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Ausgabe:

1951 Nr. 4

Spalte:

235

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Preuß, Hans

Titel/Untertitel:

Die Geschichte der Abendmahlsfrömmigkeit in Zeugnissen und Berichten 1951

Rezensent:

Lau, Franz

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235

Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 4

236

Preuß, Hans: Die Geschichte der Abendmahlsfrömmigkeit in Zeugnissen
und Berichten. Gütersloh: Bertelsmann 1949. 301 S. gr. 8°.
Kart. DM 13.— ; Hlw. DM 15.—.

Wenn man die „Ubersicht über die Geschichte der Abendmahlsfrömmigkeit
" liest, mit der dieses Buch beginnt, ist man
als Theologe schwerlich schon für das Buch gewonnen. Die
Übersicht ist nicht ungeschickt; aber sie enthält Urteile, die
zu allgemein und zu grob sind, als daß man sie sich gleich
aneignen möchte. „Die Hussiten fordern stürmisch den Laienkelch
— mit der rohen Einseitigkeit des Ungebildeten" (15;
mehr ist über die hussitische Abeudmahlsfrömmigkeit nicht gesagt
). „Novalis läßt das Abendmahl in pantheistischen Allgefühlen
zerfließen" (23). „Jedenfalls ist die Abendmahls-
irömmigkeit durch die Union in keiner Weise gefördert worden
" (25; vgl. die Statistik auf S. 249 mit Brandenburg vor
Sachsen, mit Hessen-Kassel oder Baden weit vor Schleswig-
Holstein oder gar Hamburg). Und so recht will es nicht gefallen
, wenn Johann Arnd kurz als der Großvater und Philipp
Jakob Spener als der Vater des Pietismus vorgeführt wird (22).
Auch die gebotene Knappheit der Übersicht rechtfertigt die
zu summarischen Urteile und die nicht besonders geschmackvolle
erwähnte Abbreviatur nicht. Kommt man aber in das
eigentliche Corpus des Buches, so stößt man auf eine Fülle von
Kostbarkeiten, und man liest mit immer größerer Spannung
und Freude weiter. Zeugnisse der Abendmahlsf römmigkeit,
nicht der Abendmahlslehre werden geboten. Alle Zeiten der
christlichen Kirche und die für das Thema wichtigen christlichen
Konfessionen (also die Irviugianer z. B.) kommen zu
Worte. Es ist ausgewählt aus einer noch größeren Stoffülle,
und darüber, warum das oder jenes Zeugnis nicht gebracht ist,
soll man mit dem Sammler des reichen Materials nicht rechten.
Selbstverständlich lassen sich da subjektive Maßstäbe gar
nicht ausschalten. Vielfach ist es offensichtlich gelungen,
einen bestimmten Typus von Abendmahlsfrömmigkeit durch
ein ganz besonders schlagendes Zeugnis deutlich zu machen
(vgl. beispielsweise den Auszug aus Friedrich Adolph Lainpes
„Heiligem Brautschmuck der Hochzeitsgäste des Lammes an
seiner Bundestafel", S. 142). Auch der, der etwas von den
Dingen weiß, wird mancherlei ihm Neues finden und allerhand
lernen können. Davon, daß sein Herz und seine Liebe dem
lutherischen Abendmahl gehört, kann und will der Verf. des
Buches nicht schweigen. Aber ungerecht gegen die anderen
Konfessionen (etwa durch tendenziöse Auswahl der Zeugnisse)
wird er m. E. kaum. Wenn das Buch für Theologen allein geschrieben
wäre und im eigentlichen Sinne fachwissenschaft-
liche Arbeit sein wollte, müßte in der Art der Darbietung der
Auszüge manches noch etwas anders sein (mehr Konsequenz
etwa hinsichtlich der Kenntlichmachung von Weglassungen).
Aber das Buch ist wohl Resultat gründlicher fachwissenschaft-
licher Arbeit, jedoch ebenso wie für den Theologen für den
christlichen Laien bestimmt. Ob es richtig ist, stellenweise
keine eigentlichen Quellenzeugnisse zu bringen, sondern Auszüge
aus Mulerts Konfessionskunde oder anderer referierender
Literatur, kann wohl gefragt werden. Warum einerseits lateinische
Texte übersetzt werden, mittelhochdeutsche oder früh-
neuhochdeutsche, die zum Teil recht schwer verständlich sind,
aber nicht (abgesehen von gewissen verdeutlichenden Angaben
in Klammern), leuchtet nicht recht ein, wenigstens sofern es
sich nicht um poetische Stücke handelt. Gelegentlich stößt
man auf Uudeutlichkeiten: Es müßte z. B. gesagt sein, was
mit der Papstmesse gemeint ist (nicht die tägliche Messe des
Papstes, sondern das nur relativ selten gehaltene feierliche
päpstliche Pontifikalamt). Ob die am Schluß des Buches gebrachten
Auszüge etwa aus den Abendmahlspred igten im
„Predigtbuch der lutherischen Kirche" von 1939, es alle wert
sind, schon als gültige Zeugnisse heutiger lutherischer Abendmahlsfrömmigkeit
verbucht und vorgeführt zu werden, sei dahingestellt
. Aber wenn sich auch noch weitere Fragen stellen
ließen: Die dargebotene Sammlung der Zeugnisse christlicher
Abendmahlsfrömmigkeit ist das Ergebnis fleißiger und gründlicher
Arbeit, ist im ganzen wohl gelungen, verpflichtet zu
großem Dank, hilft nicht nur, mancherlei zu lernen, was man
noch nicht weiß, gibt auch nicht bloß allerhand Material an
die Hand für die Abendmahlsverkündigung oder für die liturgische
Arbeit am Abendmahl (das auch! Vgl. z. B, das herrliche
mittelalterliche Gebet auf S. 80, das in unsere Gesangbuchsanhänge
gehörte!). Es ist auch dazu angetan, neue Ehrfurcht
vor dem Mahle des Herrn und neue Liebe zu ihm zu
erwecken.

Leipzig Franz Lau

Schnepel, Erich: Briefe aus dem Berliner Osten und aus Groß-Alme-
rode. Vom Ringen um die Lebensgestalt der Gemeinde Jesu Christi in der
Gegenwart. N.F. Bd. 2. Stuttgart: Verl. Junge Gemeinde [1950]. 143 S. 8°.
DM 4.80.

— Christus im Römerreich. Der Weg der Gemeinde Jesu in den ersten
vier Jahrhunderten. 4. Aufl. Stuttgart: Verl. „Junge Gemeinde" [1950J.
98 S. 8°. Hlw. DM 3.90.

— Christus im frühen Mittelalter. DerWeg der Gemeinde Jesu von 400-800.
2. Aufl. Stuttgart: Verl. „Junge Gemeinde" [1949J. 142 S. 8°. Hlw. DM 5.40.

— Christus - das alleinige Fundament für Glaube, Kultus und Leben.
Eine grundsätzliche Besinnung auf Grund des Kolosserbriefes. Stuttgart:
Verl. „Junge Gemeinde" [1950]. 125 S. 8°. Hlw. DM 5.40.

Die vorliegenden Bände vermitteln einen tiefen Eindruck
von der Arbeitsweise der Berliner Stadtmission, die sich besonders
den Berliner Osten, zu ihrem Wirkungsfeld erkoren hat. Gegründet
in den Jahren des großen industriellen Aufschwungs mit
seinenBegleiterscheiiiungen vonHinterhöf en und Mietskasernen
und dem kaum nennenswerten ohnmächtigen Nachhinken der
offiziellen Kirche, war es der Berliner Stadtmission gelungen,
im Berliner Osten eine christliche Gemeinde von besonderer
Lebenskraft zu konstituieren. Sowohl die nationalsozialistischen
Jahre wie die des Krieges vermochten nicht, diese kleine, aber
höchst aktive und lebendige Gemeinschaft zu zerstören. In den
letzten Jahren vor Ausbruch des Krieges mit ihren täglichen
neuen politischen und kirchenpolitischen Spannungen vertiefte
sich der Kreis der Stadtmission in konzentrierter gemeinsamer
Arbeit in die Fragen der alten und frühmittelalterlichen
Kirchengeschichte. Es kam diesen schlichten Männern,
die meist dem Arbeiterstaud angehörten, dabei keineswegs auf
tiefgründige historische Wissenschaftlichkeit an, sondern allein
darauf, den Weg kennenzulernen, den die Gemeinde ihres
Herrn durch die Jahrhunderte geführt worden war, um daraus
für ihre heutige Lage und ihre heutigen Aufgaben Rückschlüsse
zu ziehen. Das Schwergewicht des ersten Bandes, der die Kirchengeschichte
im römischen Reich behandelt, liegt dabei auf
dem Verhältnis von Staat und Kirche, das sich von der Verfolgung
am Anfang allmählich bis zur Verstaatlichung des
Christentums verschob. Man scheut sich dabei auch nicht vor
Werturteilen, wie sie dem reinen Historiker unmöglich sind,
wie sie sich aber hier aus der Nutzanwendung auf die Gegenwart
sofort erklären. „Wenn man nicht die ersten Ansätze einer
Fehlentwicklung bekämpft, ist es oft sehr schwer, sie rückgängig
zu machen — eine kleine Verschiebung — und das Ergebnis
ist die Priesterkirche, das Papsttum, die evangelische
Pastorenkirche." In der bischöflichen Gemeiudeverfassung,
wie sie sich im zweiten Jahrhundert ausbildete, sieht man eine
„schmerzliche Verdunkelung des Evangeliums von der Herrlichkeit
des Christus", wenn man auch den damaligen Christen
zugestellt, daß sie von einem „herzlichen Hangen an Jesus"
bewegt waren. Es ergibt sich das Bild der Christengemeinde,
die zwar aus der unsichtbaren Gegenwart ihres Herrn ihre
Kräfte schöpft, dennoch aber mancherlei menschlichen Verkleinerungen
und Abschattungen ausgesetzt bleibt. Nicht anders
ist es bei den Betrachtungen über die Christianisierung
der Germanen, denen man es abspürt, daß ebenso wie bei der
Betrachtung des Altertums zuletzt die innere Teilnahme in den
Kämpfen der Gegenwart auch die geschichtliche Untersuchung
bestätigt haben. Im Hintergrund steht die von den Nationalsozialisten
breitgetretene Meinung, das Christentum sei den
Germanen mit List und Gewalt aufgezwungen worden und deshalb
bis zum heutigen Tag dem deutschen Wesen entgegengesetzt
geblieben. Auch hier ist der oberste Gesichtspunkt der
Untersuchung der Glaube an Jesus als an den Herrn der
Christengemeinde, wie ihn die kleine Schar im Berliner Osten
am eigenen Leib kennen gelernt hat. Die eigene Erfahrung ist
der Maßstab für das geschichtliche Ereignis und hilft zu einer
positiven oder negativen Bewertung. Bei dem Bericht über
eine asketische Einsiedlerin, die den Mönch Columbau eine
Zeitlang tief beeinfhißte, heißt es: „Wie können uns Menschen
durch falsch gedeutete Bibelworte auf einen Irrweg führen,
wenn wir nicht einen Durchblick durch die neutestaineiitlichen
Linien besitzen!" Das ist gewiß nicht das Interesse und der
Standpunkt des reinen Historikers. Aber auch der Geschichtsforscher
wird seine Freude daran haben, daß hier die Geschichte
selbst, sei es auch auf die Gefahr einer allzu raschen
Deutung, so unmittelbar mit der Gegenwart verknüpft wird.

Man spürt es den Bänden an, daß sie nicht eigentlich einen
einzelnen Mann zum Verfasser haben, sondern daß sie aus der
gemeinsamen Arbeit eines lebendigen Kreises schlichter und
aufrichtiger Menschen entstanden sind. Es ist auch die persönliche
Eigenart des langjährigen Leiters der Berliner Stadt-
mission, der mit seinem Verfassernauien die Verantwortung
für diese Aufsätze übernommen hat, daß er mit seiner Person