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Ausgabe:

1951

Spalte:

186

Kategorie:

Naturwissenschaft und Theologie

Autor/Hrsg.:

Greeven, Heinrich

Titel/Untertitel:

Krankheit und Heilung nach dem neuen Testament 1951

Rezensent:

Bauernfeind, Otto

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1 Sfi

186 Theologische Literaturzeitung 195* Nr. 3___________

Helmont („Jatrochemie"), Harvey ("Jatrophysik"), Syden-
ham (erste Typologie), G. E. Stahl (Animismus), über Fr.Hoff-
mann und Boerhave, Brown, Meßmer, bis zu Hahnemann und
Rademacher, Schoenlein, Rokitansky und Virchow geschildert,
mit manchen anschaulichen Bemerkungen. Es folgen Kapitel
über Chemotherapie und Bakterienabwehr, Ehrlich und Sal-
varsan, Domagk und Sulfonamide, Fleming und Penicilline,
über Vitamine und Hormone, über die Entwicklung der pathologischen
Physiologie, die bei Krehl über Konstitution, funktionelles
Verständnis und die „nervöse Komponente" zum
..Siege des Persönlichkeitsgedankens führte". Daran schließen
sich Kapitel über Allergie und vermehrte Abwehr an. Sehr
charakteristisch ist das Schlußkapitel: „Was noch übrig
bleibt". Es wird auf allerlei technische Fortschritte verwiesen,
„aus der Theorie der Gedanken" ist eine Praxis der Erkenntnis
geworden, es ist „von dem großen monistischen Gedanken
der Einheit von Körper und Seele" die Rede, es wird auf die
..immaterielle Seite des Weltbildes der modernen Medizin",
auf „ihre ethische Einstellung, mit zwei Worten auch auf die
..medizinische Psychologie", auf die „Lehre vom Jenseits der
Seele" verwiesen, — aber alles wird überragt vom Biologischen.
So bleibt es schließlich doch beim Ruhme des naturwissenschaftlichen
Positivismus, besonders in der Ausprägung der
Wiener Schule. Das Persönliche, die Bedeutung der Verbundenheit
von Arzt und Krankem kommt nicht so zur Geltung
, wie wir es heute wünschen möchten.

HeidclbcrK R. Siebeck

Greeven, Heinrich: Krankheit und Heilung nach dem Neuen Testament
. Stuttgart: Kreuz-Verlag [I94HJ. 24 S. gr. 8° — Schriftenreihe Lebendige
Wissenschaft H. 8. DM 1.20.

Die Schrift gilt in erster Linie dem Arzt, der über die vordergründigen
Erscheinungen hinweg nach den verborgen
hinter Krankheit und Genesung liegenden Tatbeständen fragt.
Diesem Frager ist mit einer Erörterung über die einzelnen im
Neuen Testament vorkommenden Krankheitssymptome und
Heilungsbeweise natürlich nicht gedient; worauf seine Aufmerksamkeit
gerichtet werden muß, das ist vielmehr die Auffassung
des Neuen Testaments von der Krankheit überhaupt
und von der Heilung überhaupt: Die Krankheit bringt nicht
nur Symptome hervor, sondern sie ist ihrerseits Symptom für
einen in der Tiefe liegenden Schaden des Lebewesens Mensch
und die Heilung steht in Verbindung mit der Kraft, die letztlich
allein imstande ist, jenen Schaden zu belieben. Ist „die
Krankheit Symptom der Trennung des Menschen von Gott, so
ist die Heilung ein Symptom der Versöhnung" (17). Unmittelbare
Hinweise für sein berufliches Handeln wird der Arzt vom
Neuen Testament demnach nicht erwarten, wohl aber sind die
mittelbaren Weisungen geeignet, seine Fragen zu beantworten
und seinem hohen Beruf das feste Fundament zu geben (20 f.).

Dem Abschnitt über das Verhältnis von Krankheit und
Besessenheit (14—16) stimme ich nicht zu; dadurch wird aber
der Gesamteindruck nicht beeinträchtigt, daß Greeven auf
dem Grenzgebiet zwischen Medizin und Theologie in guter
Form Wesentliches zu sagen hat.

Tübingen Otto Bauernfeind

VON PERSONEN

Johannes Herrmann zum 70.Gcburlsl.ig

am 7.12.1950

Am 7. Dezember 1950 beging Johannes Herrmann seinen 70. Geburtstag
. Der in Nossen (Sachsen) geborene Jubilar hat nach Ablegung der Reifeprüfung
am Gymnasium Albertinum In Freiberg 1901—05 in Leipzig Theologie
studiert. Schon als Student hat er sich mit seiner später als Buch erschienenen
wertvollen und von der Leipziger theologischen Fakultät preisgekrönten
Schrift „Die Idee der Sühne im Alten Testament" als mit der Problematik
des Alten Testaments wohl vertraut ausgewiesen. Diese bedeutsame
Leistung hat wohl dazu geführt, daß er 1905 als Studieninspektor des evangelischen
Theologenheims in Wien ausersehen wurde. Nach Ablegung der beiden
theologischen Prüfungen 1905 und 1907 promovierte Herrmann 1907 mittler
Dissertation „Zur Analyse des Buches Ezechiel" zum Lic.theol. und habilitierte
sich im gleichen Jahr mit der Schrift „Ezechielstudien" an der ev.-theo-
logischen Fakultät in Wien. 1910 wurde er Studieninspektor, 1913 trat er die
Nachfolge Sellins als o. Professor in Rostock an, das er in gleicher Stellung
1922 mit Münster vertauschte. In Münster betreute er als geschäftsfuhrender
Direktor von 1923—49 die theologischen Seminare und war zugleich seit 1927
Ephorus am ev.-theologlschen Studienhaus „Hamann-Stift". Für das Studienjahr
1931/32 ersah ihn das Vertrauen seiner Kollegen zum Rektor der Universität
. Mit Überschreitung der Altersgrenze wurde er am 1. Mai 1949 emeritiert
, er steht aber bisher weiter in voller Lehrtätigkeit.

Es Ist gewiß nicht zufällig, daß Hermanns bedeutsame Erstlingsarbeit
Weren Thema er nochmals mit dem Artikel „Sühne und Sühneformen" im
Theol. Worterb. z. NT, Bd. HI aufgriff) vom Studenten Herrmann geschöpft
ist, und daß sie ein zentrales Thema der alttestamentlichen Theologie behandelte
. Sie beweist, wie früh Herrmann von den alttestamentlichen Fragestellungen
sehr ernsthaft berührt war und wie stark die biblisch-theologische
Seite an dieser Wissenschaft ihn von Anfang an bewegte. Herrmann hat immer
bewußt theologisch gearbeitet. Eine große Reihe von Veröffentlichungen
sind dessen Zeugnis, von denen genannt seien: „Der Messlas aus Davids Geschlecht
" (Z.f.wlss. Theol. 1909), „Die soziale Predigt der Propheten" (1911),
..Leben, Wunder und Wirken des Propheten Elisa" (1911), „Das zehnte Ge-
bot" (Sellin-Festschrift 1927), „Der alttestamentliche Urgrund des Vaterunsers
" (Procksch-Fcstschrift 1934), „Das Arbeltsethos in der biblischen Urgeschichte
" (Wehrung-Festschrift 1940), Insbesondere aber die feine Studie
über „Das Oebet im Alten Testament" im Theol. Wörterb. z. NT, Bd. II. Die
mit seiner Promotions- und mit seiner Habilitationsschrift angebahnten Untersuchungen
über Ezechiel wurden für Herrmann Grundlage für ein tieferes Einuringen
in das Buch dieses Propheten, das durch seine „Obskuritäten" der
Forschung immer wieder besondere Schwierigkeiten bereitet hat. Das Ergebnis
seiner langjährigen Untersuchungen, das Herrmann in seinem Ezechielkommentar
(1924) niedergelegt hat, bedeutet einen entscheidenden Wendepunkt in
Qer Ezechielforschung. Nicht als ob seit dem Erscheinen dieses Kommentars
nicht neue Theorien über die Entstehung des Ezechielbuches vorgetragen
worden wären; aber der Weg zu weiterer fruchtbarer literarkritischer Behandlung
des Buches hat Herrmann erst freigemacht, indem er der fast zum
Dogma gewordenen Meinung von der Einheitlichkeit und Geschlossenheit des
Buches ein für allemal ein Ende bereitete. Herrmann hätte seine Untersuchungen
nicht in der vorliegenden Weise darbieten können, wenn er nicht,
über Cornills Grundlegung hinaus, in unermüdlicher Arbeit immer wieder dem
mißlichen textlichen Zustand des Buches beizukommen bemüht gewesen wäre.
Er bekennt im Vorwort seines Kommentarwerkes, daß ihn bei seiner Ezechielforschung
„die Überzeugung von der großen Wichtigkeit der biblischen Textkritik
, die so oft verkannt wird, nie verlassen" habe. Eine Anzahl von wertvollen
Veröffentlichungen auf diesem Oebiet legen Zeugnis davon ab, mit
welcher Akribie und — man spürt es — mit welcher Liebe Herrmann gerade
den spröden textkritischen Fragen nachgegangen ist. Unter ihnen muß die infolge
ihrer Exaktheit und ihrer stringenten Art besonders eindrucksvolle
Studie über „Die Oottesnamen im Ezechieltext" (Kittel-Festschrift 1913)
besonders hervorgehoben werden. Herrmann hat die mit diesen Darlegungen
angebahnten Erörterungen über die Wertung der Ezechiel-Septuaginta weitergeführt
in „Beiträge zur Entstehungsgeschichte der Septuaginta" 1923, wo ersieh
mit der Entstehung der Propheten-Septuaginta überhaupt befaßt und unter den
neu gewonnenen Gesichtspunkten eine Würdigung des Aristeasbriefes darbietet.

Orientalistische Studien, die Hcrrmann während seines Wiener Aufenthalts
bei Junker und bei Hrozny trieb, waren für ihn Grundlage und Anlaß
zu einer steten Beobachtung des altorientalischen Umkreises. Einige Aufsätze
zur vorderorientalischen Literatur-, Rellgions- und Kulturgeschichte waren
die Frucht dieses Ausgreifens in die Umwelt des Alten Testaments.

Der lebhafte Anteil, den Herrmann an allgemeinen Universitätsfragen
jederzeit genommen hat, Ist dokumentiert durch eine Abhandlung „Oymna-
sium und theologisches Studium" (Allg. Ev.-luth. K.-Ztg., 1919), Insonderheit
aber durch sein für die Universität Münster so wertvolles Buch „Die Universität
Münster in Oeschlchte und Gegenwart", 2. Aufl. 1950.

Die Raumbeschränkung verbietet es, auf alle Veröffentlichungen Herrmanns
(die auch über sein Fachgebiet hinausgreifen) einzugehen. Aber man
wiid noch einer umfassenden Arbeit bei diesem Rückblick gedenken müssen,
die freilich sehr in der Stille geschehen ist, und mit der die Öffentlichkeit bisher
infolge der widrigen Verhältnisse nocli nicht bekannt gemacht werden konnte,
die aber für den Jubilar eine ebenso große Inanspruchnahme durch zwei Jahrzehnte
hindurch bedeutete wie sie charakteristisch ist für seine ganze Persönlichkeit
: das ist seine entscheidende Mitarbeit bei der von den deutschen
Bibelanstalten seit 1921 vorbereiteten Revision der Lutherbibel. Der Unterzeichnete
kann als unmittelbar Mitbeteiligter bezeugen, mit welcher Treue
Herrmann sich dieser äußerst schwierigen und fast uferlosen Arbeit, seine Mitarbeiter
immer wieder ermunternd, gewidmet hat und wie sein von einer umfassenden
und tiefen Kenntnis des Werkes des Reformators getragenes Urteil
in unzähligen Fällen der Revisionskommission Rat und Hilfe geworden Ist.
Bei dieser Arbeit ist die theologisch-philologische Begabung ganz gewiß unentbehrlich
. Es gehört aber noch ein anderes hinzu: das künstlerische Fühlen und
Gestalten. Und dieses Charisma eignet Herrmann in hohem Maße. Den Freunden
Herrmanns haben sich die Stunden des Zusammenseins stark eingeprägt,
in denen er Blätter seiner wertvollen graphischen Sammlung mit Sachkenntnis
und mit warmer Hingabe vorführte, oder die er am Flügel mit dem meisterhaften
Vortrag bedeutender Kunstwerke ausfüllte (er hat übrigens auch über
Mendelssohn und über Reger geschrieben). Auch sein lebhaftes bibliophiles
Interesse und Sammeln geht In dieser Richtung. Luthers Übersetzung Ist aber
nicht nur ein „Kunstwerk", dem der Revisor In Kongenialität begegnen soll.