichtspunkte begründet ansehen (192). „Es ist eine der
Grenzen der CA., daß die Bindungen zweiter Instanz von den
Reformatoren nicht ernst genommen wurden. Man blieb Rom
gegenüber in der Negation, die zwar sehr nötig war, aber sich
doch schließlich nicht als zugkräftig erwies . . . Was wir vordringlich
nötig haben, ist eine Klärung der Bindungen zweiter
Ordnung" (195, 317).

Bei Art. 21 der CA. ruft Asmussen zu einer rechten Verehrung
der „Heiligen", so sehr er den reformatorischen Protest
gegen den römischen Heiligenkult als auch noch heute,
zumal angesichts der Entwicklung der Mariologie, aktuell festhält
(245ff.). „Wir bedürfen einer speziell kirchlichen Verbundenheit
mit der Vergangenheit, eine historische ist durchaus
ungenügend." Ich stimme A. hier völlig zu. Unsere Kirche
muß eine eigene Form des Gedenkens an die Märtyrer und
großen Zeugen Christi finden, in einem evangelischen „Allerheiligen
" oder auf andere Weise, in den Gebeten an bestimmten
Tagen. — Vermerkt sei weiter, daß A. zu Art. 24
eine „neue Besinnung auf den Begriff des Opfers" auch im
Verständnis des Abendmahls fordert (273). In Art. 5 vermißt
er ein Wort vom Priestertum. Das ist nicht als Romanisieren
zu verstehen. Denn A. betont das Priestertum aller Christen,
daher man „unmöglich das Besondere des Amtes vor anderen
Christen aus dem Priestertum ableiten" kann (91).

Von den kritischen Bedenken und Fragen, die das Buch
im einzelnen erweckt, seien an dieser Stelle nur einige vorgebracht
. Bei der Abendmahlslehre fällt auf, daß A. eine so
wichtige Abhandlung wie J. Jeremias, Die Abendmahlsworte
Jesu, nicht erwähnt, auch J. Schniewinds Auslegung
im NT Deutsch nicht. Es wäre nötig gewesen, seine eigene
Betonung der „Substanz" (148) gegenüber diesen und anderen
Exegeten genauer zu begründen. Noch auffallender ist freilich,
daß A. eine Prozession mit den Abendmahlselementen als „von
lutherischer Sicht her schwer zu verbieten" bezeichnet, „wenn
sie zwischen Konsekration und Austeilung vorgenommen
wird" (257). A. denkt dabei zunächst offenbar an die urchristliche
Sitte, die Elemente zu den Kranken zu bringen. Damit
würde vielleicht noch kein von der lutherischen Theologie abgelehntes
extra usum gegeben sein; wohl aber, wenn die „Prozession
" zum Zwecke der Anbetung geschähe (s. Konk. Formel
S.D. Art. VII, §§ 83, 108). Ich hoffe, daß A. dieses Letztere
nicht in Frage stellen will. — Mit wenig Freude nimmt
man auch zur Kenntnis, daß A. bei Art. 1 ausgerechnet den
unglücklichen Ausdruck des lateinischen Textes „decretum
Nicaenae synodi . . . credendum esse", den Eiert (Morphologie
I, I78) mit Recht als Fehlgriff bezeichnet, aufnimmt und
sich aneignet: „daß ohne allen Zweifel das Zeugnis von der
Dreieinigkeit zu glauben sei"! (41). Ich würde kein Wesens
davon machen, wenn Asmussen nicht auch sonst so redete,
z. B. in seiner Antwort an Künneth in Sachen der Mariologie
(Ev.-luth. Kirchenzeitung 1951, S. 58), wo es heißt, daß „die
christliche Kirche Wahrheiten formuliert, die ohne allen
Zweifel geglaubt werden müssen". Hoffentlich will A. mit
dieser Wendung nicht beim Worte genommen sein. Ich traue
ihm zu, daß er um den Unterschied zwischen der Verkündigung
des Evangeliums und einem Glaubensgesetze weiß. Aber zu
beanstanden bleibt die Wendung auf alle Fälle, gerade im
Blicke auf die theologische Begegnung mit Rom. Denn sie vernebelt
den entscheidenden Gegensatz des evangelischen und
des römisch-katholischen Glaubensbegriffes. — Asmussens Vorwurf
gegen die Augsburgische Konfession, daß sie den unzweifelhaft
biblischen Lohngedanken nicht aufgenommen und ihm den
richtigen Platz angewiesen habe, ist jedenfalls der Apologie
gegenüber fehl am Platze; hier kommt er in Art. 4 immer wieder
positiv vor, s. das Register der Ausgabe der Bek. Sehr. 1930.

An Fehlern notiere ich: S. 142 Z. 19f. ist zweimal statt „vierte" zu lesen
„zehnte"; S. 285 Z. 14 v. u.: statt „Christus" ist zu lesen „Christen"; S. 339
ist der Titel und das Erscheinungsjahr meines Buches „Paulus und Luther
Uber den Menschen", 1938 falsch angegeben.

Erlangen P.Alt haus

Seraphim, Metropolit: Die Ostkirche. Stuttgart: Spemann [1950]. 339 S„
13Taf. 8° = Sammlung Völkerglatcbe. DM8.10; Hlw. DM 10.80.

Das vorliegende Werk zerfällt in zwei Teile: Der erste behandelt
folgende Abschnitte, wobei ich die Namen der Verfasser
in Klammer hinzusetze: i. dogmatischer Teil, S. 17 bis
in (Metropolit Seraphim). 2. Geschichtlicher Teil, S. 112 bis
169, dem noch ein Kapitel über die nationalen Sonderkirchen
des Ostens angefügt ist (P. Wassilij Lengenfelder, Dipl. Theologe
an der Universität Belgrad). Der zweite Großteil ist ausschließlich
dem christlichen Leben in der Orthodoxie gewidmet
(Iwan Tschetwerikow). Dieser Abschnitt wurde von
P. Lengenfelder ins Deutsche übersetzt. So haben wir hier eine
Einführung in die Ostkirche vor uns, die von Orthodoxen geschrieben
wurde und deshalb ihren besonderen Reiz hat, ähnlich
wie früher die Sammlung EKKLESIA unter der Leitung
von Siegmund-Schultze. Die redaktionelle Leitung neben der
Bearbeitung von I, 1 hatte Metropolit Seraphim.

Dieser ist zunächst bemüht, da er ja mit einem katholischen und protestantischen
Leserkreis rechnet, seine Darstellung sowohl gegen Mißverständnisse
und Fehlansätze zu schützen, als auch gleichzeitig in Anbetracht des beabsichtigten
konfessionellen Gespräches die irenische Linie zu wahren, die in
angenehmer Weise das ganze Werk auszeichnet. Die systematische Fundierung
seiner Gedanken ist stark durch die moderne russische Theologie eines Sergius
(Patriarch, dessen theologische Arbeiten leider bei uns unbekannt sind), Antonius
Chrapowitzky, aber auch eines Kirejewsky und Chomjakow u. a. m. bestimmt
. Seine Absicht ist dabei, den mystischen Gehalt des Dogmas gegen alle
rationalen (subjektivistischen und objektivistischen) Verzeichnungen zu verteidigen
-seitdem das Glaubensdekret von Chalzedon dasselbe mit seiner zweimaligen
starken Betonung der Verteidigung des olxovofäas fivonjgiov tat,
ein genuin ostkirchliches Anliegen. Bei der Soteriologie wird zudem noch auf
den Unterschied zwischen der juridischen in der katholischen und der
mystischen in der orthodoxen Auffassung von der Vergottung (s. vor allem
S. 55!) aufmerksam gemacht (S. 48—49). Trotzdem darf man, so meine ich,
diese Differenzierung nicht allzu bequem hinnehmen. Finden wir doch, bei
Athanasius etwa, auch ausgesprochen satisfaktorische Ausführungen über die
Erlösung. Athanasius aber wird hier auffallend wenig berücksichtigt, obgleich
er doch, wie Augustin im Westen, nach einer Bemerkung Kattenbuschs, der
Kirchenvater des Ostens gewesen ist. Selbstverständlich gilt dem Verf. die
Tradition „chronologisch älter als die Heilige Schrift" (S. 31—32). Aber gerade
diese bezeugt, daß chronologisch zuerst der Kyrios und sein Kerygma
anzutreffen ist (etwa: l.Thess. 4, 15; 1. Kor. 11,23; Acta 20, 35; aber auch
i.Clem. 13, 2 u. a. m.). Das beste und überzeugendste Zeugnis seines orthodoxen
Denkens gibt der Verf. in der starken Konzentration aller systematischen
Gebiete auf die Christologie hin! Zur eschatologischen Einstellung der
Ostkirche, vor allem im Kultus, habe ich mich seinerzeit hier schon kritisch
geäußert und darf darauf hinweisen (TliLZ 1949, Nr. 5, Sp. 267). Dieses
Kompendium der orthodoxen Dogmatik ist aufgebaut auf einer Fülle von
Kirchenväter-, aber auch liturgischen und modernen Zitaten. Man gewinnt
in dankenswerter Weise wie sonst selten einen Einblick in die Bedeutung der
Liturgie für die ostkirchliche Dogmatik.

Der historische Teil steht stark unter dem iranischen Zeichen des Bemühens
um ein ökumenisches Gespräch. In der deutlich zutage tretenden Tendenz
, den Satz vom Konsensus der ersten fünf Jahrhunderte konsequent durchzuführen
, geht m. E. der Verf. oft etwas zu weit. Es stimmt einfach nicht, daß
die epistola dogmatica des Leo „bei den Konzilsvätern (451) große Begeisterung
hervorrief" (S. 125). Ihnen ging es vielmehr um die Eliminierung dieser Formel
, die ihnen eine Neuerung im symbolischen Corpus bedeutete (vgl. Hefele II
[2. Aufl.], S. 405). Begrüßenswert dagegen ist, daß Verf. den alten liberalen
Mythos von der Erstarrung der Orthodoxie zu widerlegen sich bemüht (vor
allem S. 108—169). Bei der Schilderung der nationalen Sonderkirchen ist überraschend
, daß der Verf., aufs Ganze gesehen, eine Übereinstimmung der orientalischen
Kirchen mit der Orthodoxie festzustellen glaubt. Er tut dies in der
Absicht, zu beweisen, daß die Ostkirche als ganze der Urkirche immer noch
besonders nahe ist (S. 192). Der Verf. des zweiten Teiles: Das christliche Leben
in der Orthodoxie geht von dem klassischen byzantinisch-orthodoxen Satz über
die Kultur aus, den man mit Bury (History of the later Roman Empire I, S.124)
so formulieren kann: Religion was aecompanied with culturel Wie Seraphim In
seinem dogmatischen Teil bei Erörterung der Ekkiesiologie geht auch Tschetwerikow
von Gedanken aus, die Berdjaev einmal so kurz zusammenfaßt: „Die
Kirche ist der verchristlichte Kosmos" (Die Philosophie des freien Geistes.
Tübingen 1930, S. 379). Wenn auch die Orthodoxie die origenistische Lehre
von der Apokatastasis pantön als häretisch ablehnt (vgl. S. 103), so scheint
mir diese doch In der Auffassung von der potentiellen in der Auferstehung
wurzelnden Metamorphose des Kosmos eine orthodoxe Urständ zu feiern!
Wie dem auch sei, Tsch. entwirft unter diesem Gesichtspunkt ein fesselndes
Bild orthodoxer Kultur von den großen Asketen der Väterzeit bis zu Seraphim
von Sarow.

Es läßt sich nicht leugnen: was geistliche Kultur im Schöße der Trinität
ist, wird uns hier nochmals, nicht ohne Eindruck zu hinterlassen, vorgeführt.

Die ausgesprochen irenische Grundabsicht des Buches
läßt es für ein ökumenisches Gespräch geeignet erscheinen.
Zudem wird es auch wegen seiner geschmackvollen, ja reichen
Ausstattung Freunde finden: 12 Bildtafeln von Ikonen, Kirchen