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Ausgabe:

1951 Nr. 4

Spalte:

245-246

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bieder, Werner

Titel/Untertitel:

Grund und Kraft der Mission nach dem 1. Petrusbrief 1951

Rezensent:

Schlunk, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 4

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nicht zu weit gefaßt ist, um dem besonderen Werk der katholischen
Heidenmission Ausdruck zu verleihen, sei gefragt. Das
Anliegen selbst kommt in den Aufsätzen klar zum Ausdruck.
Es seien folgende Beiträge genannt: I. Gewieß, Die Bekehrung
nach dem Neuen Testament; Th. Ohm, Das Christentum und
die Religion Asiens; H. Haugk, Islam und Christentum in
Indonesien; G. Frei, Ostliche und westliche Meditationen. Berichte
über „Die katholische Missionswissenschaft an deutschen
Universitäten", aus dem Leben des Katholischen Akademischen
Missionsbundes, über den Kongreß für studentische
Missionsarbeit in Löwen 1948 und ,,Aus der katholischen akademischen
Missionsbewegung Kuropas" lassen eine bemerkenswerte
Regsamkeit in den Kreisen erkennen, denen das Jahrbuch
dienen will. Kurznachrichten aus der katholischen Welt-
mission und Besprechungen katholischer Missionsliteratur
bilden den Abschluß.

Tübingen Rosenkranz

Bieder, Werner: Grund und Kraft der Mission nach dem 1. Petrusbrief.

Zollikon-Zürich: Evang. Verlag 1950. 30 S. 8» = Theol. Studien, hrsg. v.

Karl Barth. H.29.

Wie der Blick auf die Mission das Verständnis des Neuen
Testamentes und umgekehrt eine eindringende Schriftauslegung
das Verständnis der Mission in der Urkirche fördert,
zeigt das kleine Heft von Werner Bieder am 1. Petrusbrief, der
meines Wissens bisher kaum unter diesem Gesichtspunkt behandelt
worden ist. Der Verf. versteht den Brief als pseud-
epigraphische Schrift aus dem Anfang des 2. Jahrhunderts.
Aber seine Untersuchungen bleiben wertvoll und gültig auch
bei anderer Zeitansetzung und wären m. E. sogar auf Judenchristen
anwendbar, die auf ihr vorchristliches Wesen zurückblicken
als auf eine Zeit der Heillosigkeit, der Unwissenheit
und der Auflehnung gegen das Evangelium von Jesus Christus.
Der stille Wandel der Frauen ohne Wort, also die in Leben umgesetzte
Predigt des Evangeliums wird zu einer gnädigen
Heimsuchung Gottes, der die Fremdlinge und Beisassen in die
Heimat führt. Auch als Christen bleiben sie ständig in der Gefahr
der Versuchung. Aber der Blick auf die Taufe hält sie bei
dem Christus, der erschienen ist am Ende der Zeiten und erscheinen
wird als Oberhirte am Ende der Tage. Nur von ihm
erhält die Taufe ihre lebenspendende Kraft, die aus dem Bereich
des Fleisches, der Mächte und Gewalten in den Bereich
des Geistes und Gottes selbst versetzt. Von hier aus wird der
Sinn der Taufaussagc und die Bedeutung der Taufe für die
Getauften entwickelt: Christus, der Herr über alle Gewalten
bindet seine Gemeinde mit sich zusammen und schafft sie zur
missionierenden Gemeinde.

Genaue Kenntnis der Geschichte der Auslegung des
Briefes und eindringende Durchforschung aller Zusammenhänge
machen die anregende, oft eigene Wege gehende Studie
zu einem wertvollen Baustein für das biblische Bild der Mission.

Tübingen M. Schlunk

BERICHTE UND MITTEILUNGEN

Adolf v. Harnack

7. Mal 1851 — 10. Juni 1930
Die 100. Wiederkehr des Geburtstages von Adolf Harnack wird voraussichtlich
kaum durch besondere Feiern begangen werden. Wir sind der Gegenwart
und ihren Nöten zugewandt. Und die Ereignisse der zwanzig Jahre seit
Adolf v. Harnacks Tode haben ja auch so gründlich wie möglich das Band zur
^ergangenhcit durchschnitten, nicht nur im weltlichen, sondern auch im theologischen
und kirchlichen Bereich. Bereits zu Harnacks Lebzeiten war bei nicht
Wenigen unter dem Eindruck der neuen Fragestellung der dialektischen Theo-
'°gie der Eindruck entstanden, dali das Anliegen Harnacks überholt sei und er
den jüngeren Theologen nichts mehr zu sagen habe. Zwar war die Bedeutung
seines Lebenswerkes für die Erforschung der Geschichte des Christentums
"'cht abzustreiten, aber gerade die historische Fragestellung war es ja, welcher
^nehmend die Kritik galt. Um wie viel mehr müßte Harnack uns Heutigen
der Vergangenheit angehören.

Ist es wirklich so? Ohne alles Zutun von außen her, ohne Berücksich-
igung des heraufziehenden Jubiläums, sondern vielmehr ganz aus der Sache
neraus sind in den letzten Monaten zwei Veröffentlichungen erschienen, welche
dem aufmerksamen Beobachter nur das bestätigen, was er dem jetzt heranwachsenden
Thcologcngeschlecht längst abgespürt hat. Eine Wandlung belltet
sich vor. Wie das Neue aussehen wird, wenn es Gestalt gewonnen hat,
kann noch niemand sagen. Ob es die „alten liberalen Anliegen" sein werden,
die sich „bald mit ganz neuer und wie durch die lange Pause ausgeruhter Kraft
Und Radikalität von neuem stellen", wie das in einem.offenen Brief behauptet
Worden ist, Ist noch die Frage. Denn nichts kann wiederholt werden. Nur
«ritisch verarbeitet und in neuer Gestalt kann das Anliegen der Vergangenheit
Wieder aufgenommen werden, wenn es fruchtbar wirken soll. Darauf weist
Rj Bultmann in seinem Vorwort zur kürzlich erschienenen Neuauflage von
Harnacks „Wesen des Christentums" mit Recht hin (Ehrenfried Klotz-Verlag,
Stuttgart 1950, 22, 186 S., Kart. DM5.60; Hlw. DM 7.20). Aber Bultmann
Scl>rcibt zugleich auch: „Zu Jenen .Andern', die nicht tot, sondern lebendig
*'nd, gehört auch A. Harnack". Er kennzeichnet jene Schrift, welche vor
50 Jahren der Schrecken der amtlichen Kirche und der theologischen Orthodoxie
war, als einen „Beitrag zur aktuellen theologischen Diskussion". Wie

e't die Neuauflage des „Wesen des Christentums" sich auswirken wird, bleibt
abzuwarten. Charakteristisch ist ihr Erscheinen jedenfalls, und charakteristisch
W auch, daß gerade jetzt die Biographie, welche Agnes von Zahn-Harnack
"rem Vater 1936 widmete, in neuer Auflage erschienen ist (Adolf v. Harnack,
* verb. Aufl., Verlag W. de Oruyter & Co., Berlin 1951, 8«, 453 S., DM 16.80).

■mint man hinzu, daß der Verlag de Gruyter einen Auswahlband aus den
£eden und Aufsätzen vorbereitet, daß im selben Verlag (In den „Arbeiten zur
"vrchengeschlchte") eine Fortsetzung der Kleinen Schriften Harnacks geplant
daß der Verlag J. C.HInrichs eine Neuauflage des Harnackschen Marcion-

Uches erwägt, so festigt sich der Eindruck, daß wir vielleicht nicht vor einer

arnackrenaissance, wohl aber vor einer Wiederkehr der Fragen stehen, welche
eln<= Zeit bewegt haben.

Die Theologische Literaturzeitung Ist eine Schöpfung Harnacks. (Zwar
j^nK der Vorschlag zu ihrer Gründung von Schürer aus, aber Harnack stellte

dem Kreis, welcher die Literaturzeitung trug, die entscheidende Kraft dar.

r nat auch längere Zeit hindurch Ihre Redaktion geführt.) Schon deshalb ist

sie in besonderem Maße berufen, seiner aus Anlaß des 100. Geburtstages zu
gedenken. Sie tut das nicht in der Form eines neu geschriebenen Leitaufsatzes —
es fehlt der Raum für eine genügende ausführliche Würdigung, und es fehlt
auch der Gelehrte, welcher sie mit der notwendigen Vollmacht schreiben
könnte. Sondern sie tut das bewußt im Rückgriff auf zwei Gedenkreden, welche
vor 21 Jahren bei der Gedächtnisfeier für den Heimgegangenen gehalten wurden
. Hans Lietzmann und Dietrich Bonhoeffer waren die Theologen, die damals
des Verstorbenen und seines Werkes gedachten, der eine als vollberechtigter
Nachfolger, der andere als Vertreter der jungen Theologenschaft und der
Schüler Harnacks, der eine als Geistesverwandter, der andere als Sprecher des
Neuen, das sich damals Bahn gebrochen hatte und doch als Zeuge dafür, wie
das Erbe Harnacks auch in dem Neuen mitwirkte und Frucht trug. Beide
damaligen Redner sind tot. Ihre Gedenkworte sind an verborgener Stelle veröffentlicht
worden und fast vergessen. Schon deshalb ist ihr Wiederabdruck
berechtigt, aber nicht nur deshalb. Sondern noch heute gilt, was damals gesagt
wurde: die Darstellung des Lebens (trotz mancher zeitbedingter Einzelheiten
in der Formulierung) und die Bezeugung der Wirkungsmöglichkeit des
Theologen und der theologischen Arbeit Adolf Harnacks. A.

Hans Lietzmann: Leben und Werk Harnacks

Adolf v. Harnack ist tot. Das Feingefüge seines Körpers hat den gewaltigen
Anforderungen, die sein unermüdlicher Geist an ihn stellte, zuletzt
den Dienst versagen müssen und ist zerbrochen. Aber was heißt hier „tot"?
Harnack ist, wie Karl v. Hase es einst so fein formuliert hat, von einer Form
der Unsterblichkeit in die andere übergegangen. Wir reden hier nicht vom Tod,
sondern vom Leben, nicht vom Körper, sondern vom Geist, nicht von Vergänglichem
, sondern von dem, was unsterblich ist. Harnacks Leben ist nun
Geschichte, und vor dem Gott, der in der Geschichte waltet und dem die Jahrtausende
sind wie ein Tag, sind auch diese 79 Jahre wie ein Tag — der nun
vergangen. Die Sonne ist hinabgesunken Ith Westen, und wir stehen im dämmernden
Schatten und schauen in weiter Ferne ihr Licht auf den höchsten
Firnen verglühen und im unendlichen Himmelsraum zerstieben. Ein sonnenheller
Tag ist vergangen, reich an Grünen und Blühen, Reifen und Ernten.
Nun ist die Stunde, da wir unseren Blick zurückschweifen lassen über die
durchmessenc Bahn, nicht in Trauer um Verlorenes, sondern in dankbarer
Freude über Großes und Unverlierbares, was uns allen dies reiche Leben beschert
hat.

Wir sehen den Knaben heranwachsen unter ehrwürdigen Gestalten aus
längst verklungener Zeit1: In den Straßen von Erlangen grüßt er scheu den
alten Professor Koppen, der noch Friedrich II. erlebt hatte. Und den
elfjährigen Buben nimmt der Rektor Döderlein aufs Knie, well er Schillers
Taucher so gut aufsagen konnte, und erzählt ihm, daß er selber einst in Jena
so auf Schillers Knie gesessen und aus des Dichters eigenem Munde den Taucher
gehört habe. So spürt das Kind über Raum und Zeiten hinweg den Hauch der
Geschichte.

Als er 15 Jahre alt ist, verläßt die Familie Erlangen wieder und kehrt in
die Heimatstadt Dorpat zurück, die den Jüngling in solider Zucht vortrefflich

') Vgl. A. v. Harnack, Meine Zeitgenossen aus dem 18. Jahrhundert,
In Velhagen & Klasings Monatsheften, 44. Jg. 1929/30, 1. Bd., S. 41—45.