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Ausgabe:

1951 Nr. 5

Spalte:

287

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Galling, Kurt

Titel/Untertitel:

Textbuch zur Geschichte Israels 1951

Rezensent:

Thomsen, Peter

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287

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 5

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1728-1686 zu ermäßigen ist. (W. v. Soden, die Welt des Orients 3
(1948), 190). Auch auf das Verhältnis des Spätbabylonischeu
zum Aramäischen ist jetzt näher eingegangen; doch würde
man gern einen kurzen Hinweis auf die tatsächliche Bedeutung
des Aramäischen als Verkehrssprache bereits in neuassyrischer
Zeit sehen.

Besonders stark zeigt sich der Einfluß der neueren Forschung
in der Verballehre. An zahlreichen Stellen konnte der
ältere Text einfach durch entsprechende Wortwahl berichtigt
werden. An anderen Stellen wieder sind Erweiterungen und
Ergänzungen im alten Dispositionsrahmen erfolgt. Z. B. ist
der modale Begriff „Energicus" aufgegeben und durch „Alla-
tiv" (besser „Ventiv") ersetzt. Damit ist angedeutet, daß der
so bezeichnete Modus, der sich besonders bei Verben der Bewegung
findet, einen Bedeutungswandel verursacht. So bedeutet
etwa 'al&ku „fortgehen" im Allativ-Ventiv „herbeikommen
" (S. 48f.). Des weiteren erfährt man jetzt neu, daß
es sich in den früher sog. „erweiterten Medialstämmen" des
Verbums um Iterativstämme handelt (S. 54; 6of.). Es liegt
auf der Hand, daß derartige neue Erkenntnisse für eine sachgemäße
Übersetzung grundlegend sein können.

Ein wenig zu kurz gekommen ist leider auch jetzt wieder
die Syntax. So wäre es z. B. wünschenswert, wenn die Rolle
der Medialstämme des Verbums innerhalb der „eonsecutio
temporum" und damit die Frage der Zwei- und Dreistufigkeit
im Satzgefüge behandelt worden wäre. Auch hinsichtlich der
sog. „Tempora" könnte man sich eine stärkere Angleichung
an den modernen Stand der Forschung wünschen. (Vgl. G. Berg-
sträßer, Einführung in die semitischen Sprachen (1928), 23; 25).

Neugefaßt ist das umfangreiche Wörterverzeichnis zum
altbewährten Übungsbuch. Die Verbalstämme werden nicht
mehr nach Wurzeln, sondern mit dem Infinitiv des Grundstammes
angeführt. Dankbar wird der Lernende die Beigabe
der Radikale bei schwierigen Wortbildungen begrüßen.

Herausgeber und Verlag haben sich ein außerordentliches
Verdienst um die Wissenschaft vom Alten Orient durch Edition
der Grammatik des Akkadischen erworben. Es ist zu
wünschen, daß auch das „Keilschriftlesebuch" bald neu erscheinen
möge.

Jena Rudolf Meyer

Galling, Kurt, Prof. D. Dr.: Textbuch zur Geschichte Israels. In Verbindung
mit Dr. Elmar Edel und Prof. Dr. Eugen L. Rapp hrsg. Tübingen:
J. C. B. Mohr 1950. VI, 89 S., 4 Ktn. DM 8.40.

Textbücher von der Art des vorliegenden Werkes gibt es
verschiedene, mit denen sich das neue Buch zum Teil deckt,
von H. Winckler 1909, H. Greßmann 1926, P. Thomsen 1926.
Etwa die Hälfte der hier gedruckten Texte ist schon in den genannten
Textbüchern veröffentlicht. Das ist kein Fehler; denn
die Bücher von Greßmann und Winckler werden jetzt kaum
aufzutreiben sein, so daß also das neue Textbuch eine empfindliche
Lücke ausfüllt. Es bietet dazu manches Neue, darunter
manches, was erst in den letzten Jahren gefunden worden ist,
so außer Auszügen aus den el-Amarna-Briefen Schriften und
Inschriften von Grabungen. Dabei hat Edel die ägyptischen
und Rapp die akkadischen Texte neu übersetzt, während der
Herausgeber die semitischen Texte bearbeitet und zu allen
Texten sachkundige Anmerkungen und Erläuterungen zum
besseren Verständnis geliefert hat. So ist das Textbuch ein
wertvolles Hilfsmittel für Seminarübungeu geworden. Auch
die vier auf einem Blatt am Schlüsse vereinigten Karten mit
ihrem Index sind eine dankenswerte Zugabe.

Allerdings fehlen in den Karten bei manchem Ortsnamen die diakti-
schen Punkte, und ganz vermisse ich es-säiihije (Dura-Europos am Euphrat).
Unschön ist das Wort „ediert" (S. III), und die „Orientalische Literatur-
reitung" muß in „Orientalistische L." verbessert werden. „RA" ist die übliche
Abkürzung für die Revue arch6ologique und wäre besser durch RASS zu ersetzen
.

Dresden Peter Thomsen

NEUES TESTAMENT

Dibelius, Martin f-. Die Reden der Apostelgeschichte und die antike

Geschichtsschreibung. Heidelberg: Winter 1949. 59 S. 8» = Sitzungsberichte
der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philos.-hist. Klasse
1949, l.Abhandl. DM4.20.

Martin Dibelius hat in seinen letzten Lebensjahren der
Apostelgeschichte besondere Aufmerksamkeit zugewandt. Zur
Zusammenfassung seiner Studien in einem Gesamtwerk ist er

nicht mehr gekommen. Den früher erschienenen Bruchstücken
(Paulus auf dem Areopag, SAH 1939, 43ff.; Die Apostelgeschichte
als Geschichtsquelle, Forschungen und Fortschritte
21—23, 1947, 7—9; Das Apostelkonzil, ThLZ 1947, 193—198;
Die Bekehrung des Cornelius, Conjectanea Neotestatnentica
11, 1948, 50—65) stellt sich nun diese Arbeit an die Seite, im
Unterschied von dem kürzlich erschienenen Paulusbuch nur
dem Datum nach ein posthumes Werk, aber schon 1944 in der
Heidelberger Akademie vorgelegt und noch ganz vom Verf.
für den Druck vorbereitet. Wie ihre Schwestern zeichnet sie
sich aus durch reiches Wissen, besonnen schürfende Kritik,
klare und flüssige Darstellung.

Wie an vielen Beispielen instruktiv gezeigt wird, empfindet
es die antike Geschichtsschreibung nicht als ihre Aufgabe
, die handelnden Personen nur reden zu lassen, sofern ihre
Worte als echt beglaubigt sind. Die vielmehr aus der Feder
des Schriftstellers stammenden Reden dienen dazu, Einblick
in die Gesamtlage, in die übergeschichtliche Bedeutung des
Augenblicks, in den Charakter des Redners oder in allgemeine,
mit der Situation öfter nur lose zusammenhängende Gedanken
zu vermitteln. Das klassische Beispiel hierfür ist Thukydides.
Die Spätzeit hat bei ihm die Vorbildlichkeit für den politischen
Redner vermißt. Sie pflegt mehr das epideiktische Genus oder
verfolgt rein literarisch-philosophische Zwecke. Immer aber
wendet sich die Redekomposition mehr an den Leser als an
die angeblichen Hörer. Sie will aus dem Ganzen des betr.
Werkes verstanden sein.

Diese Richtlinien sind auf die Reden der Apostelgeschichte
anzuwenden. Im ersten Teil seines Doppelwerkes gibt der Verf.
— wir nennen ihn „mit gutem wissenschaftlichen Gewissen"
Lukas — allerdings keine „Reden", sondern ein Mosaik aus
der ihm bereits geformt vorliegenden Tradition. Diese Erkenntnis
fällt für die Authentie der Jesusüberlieferung ins Gewicht
. Aber schon das Evangelium will nicht bloß Gemeinde-
vorlesungsbuch, sondern auch Privatlektüre für Gebildete
sein. In der Apostelgeschichte vollends erhebt Lk. literarische
Ansprüche. Und hier verfügt er als freier Schriftsteller über
einen bis dahin noch nicht geformten Stoff. Er will an ihm
dartun, daß der Lauf des Evangeliums durch die Welt gottgefügt
ist, legt aber als wirklicher Historiker im antiken Sinn
zugleich Wert darauf, sein Werk mit größeren und kleineren
Reden zu durchsetzen. Dabei ist es nicht seine Absicht, durch
Beleuchtung der Sache von verschiedenen Seiten her den
Leser zur Stellungnahme anzuregen. Selbst Act. 24 gibt dafür
keinen Anhalt. Achtet man auf die Bedeutung der Hauptreden
im Gesamtorganismus des Werkes, so wird ihr Sinn
deutlich. Die Areopagrede will das Zusammentreffen des Evangeliums
mit der griechischen Bildung in deren Zentrum schildern
: daher ihr stark philosophischer Charakter. Die Auffassung
der früheren Spezialarbeit, daß die Rede sich von dem
christozentrischen Kerygma der Briefe völlig löse und in die
Linie der Apologeten einlenke, hat gewichtigen Sukkurs durch
M. Pohlenz (Paulus und die Stoa, ZNW 42, 1949, 6gff.) erhalten
, scheint mir aber die Diskrepanz doch zu überspitzen
(vgl. mein Buch, Die Missionspredigt des Apostels Paulus,
1920, S. 64L, 83ff., i78ff., i86ff.). Die Rede in Milet erfüllt,
antik gesprochen, etwa den Zweck eines biographischen En-
komions und ist sowohl in der Selbstverteidigung wie in den
testamentartigen Bestandteilen weniger auf die Ältesten von
Ephesus als auf den Leser berechnet, will also statt auf ihre
Autheutie vielmehr auf ihre literarische Bedeutung (Abschied
des Paulus aus dem Osten!) geprüft sein. Auch hier würde ich
fragen, ob die zweifellos vorhandene literarische Absicht dem
geschichtlichen Tatbestande durchaus widersprechen muß.
Die Rede ist von Wirstücken umgeben, gehört vielleicht zu
einem solchen. Warum ist sie, wenn reine Komposition nicht
nach Ephesus verlegt? Die Rede auf den Stufen der Burg
Antonia trägt einige dem Leser noch unbekannte biographische
Daten nach und gibt im übrigen eine abschließende
Apologie der Heidenmission. Die vorzeitige Unterbrechung ist
ein bei Lk. öfter, gelegentlich auch bei antiken Autoren verwendetes
Kunstmittel. Aber daß das anfängliche Zuhören der
Menge nicht motiviert sei, ist nach Act. 21, 40; 22, 2 doch
kaum richtig. Die Corneliusperikope hat Lk. im Sinn der
Rechtfertigung der Heidenmission pointiert. Der schriftstellerische
Wille wird hier bis in die Einzelheiten deutlich.
Lk. hat also an vier wichtigen Wendepunkten des von ihm
dargestellten Geschehens Reden eingefügt, die die Bedeutung
des Augenblicks erhellen, und nähert sich damit der von Thukydides
begründeten Tradition.

Um so merkwürdiger dann, daß die Rede des Petrus im
Hause des Cornelius nicht auf den Beginn der Heidenmission
ausgerichtet ist. Verf. führt nun aus, daß die Missionsreden in
der Apostelgeschichte auf einem gemeinchristlichen Predigt-