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Ausgabe:

1951 Nr. 4

Spalte:

242-243

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Daniel-Rops, Henri

Titel/Untertitel:

Jenseits unserer Nacht 1951

Rezensent:

Quaatz, Reinhold G.

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr- 4

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Wehen Existentialisten in einem besonderen Abschnitt behandelt
werden können). Uberhaupt läßt das Werk — z. B. im
Abschnitt A, in dem zuerst die Engländer, dann der Amerikaner
Dewey, zuletzt wieder Engländer zu Worte kommen —
eine stärkere Aufgliederung in Unterteile vermissen, wie sie
uns aus den Büchern der deutschen Philosophen geläufig ist,
die, wenn sie auch in der jüngsten Vergangenheit von einem
geschlossenen System absehen, in ihren Werken Systematiker
sind und bleiben (z. B. Jaspers, Von der Wahrheit). Nur nebenher
sei schließlich angemerkt, daß die Verwendung des Buches
als einer Geschichte der neuesten Philosophie sehr gefördert
würde, wenn bei den verstorbenen Philosophen das Todesjahr
und für die besprochenen Quellen ohne Ausnahme das Erscheinungsjahr
angegeben wäre.

Wenn wir nun doch zu einigen Beanstandungen uns veranlaßt
gefühlt haben, so soll diese Kritik keinesfalls den Wert
dieses Buches herabsetzen. Es gibt ja schlechterdings kein
Buch, das nicht Wünsche offen ließe. Man legt R.s Arbeit mit
Kroßem Dank gegenüber dem verstorbenen Verf. aus der
Hand. Er hat seine reiche Kenntnis der zeitgenössischen Philosophie
, namentlich die der weniger bekannten Angelsachsen,
auch uns vermittelt und jedem, der nicht gerade Spezial-
stiulien treibt und deshalb auf die Quellen aus erster Hand
angewiesen ist, die mühsame Kleinarbeit abgenommen, die der
'eisten muß, der sich über die jüngsten Erscheinungen „auf
dem Laufenden" halten will.

Leipzig Walter Schönfelder

Pfänder, Alexander: Philosophie der Lebensziele. Aus dem Nachlaß
nrsg. v. Wolfgang Trillhaas. Güttingen: Vandenhoeck <Sr Ruprecht 1948.
•>8 S. gr. 8°. Kart. DM 9.80; geb. DM 12.—.

Wolfgang Trillhaas hat 1948 aus dem Nachlaß die Vorlesung
(jgg jg^j verstorbeneu Phänomenologen Alexander
1 'ander herausgegeben.

Pfänder beginnt mit einem einleitenden Überblick über die Fragestellung:

* geht davon aus, daß der Mensch immer auf Ziele gerichtet ist, auch wenn
d'esc ihm nicht zum Bewußtsein kommen, sondern scheinbar in einem „dunk-
en Drang" unbewußt bleiben. Gemäß der phänomenologischen Methode will

r sich bemühen, die Lebensziele aus dem Verhalten der Menschen zu erkennen,

• ■Wenn wir ihr wirkliches Leben betrachten" (7). Dann geht Pfänder zu einer
Kemeineii Ziellehre über. Dabei werden verschiedene Arten von Zielen unterschieden
: End- und Durchgangsziele, transitive und reflexive Ziele, positive und
negative Ziele, Wunsch- und Wirkungsziele. Diese Ziele können sich im einzelnen
überschneiden und decken. Der Hauptabschnitt des Buches behandelt
as Thema „Die Lebensziele des Menschen." Pfänder geht dabei von einer
reiteilung des Menschen in Körper, Seele und Geist aus. Darin kommt die
anthropologische Grundhaltung des Buches zum Ausdruck. Nach einer kurzen
rachlung der Zielsetzung des Menschen als Lebewesen werden die Ziel-
e Zungen des Menschen als leibliches Wesen abgehandelt. Die Ziele des Leibes
die: sich einen bestimmten Leib zu gestalten, sich zu erhalten als leibliches
cn' s'ch fortzupflanzen und den Leib zu einem geschickten Diener der
e ischen Persönlichkeit zu gestalten. Die Seele wird als eigenes unkörperliches
esen behandelt; sie Ist In den Leib eingebettet, ist aber dennoch ein eigenes
esen; das geht aus den ihr eigenen Zielsetzungen hervor. Diese Zielsetzungen
(.erden '"' einzelnen beschrieben. Dabei liegt ein Begriff der Seele vor, der die
ee e als Richtung auf alle persönlichen und überpersönlichen Lebensziele hin
anstellt, bis hin zur Religion. Die Seele Ist zielhaft gerichtet auf die Außenelt
, auf das eigene Ich und auf Gott. Der wertvollste Teil ist der, in dem
*nder die Zielrichtungen des geistigen Lebens darstellt. Geist und Seele
eilen eine Einheit dar; dabei ist der Geist nicht nur der Verstand oder die
enkendc Seele. Einen ersten Wegweiser gibt der Ausdruck vom Geist als
ku tlichem Panklein der Seele, dem Pfänder allerdings fälschlich Paracelsus
uschreibt (der Ausdruck gehört schon In das Spätmittelalter, vor allem in die
^eologie der deutschen Mystiker). Die Seele Ist immer durchdrungen vom

* eist. „Unter den erkennenden Gclstcsregiingcn des Menschen finden wir nicht

r begriffliche, sondern auch anschauliche Geistesregungen . . . Außer den

■ OUtenden Regungen finden wir auch Gefühlsregungen; darum Ist der Geist
unt ei" crl<cnncndes' sondern auch ein fühlendes Wesen. — Wir finden

er den Geistesregungen auch Willensregungen. . . . Dieser Geist ist also zu

erkCh aüCh WHle Und betatlgt sicn nach allen dfei Seiten____Weiter ist zu

k en"en. daß der menschliche Geist ein reflexives Wesen Ist" (120). Der Geist
auf <lie Seele wirken, wie diese auf den Leib wirkt. Ebenso bedarf abe
wj der Geist der Seele wie die Seele des Leibes. Sehr wesentlich sind auch die
« ussagen über die Freiheit des Geistes. Dies wird ausgeführt in dem Abschnitt
er die geistige Individualität. Der Oeist Ist restlos gebunden durch das
run<,wcsen des Oelstes; dieses besteht darin, daß der Oeist sich als Geist
'alten muß; wie er diese Gestaltung gegenüber all den Faktoren, in die er
Fmh estcllt ist' Leib' Scele' Außenwelt und Oott, gestaltet, dies ist seine
f Daraus entsteht das empirische Wesen des Geistes. Der Geist ist nicht

■ ■ ach Teil des göttlichen oder absoluten Ödstes, sondern er ist Individualität,
9 er in der Verbindung mit dem gottlichen Geist. Er will nicht nur Oottes inne

erden, er will sich auch mit ihm liebend einen. Darin, daß er zu seiner Selbst-
mmung kommt, erfüllt der Oeist Oottes Willen; dies bedeutet, daß er

autonom und theonom zugleich ist und daß damit das Gottesverhältnis keine
Heteronomie bedeutet. An diese Untersuchung schließt Pfänder noch die Frage
dach dem Wert der Lebensziele an. Von einer Pyramide der Werte her werden
mich die Ziele des Menschen entsprechend eingeordnet. „Da alle geistigen
Grundwesen miteinander, mit Gott und mit allen anderen Wesen metaphysisch
zusammenhängen, und die Entfaltung jedes einzelnen geistigen Grundwesens
notwendig zusammenhängt mit der Entfaltung aller anderen Wesen, so können
wir es auch als das höchste Lebensziel des Menschen bezeichnen, für die Entfaltung
des eigenen Geistes im Zusammenhang mit der Entfaltung aller anderen
Grundwesen ohne Schädigung irgendwelcher Grundwesen mit allen Kräften
tätig in der Welt zu wirken" (181). Pfänder schließt sein Buch mit einem kurzen
Kapitel: Das eigene Lebensziel. „Auf die Frage also: warum soll ich mir dieses
höchste Lebensziel setzen?, lautet die Antwort: weil du es im Grund selbst
willst; weil der ewige, unzerstörbare Grundwille deines geistigen Grundwesens
es will; denn diesem Willen kannst du dich nicht entziehen, von dessen Gnaden
du als geistiges Zentrum selbst lebst" (186).

Pfänders Buch enthält eine Fülle von Sichten in enier
ganz einfachen und anschaulichen Form. Hat man während
der Lektüre, vor allem bei dem Abschnitt über die Seele,
manchmal den Eindruck einer fast unübersichtlichen Fülle, so
faßt er die Gedanken üi den Abschnitten über den Geist zu
einer klar umrissenen Anthropologie zusammen. Daß er nicht
nur rein beschreibend verfahren will, beweist die sehr wichtige
Untersuchung über die Werte und der stark ethische Ausklang
des Buches. Selbstverständlich bleiben auch in diesem umfassenden
Buch noch Fragen offen. Nicht nur die Todesfrage,
auf die schon Trillhaas in der Einleitung hinweist, auch die
Sinn- und Wahrheitsfrage und die Frage des Bösen bleiben
letztlich außerhalb der Betrachtung, obwohl sie meines Erachtens
auch in einer Untersuchung über das Problem der
Lebensziele hineingehörten. Dennoch kann dieses Buch als
ein sehr reifes und weitschauendes Werk jederzeit empfohlen
werden; was ihm teilweise an wirklicher Problematik fehlt,
ersetzt es durch große Blickweite und die Gründlichkeit der
phänomenologischen Untersuchung.

Leipzig Hans Köhler

Daniel-Rops: Jenseits unserer Nacht. Ein Christ vor der Technik

Aus dem Französischen übersetzt von Hans Broemser. Mainz: Matthlas
Orünewald-Verlag 1948. XIII, 144 S. 8«. Hlw. DM2.20.

Was an dem schmalen Band von vornherein fesselt, ist
die Prägnanz des Ausdruckes. Der Verf. sagt viel in wenig
Worten. Das Thema ist das Problem der Technik, vor dem
wir alle stehen, das namentlich die Jugend fesselt, der Technik
, die — als Dienerin des Menschen gedacht — seine Herrin
geworden ist. Von hier aus wird die Problematik der Wirtschaft
überhaupt aufgerollt, und zwar aus der christlichen
Sicht. Allein dieses Beginnen sichert dem Unternehmen die
Teilnahme denkender Menschen.

Dazu kommt die Kühnheit, mit der der Verf. vorgeht.
Er ist Katholik, das zeigt sich in seinem ganzen Gedankengang
; aber als echter Christ wendet er seine Kritik nicht nach
außen, sondern nach innen gegen die eigene Haltung, nämlich
„die verbreiteste Haltung der Katholiken", die er mit „Unwissenheit
und Interesselosigkeit" kennzeichnet. Demgegenüber
sagt er (S. 90):

„Die Verantwortung des Christen gilt nicht nur in der
Ordnung des Gefühls allein, sondern auch in der Ordnung des
Geistigen. Es versteht sich von selbst, daß es unumgänglich
ist, nach dem Evangelium zu leben, aber die Welt muß auch
vom Worte her gedacht, die Lösungen, die — geschichtlich gedacht
— notwendig sind, müssen wir vorher sehen und in
christlicher Sprache formulieren."

Das mag manchem „katholisch gedacht" erscheinen: Wer
aber denkt hierbei nicht an die Barmer Thesen von 1934, nach
denen Christus Gottes kräftiger Anspruch an unser ganzes
Leben ist und es keine Bereiche unseres Lebens gibt, in denen
wir nicht Jesus Christus, sondern andern Herren zu eigen
wären . . .". Die Formulierungen der Wissenschaft trennen, die
Forderungen des Lebens aber, vor die uns der Allmächtige
stellt, verbinden uns in gemeinsamen Gehorsam. Was der Verf.
will, drückt etwa auch die Forderung William Temples nach
einer evangelischen Soziologie aus. Von solcher umfassenden
Sicht her stößt Daniel-Rops vor. Das Grundproblem sieht er
in dem Verhältnis von Technik und Gesellschaft. Es geht
darum, der Maschine wieder ihren rechten Platz anzuweisen.
Die Soziologie und die Ökonomie der Maschine, — so meint
er — stecken noch in den Kinderschuhen, während die Maschine
selbst eine hohe Vollendung erreicht hat, — eine Bemerkung
, die kaum bestreitbar ist. Wir müssen als Christen
Stellung nehmen zur Technisierung unseres Lebens.

Von hier aus nun wird die innere Verflechtung zwischen
Maschinenwesen und Kapitahvirtschaft und ihre Folgen unter-