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Ausgabe:

1951 Nr. 5

Spalte:

301-303

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Asmussen, Hans Christian

Titel/Untertitel:

Warum noch lutherische Kirche 1951

Rezensent:

Althaus, Paul

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301

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 5

302

Duensing, Hugo: Neue christlich-palästinisch-aramäische Fragmente
. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1944]. 13 s. gr. 8" ~ Nachrichten
der Akademie der Wissensch, in Göttingen, Philolog.-hist. Klasse,
Jg. 1944 Nr. 9. dm 1.—.

Im Jahre 1906 hatte Hugo Duensing aus Pergament-
Handschriften und -Fragmenten, die ihm zur Veröffentlichung
überlassen worden waren, eine größere Zahl christlich-palästinischer
Texte ediert (, .Christlich-palästinisch-aramäische Texte
und Fragmente nebst einer Abhandlung über den Wert der
palästinischen Septuaginta. Mit einem Wörterverzeichnis und
vier Schrifttafeln". Göttingen 1906, X und 160 S.). Es handelte
sich neben biblischen Texten vor allem um Erzählungen aus
dem Mönchsleben, Heiligenbiographien und Martyrien. Im
Nachlaß des inzwischen verstorbenen Besitzers der Texte
fanden sich einige weitere Fragmente, die D. nunmehr ergänzend
vorlegt; sie gehören zu den „Erzählungen aus dem
Mönchsleben" (S. 15—41 der Publikation von 1906).

Das erste Fragment entstammt einer Fegovrinöv betitelten
Sammlung von Erzählungen aus dem Mönchsleben; die anderen
gehören einem 1677 von J. B. Cotelier griechisch veröffentlichten
Alphabetikon an, aus dem wir Erzählungen über
den heiligen Sarmatas und den heiligen Silvanus jetzt aramäisch
kennenlernen. Der griechische Text der Fragmente ist
jeweils beigegeben. Die kurzen, leider allzu gedrängten Vorbemerkungen
des Verf.s lassen die Mühsal und Sorgfalt ahnen,
die die schwierige Identifizierung der Texte erfordert hat.

Göttingen Joachim Jeremias

KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

Asmussen, Hans, d., d. d.: Warum noch lutherische Kirche? Ein Gespräch
mit dem Augsburgischen Bekenntnis. Stuttgart: Evang. Verlagswerk
1949. 352 S. gr. 8». Lw. dm 12.50.

Dieses Buch ist, was der Untertitel sagt: „Ein Gespräch
mit dem Augsburgischen Bekenntnis", aber noch mehr: ein
Gespräch zugleich mit der römischen Kirche und Theologie
angesichts der C A., und nicht zuletzt ein Gespräch der lutherischen
Kirche und Theologie mit sich selber. Asmussen druckt
den deutschen Text der Artikel der CA. ab (wohl nach der
Ausgabe der Bekeuntnisschriften von 1930), gibt dann jeweils
eine Analyse des Inhalts, wobei oft auch der lateinische Text,
die Schwabacher und Marburger Artikel, die Confutatio und
selten die Apologie verglichen werden, und schließt daran eingehende
theologische Erörtemngen. Am Schlüsse des Bandes
geben gut 20 Seiten Anmerkungen Hinweise auf die Literatur
sowie Erläuterungen, Ergänzungen und kritische Notizen zur
theologischen Lage und Literatur.

Was das Buch will, kommt am klarsten im Schlußwort
heraus. Die lutherische Kirche muß „zu sich selber kommen .
Dazu muß sie sich mit ihren Anfängen auseinandersetzen, d. h.
,,ihre Bekenntnisse fragen, was diese wohl eigentlich meinen ,
sie „mit dem heute vorhandenen Gut an exegetischer und dogmatischer
Erkenntnis konfrontieren". Dabei sind notwendig
zugleich die „römischen Erkenntnisse zu Rate zu ziehen".
Wie die lutherische Kirche in Auseinandersetzung mit Rom
entstanden ist, so wird sie auch heute nicht zu sich selbst
finden, „wenn sie nicht zu einem offenen Gespräch mit Rom
kommt" (32off.).

Gemäß diesem Programm wird jeder einzelne Artikel der
C.A. zunächst darauf befragt, ob er der Hl. Schrift, ihrer Vielfalt
und Fülle gerecht werde oder etwa biblische Wahrheit verkürze
. Dabei ruht der Blick immer zugleich auf dem römischen
Partner. Das Gespräch mit ihm wird „offen" geführt, das
heißt: mit der Überzeugung, daß „die Akten nicht abgeschlossen
sind" (323), daß man ernsthaft neu hinhören muß,
weil seit 1530 wirkliche Wandlungen geschehen sind. Damit
wird eine Absolutierung des Bekenntnisses und alle faule Statik
des Verhältnisses zwischen der lutherischen Kirche und
Rom abgewiesen. Asmussen ist mit der Entwicklung der
römischen Kirche seit der Reformation vertraut, das Triden-
tinum wird immer wieder herangezogen, ebenso die neuere und
gegenwärtige römisch-katholische Theologie. Darüber hinaus
merkt man dem Buche an, daß es aus lebendigen Gesprächen
mit Theologen der anderen Kirche erwachsen ist. Es steht
ganz in der Gegenwart. Das gilt auch für die evangelische
Kirche. Das Bekenntnis wird in das Licht ihrer weiteren Geschichte
seit 1530 und diese wiederum in das Licht des Bekenntnisses
gerückt. Der Kirchenkampf wird ebenso ausgewertet
wie A. die gegenwärtige theologische Arbeit positiv
und kritisch heranzieht. Er übt — bei allem deutlich und
freudig ausgesprochenen Einssein mit dem Herzen der refor-
matorischen Confessio — Kritik an dem Bekenntnis, an der

Geschichte und Gegenwart unserer Theologie und Kirche; er
legt den Finger auf manche ernste Einbuße an echtem biblischen
und altkirchlichen Gute. Darüber kommt die Kritik
an Rom nicht zu kurz. Nur „leben wir weithin hl einer unechten
Kontroverse" — das wird speziell bei dem Problem
„Glaube und Werke" bemerkt (100). Gerade wenn wir eine
unzulängliche Kontroverstheologie preisgeben, stoßen wir auf
die wesenhaften Gegensätze, bei denen wir Rom namens des
Evangeliums widersprechen müssen. Das alles wird überaus
eindringlich, lebendig, ja spannend vorgetragen. Niemand, auf
römischer und auf lutherischer Seite, kann sich dem hohen
Ernste, der großen Wahrhaftigkeit, dem Eifer um die Kirche
Christi, der Lebensnähe des Ganzen entziehen. Das konfessionelle
Feld wird heilsam aufgelockert. Manches tritt in neues
Licht. Das historische Bekenntnis und die Konfession bekommen
ihr volles Recht, aber jeder Konfessionalismus ist
ausgetilgt. „Die Parole lautet: Wir müssen durch die Konfession
hindurch, nicht an ihr vorbei, — aber wir müssen durch
sie hindurch" (30). Asmussens Buch scheint mir ein Muster
rechter Selbstbesinnung der lutherischen Kirche angesichts
der Hl. Schrift und angesichts der ganzen Christenheit, in der
wir „aneinander gebunden" sind (321), zu sein.

Bezeichnend für Asmussens Verständnis der lutherischen
Kirche ist, daß er die Unterschiede zwischen Lutheranern und
Reformierten stark betont. „Auch die bestehende Gemeinschaft
darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß unser Verhältnis
zur reformierten Kirche grundsätzlich kein anderes ist als
das zu der römischen Kirche" (207). In bestimmter Hinsicht
steht Rom uns Lutheranern näher als die Reformierten.
A. denkt dabei offenbar an die theologisch begründeten politischen
Urteile und Entscheidungen Barths und seines Gefolges
. „In diesen Entscheidungen erscheint uns Rom oft mehr
von der biblischen Diastase zur Welt zu wissen als unsere
reformierten Brüder." Barths Versuch, „das staatliche Wesen
aus dein eigentlich evangelischen Räume abzuleiten", wird
bestimmt abgewiesen; würde die reformierte Kirche sich dem
anschließen, so würde das „ein Zusammenwachsen beider
evangelischer Kirchen außerordentlich erschweren. Denn an
diesem Punkte ist die lutherische Kirche gebunden" (208L).
So im Anschluß an C.A. Art. 16.

Es ist nicht möglich, in dieser Besprechung den ganzen
reichen Inhalt des Buches auch nur in den Grundzügen anzudeuten
und sich mit ihm auseinanderzusetzen. Es bietet, nach
den Artikeln der C.A. eingeteilt, kernen systematischen Gedankengang
, sondern Einzelbesinnungen, die sich zum Teil
auch wiederholen. So können wir nur einiges aus der Fülle,
zustimmend oder kritisch, hervorheben.

In der Kritik, die A. an der C.A. und an der weiteren
Lehr- und Lebenseutwickluug der lutherischen Kirche übt,
sagt er viel Gültiges. Zum Teil nimmt er dabei Urteile anderer,
z. B. auch Adolf Schlatters, auf. „Die lutherische Kirche
hatte zwar das Augenmerk ganz auf den Moment gerichtet,
wo Gott im Himmel über mich das entscheidende Wort spricht.
Aber sie war nicht stark genug, im gleichen Atemzuge das
Wort von der neuen Kreatur zu sprechen und es mit demselben
Pathos zu verkündigen" (75). Der Primat der Verkündigung
vor der „Lehre" liegt A. sehr am Herzen. „Alle
Lehre zerfällt, sobald sie nicht mehr aus Verkündigung lebt"
(73). „Als zeitlose Lehre wollen wir die Rechtfertigungsbotschaft
wohl behalten, aber als Verkündigung haben wir diesen
Artikel noch nicht wiedergefunden" (74). Wie auch in seinen
anderen Arbeiten betont Asmussen mit Nachdruck das Zusammenfallen
von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
in dem Heilsgesclieheu. Die Formel, daß wir „um Christi
willen" gerecht sind, genügt nicht. Unsere Rechtfertigung
folgt nicht aus dem Werke Christi, sondern sie ist in ihm da
(76). Das ist das „Mysterium", die „sakramentale" Wirklichkeit
, die in den Formeln der lutherischen Tradition nicht entsprechend
zum Ausdruck kommt (76, 140).

Besonders wichtig ist, was Asmussen an Korrekturen
unserer lutherischen Uberlieferung bei der Buße und hinsichtlich
der Ordnungen in der Kirche fordert. Mit Recht
drängt er, daß wir aus der nur negativen Haltung gegenüber
der Wiedergutmachung, wie auch Art. 12 sie zeigt, herauskommen
. „Unsere Ethik leidet einfach darunter, daß wir an
Vergebung ohne Wiedergutmachung glauben." Die Wiedergutmachung
ist zwar nur ein Zeichen, aber „dies Zeichen aufzurichten
ist ein wesentliches Stück der Buße" (167t., 289).
Ebenso bedeutsam ist die These: „Die Kirche muß für sich
selbst und ihre Glieder nicht nur mit letzten Bindungen rechnen
, sondern auch mit vorletzten; aber sie muß zum Ausdruck
bringen, welches Maß von Würdigkeit diesen vorletzten Bindungen
eignet" (288). Die Tradition steht nicht gleichwertig
lieben der Schrift, aber „es ist eines der dringlichsten kon-