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Ausgabe:

1951 Nr. 5

Spalte:

286

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Sellin, Ernst

Titel/Untertitel:

Einleitung in das Alte Testament 1951

Rezensent:

Weiser, Artur

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285

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 5

286

gesetzt wird. Der Vorschlag ist beachtenswert, aber Beweiskraft
läßt sich ihm nicht verleihen, da es an den dafür nötigen
Quellenbelegen fehlt.

Ein wenigstens flüchtiger Blick muß noch geworfen werden
auf die — eigentlich über den Rahmen des doch „Von
Joseph zu Josua" betitelten Buches hinausgehende, aber trotzdem
ziemlich ausführliche — Behandlung Abrahams, die
namentlich bei der zeitlichen Ansetzung dieser Gestalt lange
verweilt. Rowley entscheidet sich hier für das 17. Jahrhundert
V- Chr. und läßt sich dabei — abgesehen von dem uns überlieferten
genealogischen Schema, das Abraham, Isaak und
Jakob als Großvater, Vater und Sohn vorführt, und den für
diese Gestalten genannten Daten — von der freilich keineswegs
sicheren, aber doch nach wie vor möglichen Gleichsetzung
des Gen. 14 genannten Amraphel mit Hammurabi leiten. Merkwürdig
ist, daß von Isaak kaum die Rede ist. Gewiß gehört
er ebensowenig in den durch Joseph auf der einen und Josua
auf der anderen Seite begrenzten Zeitraum hinein wie Abraham
, aber wenn trotzdem von diesem so ausführlich die Rede
ist, sollte man erwarten, daß auch über Isaak einiges gesagt
würde, insbesondere darüber, ob er wie Abraham als Einzelpersönlichkeit
oder aber als Personifizierung einer kollektiven
Oröße aufzufassen ist und wie sich seine Verbindung mit südpalästinischen
Stätten — Beerlachajroi und Beerseba — zu der
lur die Südstämme angenommenen Einwanderung von Ka-
desch aus verhält, ob es sich hier um zwei Aspekte desselben
Vorgangs handelt oder ob, wie die Überlieferung will, tatsächlich
ein Nacheinander zweier verschiedener, aber ähnlicher
Vorgänge anzunehmen ist.

So bleiben auch nach Rowleys „Von Joseph zu Josua"
manche Probleme der Anfänge Israels ungelöst, und die Art
der uns für diese zur Verfügung stehenden Quellen bringt es
mit sich, daß völlige Einmütigkeit über die hier beschlossenen
Fragen niemals zu erwarten ist. Aber als kraftvoller und erfolgreicher
Versuch, alle für den in Betracht kommenden Zeitraum
zur Verfügung stehenden Nachrichten zu einer geschlossenen
Synthese zusammenzufassen, bedeutet Rowleys
Buch eine große Leistung, die — um nur diese Einzelheit zu
nennen — in der klaren Unterscheidung zweier nach Palästina
eingedrungener israelitischer Gruppen wohl jedenfalls ein für
die Dauer gültiges Forschungsresultat erzielt hat. Daher verdient
die am Schluß des Buches in Form einer Dateutafel mitgeteilte
Übersicht über seine Ergebnisse weite Verbreitung.
So lautet sie:

etwa 1650 v.Chr. Auszug Abrahams aus Harran

etwa 1440 v. Chr. Hebräische Oruppen in Kadesch, wo sie 38 Jahre weilen
und mit Kenitern und anderen Jahwe verehrenden Gruppen
bekannt werden

etwa 1400 v. Chr. Vordringen hebräischer Gruppen zusammen mit Kenitern
und anderen Elementen aus Kadesch nach Norden =
Habini der Armarna-Briefe

Gleichzeitiges Vordringen verwandter Gruppen, die Ascher,
Sebulon, Dan und andere Israelitische Stämme einschließen
, zusammen mit anderen Gruppen von Norden
her =. SA.GAZ der Amarna-Briefe

Simeon und Levi stoßen von Süden her gegen Sichern vor
vermögen es aber nicht zu halten
Während der folgenden beiden Jahrhunderte verstärken
Juda und andere südliche Stämme schrittweise ihren Einfluß
im Süden, und nördliche Stämme behaupten sich in
ihren Niederlassungsgebieten

etwa 1370 v. Chr. Joseph nach Ägypten gebracht in der Regierungszeit Ech-
natons, unter dem er zu hohem Amt aufsteigt

etwa 1360 v. Chr. Hebräer, namentlich solche, die Sichern nicht halten konn
ten, ziehen nach Ägypten

etwa 1300 v Chr. Bedrückung unter Ramses II. Hebräer zum Bau von Pi-
thom und Ramses herangezogen

etwa 1290 v.Chr. Geburt Moses

etwa 1260 v. Chr. Mose flieht zu Jethro, einem kenitischen Verwandten seiner
Mutter

•twa 1230 v. Chr. Exodus aus Ägypten unter Mose im Namen des kenitischen
Gottes Jahwe, Bund der Exodus-Stämme mit Jahwe und
Formulierung des ethischen Dekalogs
Nach kurzer Wanderung von zwei Jahren führt Josua
diese aus Ägypten gekommenen Stämme über den Jordan
in das mittlere Palästina, das sie in Besitz nehmen
Merneptah unternimmt einen Beutefeldzug nach Palästina
Halle/Saale Otto Eißfeldt

Sellin, Emst, Prof. d. Dr.: Einleitung in das Alte Testament. 8. Aufl.

Bearb. v. Prof. D. Dr. Leonhard Rost. Heidelberg: Quelle & Meyer 1950;
Leipzig: Harrassowitz (Lizenzausgabe a. d. Verlag Quelle & Meyer). XVI,
198 S. 8«. Kart. DM-Ost 7.75; geb. DM-Ost 8.— ; Lw. DM-West 9.80.

Mit sieben Auflagen (1910—1935) llatte sich das Bucl*
Sellins in weiten Kreisen eingeführt und durchgesetzt, daß
darüber kein Wort zu verlieren ist. Es ist das Verdienst von
Rost, es in einer neuen, fast durchweg auf den gegenwärtigen
Stand der Forschung gebrachten Auflage der Nachkriegs-
generation wieder zugänglich gemacht zu haben. Angesichts
der immer noch schwierigen Beschaffung der Literatur des
Auslands und der bewußt pietätvollen Bindung an das frühere
Werk eine entsagungsvolle und erstaunlich reichhaltige Arbeit,
die erkennen läßt, daß sich der Verf. selbständig mit den Fragestellungen
auseinandergesetzt hat. Im Vorwort ist das Lebenswerk
Sellins kurz und dankbar gewürdigt. Der form- und
gattungsgeschichtlichen Forschung wurde über die 7. Aufl.
hinaus ein besonderer Teil (S. 5-15) gewidmet, den man gerne
im Blick auf den in § 1 betonten theologischen Charakter der
Einleitungswissensch'aft nach dieser Seite hin noch ausgeweitet
und vertieft sehen möchte. Daß z. B. die Visionserzählungen
der Propheten unter der Rubrik „eigentliche Geschichtsschreibung
" erscheinen, dürfte auf einer Überschätzung
der äußeren Form beruhen, die der Sache nicht gerecht
wird. Man wird es dem Verf. nicht verdenken, daß er da,
wo er sich auf eigene Forschungen bezieht, ausführlicher wird
als sonst (z. B. bei den Samuelbüchern). Daß die neuere Fragestellung
der Entstellung der Pentateuchquellen im Zusammenhang
mit dem Kult nicht berücksichtigt ist, empfindet man
um so mehr als Lücke, als R. der Frage des kultischen Einflusses
auf die Gestaltung der Pentateuchtradition durchaus
aufgeschlossen ist. Auch bei den Psalmen hätte sich die Auseinandersetzung
mit den neueren Forschungen wohl noch fruchtbarer
gestalten lassen.

Doch neben solchen kritischen Bemerkungen zu den verschiedenen
Einzelproblemeu, die noch manche Frage offen
lassen, erhebt sich eine allgemeine grundsätzliche Frage, die
die Gesamtanlage des Werkes betrifft und in zunehmendem
Maße schon bei den letzten von Sellin selbst besorgten Auflagen
sich aufdrängte: Wird durch die immer wiederholten
Einarbeitungen neuerer Problemstellungen und Hypothesen
nicht der ursprüngliche Rahmen eines „kurzgefaßten Lehrbuchs
" zur Einführung in das AT gesprengt, so daß man zwar
das Buch reiferen Studenten mit gutem Gewissen empfehlen
kann, aber es nur mit Zögern in die Hand des Anfängers zu
geben wagt ? Unter der fast verwirrenden Fülle der Detailfragen
in der Form einander widerstreitender Auffassungen
leidet das Gesamtbild. Hier dürfte die Pietät doch wohl zu
weit gegangen sein. Rost hätte vielleicht besser daran getan,
ein ganz neues Buch zu schreiben mit zügigerer und plastischerer
Darstellung der großen Linien, wobei die Sache noch
stärker hervorgetreten wäre als die Namen der Vertreter einzelner
Meinungen, und es dem Anfänger erleichtert hätte, sich
durch die Stoffülle hindurchzufinden.

Für eine Neuauflage wäre es wünschenswert, wenn der bereits in mehreren
Bänden vorliegende Kommentar „Das Alte Testament Deutsch" in dem Verzeichnis
der Kommentare Erwähnung finden und dort die verschiedenen
aus der 7. Aufl. noch stehengebliebenen Irrtümer auf S. XIVf. beseitigt
würden.

Tübingen Artur Welser

Ungnad, Arthur: Grammatik des Akkadischen. Mit Übungsbuch (in

Transkription). 3., durchgearb. Aufl. der Babylonisch-Assyrischen Grammatik
. München: Bledcrstein 1949. XII, 207 S. 8' - Clavis Llnguarum semi-
ticarum Pars II. Lw. DM 14.—.

Mit dem Wiedererscheinen der Grammatik des hochverdienten
Assyriologen A. Ungnad (f 26. 4. 1947) ist eine empfindliche
Lücke auf semitistischem Gebiete geschlossen. Schien
es zunächst, als sei die noch von U. besorgte Neuauflage teils
im Satz und teils im Manuskript den letzten Kriegstagen zum
Opfer gefallen, so ist es dennoch dem Herausgeber M. San
Nicolö im Verein mit Pfarrer Hess-Bufleben/Thür. und dem
keine Kosten scheuenden Verlage gelungen, die Neufassung im
Sinne U.s posthum herauszubringen.

Rein äußerlich gesehen hat sich bei völlig gleichem Aufbau
nur wenig geändert. Aber bei näherem Zusehen spiegelt
sich allenthalben die moderne Forschung. Dies zeigt sich zunächst
in der Chronologie (S. 4L). Die 2. Aufl. (1926) setzte
die Regierung Sargons I. als die Periode der ältesten akkadischen
Sprachdenkmäler um 2800 an, die 3. Aufl. richtiger
um 2350. Für Chammurapi war als Stichjahr 2050 angesetzt,
während jetzt als Regierungszeit von U. 1792—1750 errechnet
ist, ein Datum, das nach dem neuesten Forschungsstand auf