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Ausgabe:

1951 Nr. 4

Spalte:

228

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Pfeiffer-Belli, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Europa und das grosse Asien 1951

Rezensent:

Lehmann, Arno

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 4

228

fangreiche Material in übersichtlicher Ordnung vorlegt und zu
den verschiedenen Behandlungen kritisch Stellung nimmt;
ihre Arbeit, welche unter Dirlmeier in München als Dissertation
entstand, übersteigt nicht nur äußerlich den für solche
akademische Untersuchungen üblichen Umfang; vielleicht
hätte man sich freilich an manchen Stellen eine konzisere
Fassung des Stoffes gewünscht.

Im ersten Hauptteil ihres Buches geht die Verfasserin auf Platons
Stellung zu fremden Völkern ein.

Bekanntlich gibt es eine reiche antike Tradition über Orientreisen Piatons
, die ihn in die verschiedensten Länder gebracht haben sollen. Von dieser
verdient allein die Nachricht von einem Aufenthalt in Ägypten einige Beachtung
. Dali Piaton ihn selber im siebenten Brief unerwähnt läßt und Philodems
Akademikerindex nicht davon spricht, stimmt schon mißtrauisch; vor allem
aber lassen sich alle Bezugnahmen auf Ägyptisches, die in Platons Werk begegnen
, ohne Annahme von Autopsie erklären. Denn wenn er auch selbst den
Orient nicht bereiste, so hatte er doch ausreichend Möglichkeiten, sich historische
und geographische Kenntnisse anzueignen, wie die Materialsammlung
K. J. Vourveris' (Athen 1938) beweist. Diese zeigt aber zugleich auch, daß
Piaton viel zu sehr im Nationalbewußtsein seiner Zeit befangen war, als daß
er sich zu tieferem Eindringen in fremdes Wesen veranlaßt gefühlt hätte.

Platons Methaphysik und Religion in ihrem Verhältnis zum Orient
bildet den Gegenstand des zweiten Teils der Schrift.

Werner Jaeger, Aristoteles, 134, bezeichnet die „dualistische Metaphysik
des alten Piaton" als einen „Tribut an Zarathustra", Jula Kerschen-
steiner ergibt sich dagegen aus erneuter Interpretation der fraglichen Stellen
Legg. 896e und 906 a, daß sich die dort „rein hypothetisch eingeführte böse
Seele in keiner Weise mit dem iranischen bösen Prinzip, dem aktiv den guten
Gott bekämpfenden bösen Gott vergleichen läßt" (S. 76). Die Welt ist für
Piaton ein vom vovs beherrschter Kosmos — das zeigt die Betrachtung des
„Timaios" —, und die Weltseele muß daher gut sein; freilich gelang es dem
Demiurgen nicht, die Welt als etwas Vollkommenes zu schaffen, da in ihr die
aväyxrj verblieb. Nicht also Gut und Böse bilden für Piaton das Gegensatzpaar,
sondern vovs und avdyxr oder, modern gesprochen, Geist und Materie; denn
die ärdyxrj ist ja nichts anderes als das die Materie beherrschende Naturgesetz.
Diese Linie nun läßt sich zurückverfolgen über den „Phaidros", den Kerschen-
steiner den Spätwerken Platons zuweist, und „Theaitet" hin zum „Staat" und
„Phaidon" mit seiner Gegenüberstellung von Leib und Seele; im „Politikos"
begegnen wir Ihr in dem Gegenüber von rd^ie und ä?a£la und im „Philebos"
als 7iepai und äneigov. Sie findet ihreFortsetzung in der vorplatonischen griechischen
Philosophie, deren Ergebnisse Piaton aufnimmt und bis zur letzten Konsequenz
durchdenkt. Nicht anders wurzelt auch sein Gottesbegriff in hellenischer
Vorstellung, in einer Auffassung der Welt als eines von Maß und Harmonie
durchwalteten Ganzen, in welches auch die Götter eingeordnet sind.

Wie nun steht es mit den fremden Einflüssen in Platons Mythen, für
welche vor allem J. Bidez, Piaton, Eudoxe de Cnide et l'Orient, 1933, orientalische
Beispiele beigebracht hat? Kerschensteiner sucht im dritten Teile zu
zeigen, daß auch hier die Gehalte griechisch sind, mögen sie gelegentlich auch
noch so bunt eingekleidet auftreten. In seinen Jenseitsmythen z. B. liebt
Piaton die Verwendung wissenschaftlicher Motive und führt damit manchmal
in, wie es zunächst scheinen will, nichtgriechische Bereiche; doch selbst für
den Er-Mythos des „Staates" lassen sich orientalische Vorlagen nicht greifbar
machen, lediglich an ein indirektes Einwirken über Volksvorstellungen und
pythagoreisch-orphische Lehren wäre zu denken. Der Metallmythos im selben
Dialog, 414b 8ff., ist eine durchaus eigenständige Version eines freilich auch
anderwärts begegnenden Motivs. Seinen Versuch, NJBb. XXXI 1913, 529ff.,
die Aristophaneserzählung im „Gastmahl" aus Babylonischem herzuleiten,
hat K- Ziegler, RE s. v. Orphische Dichtung, selbst als anfechtbar bezeichnet;
die Beziehung der platonischen Zahl auf die gleiche Quelle weist A. Ungnad,
Z. f. Ass. XXXI 1917/18, 156ff., zurück; Kerenyis Astrologia Platonica,
ARW XXII 1923/24, 245ff., ist durchaus zu widerlegen. Der Atiantisstoff
findet an der Vernichtung von Helike in Achaia im Jahre 375 einen recht
realen Hintergrund.

Doch noch mehr als Piaton selbst soll die ältere Akademie vom Orient
her beeinflußt worden sein. Aber sogar die „Epinomis" des Philippos von Opus
steht in ihrer Wertung der Astronomie, wie der Schlußabschnitt der Untersuchung
J. Kerschensteiners zeigt, in der Fortsetzung Platons, und wenn auch
der Verfasser den Vorsprung der Sternkunde der Chaldäer anerkannte, so begründete
er ihn doch mit ihrer geographischen Lage; im Klima Griechenlands
dagegen gedeihe die &(>txrj am besten. Ebenso hellenisch ist seinem Wesen
nach der erste Alkibiadesdialog trotz seiner Bezüge auf persische Verhältnisse.
Man stand also in der Akademie fremden Kulturen und Einrichtungen durchaus
mit Interesse gegenüber; in der Lehre jedoch hielt man sich in den Bahnen,
die durch Platons Alterswerk gewiesen waren.

Zieht man das Fazit aus den Kerscheusteinerschen Darlegungen
, so ergibt sich, daß von einem direkten Einfluß des
Orients auf Piaton kaum die Rede sein kann und die feststellbaren
Anklänge durchaus äußerlicher Natur sind; die Überlieferung
, welche enge Beziehungen zwischen dem Philosophen
und den Lehren des Ostens zu konstruieren sucht, beginnt erst
in hellenistischer Zeit. Damit ist das Problem freilich noch
nicht gelöst; denn aufzuspüren bleiben einmal noch die indirekten
Verbindungen, welche über die griechische Tradition,

in der Platons Stellung festgelegt werden konnte, auf den
Osten zurückweisen, und zweitens die Parallelentwicklungen,
die von einer gemeinsamen Grundlage hergeleitet werden
können, wie z. B. im Falle des Metallmythos. Diese weitere
Aufgabe ist von der klassischen Altertumswissenschaft allein
nicht mehr zu lösen, sondern nur im Zusammenwirken mit
Orientalistik, Ethnologie, Volkskunde und anderen Disziplinen.
Berlin Johannes Irmscher

Usener, Hermann: Götternamen. Versuch einer Lehre von der religiösen
Begriffsbildung. 3., unveränd. Aufl. Mit Geleitworten von Martin P.Nilsson
und Eduard Norden. Frankfurt/M.: Schulte-Bulmke 1948. X, 391 S., 1 Taf.
gr. 8°. DM 15.—.

Es ist sehr dankenswert, daß der Verleger die „Götter-
namen" Hermann Useners (| 1905) nochmals herausbringt.
Das Werk war bei seinem Erscheinen (1896) nicht besonders
erfolgreich: vielleicht auch deshalb, weil der Verf. seine Gedanken
damals schon seit längerer Zeit in Vorlesungen vorgetragen
hatte. Heute ist hier mancherlei veraltet. Dennoch
hat das Buch nicht nur geschichtlichen Wert als ein Markstein
der jungen Religionswissenschaft, sondern ist durchaus lebendig
. Philologen und Theologen haben hier zu lernen: über die
Eutwickeluug des menschlichen Denkens; über die Namen von
Gottheiten und Menschen; über Heiligen- und Reliquienverehrung
; über die erste und letzte Garbe; über rechts und
links im Gerichtswesen (Matth. 25, 31 ff.!) usw.

Das Werk wurde neu gesetzt, in der Rechtschreibung der
Gegenwart angepaßt; doch wurde, erfreulicherweise, die Kleinschreibung
beibehalten. Ein Bild Useners ist vorangestellt.
Wiederholt wurde die Einführung Eduard Nordens von 1928
zur zweiten Auflage; der gegenwärtige Druck wurde von
Martin P. Nilsson eingeleitet. Die Seitenziffern der drei Ausgaben
stimmen fast durchweg überein: es macht also keine
Schwierigkeit, Anführungen nachzukommen. Useners Enkel
Hermann Dieterich steuerte einige Bemerkungen bei; sie sind
auf der dritten Umschlagseite abgedruckt, leider: auf der
letzten Buchseite wären diese Sätze würdiger untergebracht;
die Buchanzeige, die sich dort findet, wäre auf dem Umschlage
auch zur Geltung gekommen.

Leipzig-Großpösna J. Lelpoldt

Pfeiffer-BelH, Wolfgang: Europa und das große Asien. Studien zur

Geistesgeschichte. Speyer: Pilger-Verlag [1949J. 86 S. 8°= Speyerer Studien
, hrsg. v. Msgre. N. Lauer. Reihe II, Bd. 1. Geb. DM 2.80.

Diese „Studien zur Geistesgeschichte" umfassen die Zeit
von 1800 bis zur Gegenwart und sind in Selbstbescheidung als
Anregung gedacht. Auf dem material- und kenntnisreich gezeichneten
Hintergrunde der „Romantischen Nacht" wird das
Bekanntwerden des großen Asien in Europa geschildert. Und
zwar zweischichtig: im Erscheinen des russischen Menschen
der Zeit um 1812 mit seinem „Brudergedanken", seinem „Allgefühl
" und dem Zaren als dem „erzengelgleichen Befreier
Europas". Und weiter wurde das große Asien gesichtet durch
eine weitgehende Indien-Rezeption, die das indische Volk als
Mutter und Urquell aller Religionen pries und Buddha als den
Repräsentanten Asiens sah. Buddha und Schopenhauer, sein
philosophischer Verkünder in Europa, werden als noch gegenwärtig
wirksame Trostquellen genannt, wenn sie auch „beide
verblassen vor Dem, der Licht vom Lichte Gottes ist und der
mit voller Bestimmtheit das zu künden wußte, was jene
Weisen als schwache Menschen nur ahnten" (67); beide aber
gelten dem katholischen Verf. als Hinführer zu Christus.
Gerade diese Behauptung aber ist nicht hinreichend und keineswegs
überzeugend gesichert, so anziehend auch vieles ist, was
aus der Gegenwartsliteratur und -philosophie und zur Bloßlegung
des „splitternackten Ansich-Meuschen", der nach
Mereschkowsky nur mehr ein „Menschenähnlicher" ist, in
reichem Maße herangezogen wird.

Das Büchlein bringt keine Bereicherung der Wissenschaft
und der Einsichten. Seine beachtenswerte Bedeutung liegt üi
der Fülle von wenig bekannten Einzelzügen und Quellen. Daß
Buddhas Bedeutung überbetont ist (35, 43, 44, 49) wird auch
der nichtfachmännische Leser merken. Zu S.44: war Jesus
kein Asiate ? Zu S. 45: Lag auf der Botschaft von Buddha und
Pythagoras wirklich schon „ein Vorglanz des späteren lumeii
Christi" ?

Halle/Saale Arno Lehmann

Melzer, Friso: Indische Weisheit und christliche Erkenntnis. Tübingen
: Otto Reichl Verlag [1948], 266 S. 8°. Pp. DM 7.50.

— Christus und die indischen Erlösungswege. Tübingen: Otto Reichl

Verlag (1949). 190 S. Pp. DM 7.50.

Beide Bücher sind als eine Einheit gedacht. Ihr besonderer
Wert liegt in der reichen Materialdarbietung in sprach-