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Ausgabe:

1951 Nr. 4

Spalte:

238-241

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

De Ruggiero, Guido

Titel/Untertitel:

Philosophische Strömungen des zwanzigsten Jahrhunderts 1951

Rezensent:

Schönfelder, Walter

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 4

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ganz hinter dem Werk zurücktreten, ganz nur ein Glied seiner
städtischen Missionsgemeinde hat sein wollen. Wieviel seelsorgerliche
Weisheit, wieviel gütige Geduld und unerschöpfliche
Liebe er dabei noch immer mit in die Waagschale werfen
konnte, wissen die Männer und Frauen der Berliner Stadt-
Mission am besten. Davon zeugen auch Briefe, die er, als ihn
der Krieg und sein Ende in ein Dorf in der Nähe von Kassel
verschlug, von dort aus nach Berlin gerichtet hat. Rückschlüsse
auf persönliche Erlebnisse lassen sich nur schwer
ziehen; immer sind es ähnlich wie in den geschichtlichen Bänden
Prägen des Lebensgesetzes der christlichen Gemeinde, von
denen diese Briefe eines im Leben gereiften Seelsorgers erfüllt
sind.

Soeben ist nun auch ein weiteres Buch von Schnepel erschienen
, das sich diesmal ausdrücklich der biblischen Exegese
widmet, freilich wieder unter den besonders zeitnahen Voraussetzungen
, die sich aus der inneren Lebendigkeit der Berliner
Stadtmission ergeben. „Christus - das alleinige Fundament für
Glaube, Kultus und Leben" ist die Überschrift, unter der
Pfarrer Schnepel „eine grundsätzliche Besinnung auf Grund
des Kolosser-Briefes" darbietet. Kennzeichnend für die ihn
und seine Freunde bedrängenden Fragen ist das Vorwort, das
licht von Fragen der wissenschaftlichen Exegese, sondern von
•.•Gedanken zur inneren Lage in Deutschland" ausgeht. Wir er-
"ineru uns an die Aussagen des Kolosser-Briefes über die Engel
und über die Vollkommenheit in Christus, die auf den ersten
"Ück so wenig mit der Rechtfertigungslehre des Apostels zusammenzustimmen
scheinen. Die Betrachtungen Schnepels
öffnen uns den Blick dafür, daß es im Neuen Testament, nicht
7-uletzt im Kolosser-Brief, noch ungehobene Schätze zu bergen
8'lt und daß der Christenheit weitere hoch bedeutsame Entdeckungen
bevorstehen, die in geheimnisvoller Wechselwirkung
mit den äußeren Schicksalen zusammenhängen, denen
diese Christenheit von Jahr zu Jahr ausgesetzt ist.

Stuttgart Herbert Krimm

Hagen, August: Gestalten aus dem schwäbischen Katholizismus.

'•Teil. Stuttgart: Schwabenvcrlag [1948J. 387 S. kl. 8°. Kart. DM7.—.
Zwölf biographische Skizzen schwäbischer Katholiken,
uieist Theologen des vorigen Jahrhunderts. Man begegnet
J- N. Bestlin, dem Mitbegründer der Ellwanger katholischen
Fakultät, J. A. Möhler, J. B. Ilirscher, Fr. Aug. Schmid, dem
ersten Missionar der Diözese Rottenburg, Karl Lichtenstein,
Andreas Manch, F. Rieß, dem Publizisten und späteren
***Uiten, Anton Oehler, dem ersten Generalvikar der Diözese,
W. Mattes, Prof. in Hildesheim, Rudolf Probst, dem katho-
*Scn-liberaleu Reichstagsabgeordneten, Ferd. Propst, dem
5>reslauer Liturgiker, und Eduard Vogt, Regierungsdirektor
I1 Stuttgart. Die Auswahl ist einigermaßen zufällig, bestimmt
<jUrch vorhandene Vorarbeiten und das erreichbare Material,
j.le Sprache und die Darstellung, der Bestimmung des Buches
ur die weitesten Kreise entsprechend, sehr einfach, zuweilen
gewollt populär. Der kirchliche Standpunkt des Verf.s hindert

lcnt eine große Milde in der Beurteilung der Vergangenheit,
besonders deutlich bei der Darstellung Hirschers, bei der Schil-

erung der politischen Tätigkeit Mauchs oder Lichtensteins im
Jant" 1848, oder wenn ohne Kritik mitgeteilt wird, daß der
at ,.r Mauch die Messen an Jahrtagen zwar gelesen, aber nicht
appliziert habe (S. 156). Das Buch bietet keine neuen Erkennt

sse_ gjj^ akcj. emen guten Einblick in die Geschichte der
j '°zese Rottenburg und die Überwindung des Rationalismus
Tn • ('ie katholische Restauration; auf die Geschichte der
Str ■m?c'r katholischen Fakultät fallen zuweilen interessante
s . CI''ichter. Die eigentümlich liberale und zugleich grund-
| r°ue Atmosphäre dieses schwäbischen Katholizismus
in 1 'Sollr eindrücklich. Wertvoll sind die Quellennachweise ,
denen ein großes Material zusammengetragen ist.
Bo"n E. Bizer

e, Mari,,: Frauengestalten um Christus. Hamburg: Reich & Heidricli
"y4°l- 45 S. kl. 8°. DM 1.40.

j£v ~** Büchlein stellt sorgfältig alles zusammen, was die
£i*~J8eHen von Frauen zu sagen wissen: von Frauen, die
d,.,! . us nahestanden, die ihm nur einmal begegneten, von
sieht"- °r 'U semcn Gleichnissen spricht usw. Eine solche überseht
dankenswert, mancher Bibelleser wird mit Erstaunen
Fra,, wie stark die von Jesus ausgehende Bewegung auch die
wird 1 eJ?riffen llat- Auch für eine Bibelarbeit mit Frauen
uiuii a „ eme Buch Dienste leisten können. Andrerseits wird
au .r°n Wunsch aussprechen dürfen, daß bei einer Neuauflage
AuS(i.? stelle einer uns heute befremdenden psychologischen
■utung eine nüchternere Bibelauslegung treten möchte.
Berlin Mgd. von Tiling

PHILOSOPHIE und RELIGIONSPHILOSOPHIE

Ruggiero, Guido de: Philosophische Strömungen des 20. Jahrhunderts
. Mit einem Nachwort v. Professor Erich Rothacker. Köln: Schaffstein
1949. 292 S. 8«. Lw. DM 9.50.

Das Werk des 1948 verstorbenen italienischen Philosophen
R. ist eine Sammlung von Veröffentlichungen über die jüngste
europäische und amerikanische Philosophie, die dieser Mitarbeiter
Croces in dessen Zeitschrift „La Critica" publiziert
hat. Es ist in erster Auflage 1933, in dritter 1946 erschienen
und liegt nun in guter deutscher Übersetzung vor.

Das Buch behandelt zunächst (S. 7—59) die in Deutschland
wenig bekannten englischen Realisten G. Alexander,
Alfred North Whitehead, Russell, Broad u.a., in einem längeren
Kapitel den bedeutenden (in Spanien geborenen) Sau-
tayana. Daß auch der Idealismus der neuesten englischen Philosophie
nicht fern liegt, zeigt (S. 81—94) der Epigone Hegels
Bailie, vor allem aber R. G. Collingwood mit seiner Lehre von
den dialektischen Beziehungen der fünf Stufen geistiger Tätigkeit
(Kunst, Religion, Wissenschaft, Geschichte und Philosophie
als letzter und höchster Stufe). Unter den Amerikanern
ist uns John Dewey als Pädagoge wohlbekannt; sein lustru-
mentalismus, eine Art idealistischer Ausprägung des amerikanischen
Pragmatismus, betont mit aller Energie den Vorrang
des Dynamischen vor dem Statischen, des Handelns (als das
auch das Denken aufzufassen ist) vor jeder Theorie (S. 59—81).

Den Reigen der Franzosen (S. 95—142) eröffnet üctave
Hamelin als typischer Vertreter der rationalistischen Strömungen
der letzten Jahrzehnte, ihm folgt Emile Meyerson mit
seiner nach Art der Neukantianer gestalteten Wissenschafts-
kritik, endlich Henri Bergson. Ein 20 Seiten umfassendes Kapitel
„Der jüngste Bergson und die Überwindung des Irrationalismus
" grenzt mit bemerkenswerter Klarheit Bergsous
Lehre von dem „unproblematischen und dilettantischen Intuitionismus
" eines „philisterhaften Bergsonismus" ab und
stellt — was besonders bedeutsam ist — fest, daß der große
französische Philosoph in seüier letzten Phase, d. h. seit dem
Erscheinen der „Schöpferischen Entwicklung" 1907 um eine
Synthese zwischen Intuition und Ratio bemüht ist und zu
emem spekulativen Rationalismus gelangt.

In einem aus dem Rahmen des Gesamtwerkes etwas herausfallenden
„Exkurs in die Naturwissenschaft" gibt R. zunächst
emen in Anbetracht des schwierigen Problems äußerst
klare, „nichtmathematische" Einführung in die Relativitätstheorie
" (S. 143—163), die, da sie bestrebt sei, dem Wesen des
Relativismus der Erfahrung ein Ende zu machen, mit demselben
Rechte „Theorie der Nicht-Relativität" genannt werden
könne, zumal da Einstein den kritischen Idealismus Kants bestätige
(gelegentlich, fügen wir hinzu, begegnet daher auch der
Name „Relatiouismus", der am geeignetsten ist, jede Verwechslung
mit dem erkenntnistheoretischeu Relativismus von
vornherein auszuschließen). Der 2. Teil des Exkurses behandelt
den „neuen Atomismus (S. 164—179), weist auf die erstaunliche
, im Gegensatz zur „sonnig verschlafenen Friedlichkeit
der philosophischen Welt" stehende große Geschäftigkeit
der heutigen Physik hin, deren Ergebnisse für die Philosophie
wegweisend sind, und verwahrt sich gegen die Gleichsetzung
der modernen Atomlehre mit dem alten mechanistischen
Materialismus (der Hinweis, daß auch der dialektische Materialismus
sich vom Mechanismus bewußt absetzt, liegt nahe,
wird jedoch nicht gebracht). Ein 3. Teil: „Der Darwinismus
und seine Kritiker" (S. 179—196), der, zwischen Darwin selbst
und seinen Anhängern (Haeckel) die notwendige Abgrenzung
vornimmt, führt den Evolutionismus auf das richtige Maß zurück
, indem Darwins Setzung des historisch-genetischen Verfahrens
anerkannt, aber zugleich betont wird, daß die bei der
Bildung der Lebewesen ohne Zweifel mitwirkenden Faktoren
nicht zu einer Weltanschauung verabsolutiert werden dürfen.
Von den aus der jüngsten Kritik am Darwinismus entstandenen
antimechanistischen Richtungen führt der Verf. den
Vitalismus, besonders den Neo-Vitalismus von Driesch, an,
ferner die Lehre von den Mutationen, wie sie sich in erster
Linie bei de Vries findet, und zuletzt die Theorie der „schöpferischen
Entwicklung" von Bergson (aus der Zahl der vielen
anderen Gegner vermissen wir namentlich Dacqu6).

Das letzte Drittel des Buches (S. 197—280) ist der Deutschen
Philosophie gewidmet: Diltheys Methodologie der
Geisteswissenschaften wird anschaulich dargestellt, die Bedeutung
Deutschlands für den Historismus, dieses deutsche
Lieblingsthema, au Dilthey und Troeltsch, kurz auch an
Windelband und Rickert erläutert und Spenglers „PseudoHistorismus
" als „Trivialisierung" des ursprünglichen Historismus
, als „negativer Historismus" mit scharfer Kritik ab-