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Ausgabe:

1951 Nr. 4

Spalte:

224-225

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Otto, Walter

Titel/Untertitel:

Beitraege zur Hierodulie im hellenistischen Aegypten 1951

Rezensent:

Schubart, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 4

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bedacht worden. Allerdings mutet der Versuch auch wieder
kühn an, auf 35 Seiten „Das Christentum als Weltreligion im
Kreise der Weltreligionen" darzustellen, und Leipoldtsah sich
hier keiner dankbaren Aufgabe gegenüber. Das Versprechen
des Themas konnte auf diesem Raum kaum eingelöst, der
weltreligiöse Charakter des Christentums weder geschichtlich
noch phänomenologisch geklärt werden, da das notwendigste
geschichtliche Tatsachenmaterial (fast ausschließlich aus der
Alten Kirche) in stärkster Konzentration vorgetragen werden
mußte, so daß für die Erörterung von offenen Problemen
nicht viel Gelegenheit blieb. Hier wie auch bei der Behandlung
der Mysterienkulte stützt sich Leipoldt vorwiegend auf
Quellenbelege, die für die Mysterien sogar in ihrem wichtigsten
Bestand ziemlich umfassend sind. Die Darstellung der Mysterien
ist im wesentlichen eine erläuternde Zusammenstellung
der antiken Nachrichten. Die Gefahr der Verallgemeinerung
von Einzelstellen in der scharfsinnigen Interpretation des
Autors ist gegeben. Die zitierten Quellen sind zweifellos bedeutsam
, aber für die meisten Leser unzugänglich und oft auch
unverständlich (zumal bei dem wahrscheinlich angenommenen
weiteren Leserkreis!). Gelegentlich vermißt man den Mut zur
überlegenen Deutung und Zusammenschau. Audi die „Quel-
lenbelege" zum frühen Christentum sind übrigens eine wertvolle
Grundlage und können in der Hand des weiter Forschenden
recht nützlich werden. Demgegenüber verzichten Spuler
und Strothmann fast ganz auf Einzelnachweise und begnügen
sich mit bibliographischen Zusammenstellungen (besonders
dankenswert die von Spuler). In zahlreichen knappen Abschnitten
werden instruktive Ubersichten von enzyklopädischer
Bedeutung geliefert, die für rasche und relativ vollständige
Orientierung willkommene Dienste leisten werden,
zumal da sie von zuverlässiger Prägnanz sind. In Strothmanns
Schilderung der „Sekten" hätte man gern eine, wenn auch nur
kurze, Würdigung der Bahä'i-Bewcgung gesehen, die ja eine
auch heute noch nicht unbedeutende Ausweitung des Islam zu
echter Universalität versucht hat.

Marburg/Lahn Kurt Goldammer

Landon, Kennet» p.: Southeast Asia crossroad of Religions. Chicago:

The University of Chicago Press 1948. IX, 215 S. * 4.—.

Dieses Buch füllt eine empfindliche Lücke aus. Es erscheint
in dem bedeutungsvollen Augenblick, wo wir mehr
denn je zuvor die seelisch-kulturellen Triebkräfte jener Völker
zu begreifen suchen, die eine von der unsern verschiedene
religiöse Sprache reden, wiewohl es sich vielfach um dieselbe
Sache handelt; die eine andere Philosophie bilden, wiewohl es
im Grunde dieselben fundamentalen Probleme sind, die bewältigt
werden sollen. Allein diese Sicht umfaßt doch nur das,
was von östlichen Ideen zu literarisch-klassischem Niederschlag
gelangt ist. Es ist in der Tat eine andre Frage, worin
die praktische religiöse Haltung dieser Völker besteht.

Der vom Verf. behandelte Komplex umfaßt Hinterindieu
und den ganzen Archipel von Indonesien samt den Philippinen.
Davon rechnet man Birma, Siam und einen Teil Indochinas
zum Hinayanabuddhismus, der größere Teil der Indochinesen
ist gleichzeitig confuzianisch, taoistisch und mayayanabud-
dhistisch, während das südliche Inselreich wesentlich islamisch
geworden ist, nur die Insel Bali dem Hinduismus überlassend.
Doch ist hinduistischer Einfluß fast überall beachtlich. Der
Verf., der während elfjähriger missionarischer Tätigkeit in
Siam seinen Gegenstand studiert hat, ist in seiner Darstellung
geleitet von dem vollen Verständnis für die Bedeutung der
unausgesetzten Mischungen von alteingewurzelten und neu
aufgeprägten Kulten und Anschauungen. Er schildert lebhaft
und bis in jene praktisch alltäglichen Einzelheiten hinein, die
man in aus literarischen Quellen geschöpften Darstellungen
vermißt, alles was zur religiösen Seite des Lebens in jenen
Gegenden gehört. Besonders deutlich springt hervor der immer
bleibende Grundstock amnestischer und magischer Riten und
Uberzeugungen und deren wenig befestigtes Verhältnis zu
Hinduismiis, Buddhismus und Islam. In vielen Gegenden ist
der direkte Verkehr des Individuums mit dem Geist oder
Geistern ungeschwächt neben der vermittelnden Tätigkeit des
buddhistischen Priesters, der im Namen der angebeteten Gottheit
fungiert. Was indes die tatsächliche Macht des Buddhismus
anlangt, so sollen wir nach dem Verf. — ob wir nun den
annamitischen Buddhismus oder den des holländischen Archipels
oder den der benachbarten Inseln ins Auge fassen — uns
nicht beirren lassen durch die ungeheuren Bauwerke des
Borobudur auf der Kedu-ebene von Java oder die noch viel gewaltigeren
Tempelanlagen von Angkor: vom Urbuddhismus
ist nichts zu spüren. Es sind die Zeugen einer von Fürsten eingerichteten
Religionsform, Überbleibsel aus alter Vergangenheit
, die Terrassen mit ihren Stufen, die mehr als vierhundert

Buddhabilder in überlebensgroßen Figuren zeigen und die
Bilder des neubrahmanischen und buddhistischen Pantheons
und den Hunderten Basreliefs von Darstellungen aus dem
Lalivistara und des Jataka-Erzählungen. Die rührige Religiosität
des Volks ist heimisch in der Obhut der Mahayana-
hierarchie und den damit verbundenen Hindugottheiten, wozu
sich jedoch noch die Bilder verstorbener Fürsten und staatlicher
Würdenträger gesellen. Verf. bemerkt nur kurz, dal.! sich
auch tantrische Formen des Kults finden, er unterläßt leider
anzugeben, welche Art des Tantrismus dort ihren Platz gefunden
hat.

Die Synkrasie der Kulte hat zu manchen Absonderlichkeiten
geführt. Nicht nur daß man den nächst besten Priester
zu Rate zieht, gleichviel welcher Religion er angehört; sogar
Buddha und Siva werden einander so eng angegliedert, daß
beide auf Java in einer gewissen Literaturgattung kurzweg
identifiziert werden. Diese Entwicklung scheint darin enden
zu wollen, daß der Mahayanabuddhismus vom Sivaismus aufgesogen
wird. — Anderseits gibt in Siam Buddha dem
offiziellen Kultus das Gepräge, da die Krone sich zum Schützer
des Buddhismus erklärt hat; während die Hlndugotthelteii
unerwähnt bleiben, die indessen in der Prozession ebenso wie
zahlreiche „mythische Tiere des hinduistischen Märchenlandes''
herumgetragen werden. — Viel einfacher vollzieht sich die
Islamisierung, die für den Ubertritt nur das Credo verlangt.
Die Durchdringung mit dem islamischen Geist wird wesentlich
besorgt durch die Einrichtung der Slametans (fünfzig Arten
derselben möchte Verf. zählen), bei denen die Reichen gern ihre
materiellen Opfer brüigen.

Verf. behandelt seinen Stoff in sechs Kapiteln: volkstümliche
Bräuche, annamitische Volksbräuche unter chinesischem
Einfluß, Hinduisation, Siam, Islainisation, Verwestlichung
und moderne Strebungen in Südostasien.

Chicago Deth

Otto, Walter t: Beiträge zur Hierodulie im hellenistischen Ägypten.

Aus dem Nachlaß hrsg. v. Prof. Dr. Friedrich Zucker. München: Verl. d.
Bayer. Akad. d. Wissensch, in Komm, bei C. H. Beck 1949. 74 S. 4» — Ab-
handl. d. Bayer. Akad. d. Wissensch. Philos.-hist. Klasse N. F. H. 29.
DM 14.—.

Es verdient besonderen Dank, daß W. Otto, auf dem Gebiete
der Alten Geschichte eine der rührigsten Kräfte, noch
zuletzt die Fülle seines Wissens und die Weite seiner Forschung
an Begriff und Geschichte der Hierodulen gesetzt hat, denn
hier Klarheit zu schaffen, konnte nur einem Gelehrten seiner
Art gelingen. Er hat das Werk nicht vollenden können; um
so höher müssen wir dem Herausgeber F. Zucker die entsagungsvolle
Mühe anrechnen, womit er die zahllosen Blätter
und Notizen aus Ottos Nachlaß geordnet und zum Ganzen zusammengefaßt
hat. Die Arbeitsweise und die Handschrift des
Verf.s zwangen den Herausgeber, den Stoff selbständig durchzuarbeiten
, ganz abgesehen von den beigesteuerten Nachträgen
; daher ist sein Anteil wesentlich größer, als er zunächst
erscheint.

Wer nur immer sicli mit Religionen des Altertums beschäftigt
hat, ist hier und da dem Namen der Hierodulen begegnet
, die an mehr als einer Stelle im Tempeldienst und im
Kultus tätig auftreten. Das griechische Wort schien zu besagen
, daß es „Tempelsklaven" bedeute, und indem man
Zeugnisse für Prostitution im Zusammenhang mit Kultus und
Tempel heranzog, fand mau sich sogar berechtigt, die Hierodulie
der heiligen Prostitution annähernd gleich zu setzen.
Um gegenüber unscharfen Urteilen die feste Grundlage nicht
zu verlieren, beschränkt der Verf. seine Untersuchung auf die
Hierodulie in Ägypten, trägt aber zu den unmittelbaren
Zeugen der Urkunden vielerlei aus dem reichen Schatze seines
Wissens zusammen. Seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. liefert
Ägypten Texte, die Hierodulen nennen, ohne über ihre Stellung
und Tätigkeit genaue Auskunft zu geben. Uberblickt man
weithin die Diener und Träger des Kultus, so ergeben sich
mehrere Gruppen: die höheren Priester, die niederen Priester
und die Tempeldiener, die nicht Priester sind; auch diese
Gruppen wieder geteilt, wie denn die Pastophoren unter den
niederen Priestern den obersten Rang besitzen. Das gilt, wie
uns in einer verwickelten Untersuchung gezeigt wird, auch
von den vielen Laien, die im Tempel dienen. Gerade die Laien
im Dienste der Götter und der Tempel treten bei genauer
Prüfung der Quellen immer deutlicher hervor. Sie haben einen
weltlichen Beruf, üben eine weltliche Tätigkeit aus und versehen
zugleich Dienste im heiligen Bereich. Offenbar gab es
viele Unterschiede nach örtlichen Gewohnheiten. Sie alle unter
dem Namen der Hierodulen zusammenzufassen, wäre zu kühn.
Vielmehr sind unter ihnen die Hierodulen eine Gruppe sui
generis. Auf ganz verschiedene Art treten diese Laien in den