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Ausgabe:

1950 Nr. 3

Spalte:

161-163

Kategorie:

Psychologie, Religionspsychologie

Autor/Hrsg.:

Rosenmöller, Bernhard

Titel/Untertitel:

Metaphysik der Seele 1950

Rezensent:

Trillhaas, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 3

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wofür auf Namen wie Ribot, Freud, Pfister, Adler, Neumann
und Jung verwiesen wird. Demgegenüber ist die „reine" Religionspsychologie
an einer zweckfreien Erkenntnis der religiösen
Phänomene interessiert. Auch sie weist im Laufe ihrer Geschichte
verschiedene Typen auf. J. schildert die von den Nordamerikanern
ausgebildeten Arbeitsmethoden, zeigt dann die an
den primitiven Formen und an der Religionsgenese interessierte
völkerpsychologische Methode (Wundt), erörtert nacheinander
die tiefenpsychologische (Osterreich), die experimentelle Methode
der Würzburger Schule (Külpe, Bühler, Marbe und ihre
theologischen Fortsetzer), die Strukturpsychologie und die
Methode der Selbstbeobachtung. Merkwürdigerweise wird hier,
bei der Erwähnung von Dilthey und besonders Spranger die
Kritik besonders stark, die sich in dem Vorwurf des Subjektivismus
(S. 56) zuspitzt. Aber J. verhält sich allen geschilderten
Arbeitstypen gegenüber kritisch und versucht darzulegen
, wie er selbst aus allen Methoden das Beste wählen und
sich zu eigen machen möchte.

Nun hat J. seinen Darlegungen keinen Religionsbegriff
vorausgeschickt. Erst nach der Grundlegung zu seinem zweiten
Teil, in der er sich im wesentlichen — trotz kritischer Äußerungen
— auf den Boden der alten „Vennögenspsychologie"
stellt, erhalten wir S. 101 eine Definition der Religion: „das
durch raumzeitliche Wirklichkeit vermittelte Verbundensein des
gesamten (d. h. in allen seinen drei Seelenvermögen berührten
und mit denselben beteiligten) Menschen mit einer selbst an
das Raumzeitliche nicht gebundenen . . Macht, d. h. mit der
Gottheit. Kürzer gefaßt: Religion ist (ebenso denk- wie ge-
fühls- und willensmäßiges) Verbundensein des Menschen zur
Gottheit". In diesem Zusammenhang finden sich längere Erwägungen
über die Beteiligung des Gefühls und der Vorstellung
an der Religion und, unter Bezugnahme auf R. Otto,
eine Darlegung über die Mannigfaltigkeit der religiösen Gefühle
. Die Inbezugsetzung der Religion zu den Bezirken des
Einzellebens (Erotik, Wissenschaft, Kunst, Sittlichkeit) wie
zum Leben der Gemeinschaft bringt m. E. keine neuen Erkenntnisse
, leidet aber an begrifflicher Unscharfe und geht an
entscheidenden Problemen vorbei.

Daß J. auch die Religionspathologie in Angriff nimmt, ist
ein Vorzug dieser Darstellung. Dieser Sektor hat ja in jüngerer
Zeit oft die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Leider ist J.s
Darstellung dieses Gebietes aber doch zu knapp, zu peripher,
und von den neueren Problemen auf diesem Gebiete ganz unberührt
.

Am lebendigsten wird J. in dem Schlußabschnitt, in dem
er sich mit den Fragen der religiösen Entwicklung beschäftigt.
Ausweislich des Vorwortes hat hier überhaupt das vorliegende
Buch seinen „Sitz im Leben" insofern, als Unterrichtsaushilfe
während des letzten Krieges bei dem Verf. ein katechetisches
Interesse geweckt hat. Freilich ist auch dieser Abschnitt ohne
Kontakt mit der einschlägigen Forschung und gewissermaßen
„aus der Praxis für die Praxis" geschrieben, wodurch J. doch
wohl auf das Gebiet der „angewandten" Religionspsychologie
im Sinne seiner eigenen Ausführungen hinüberwechselt. Es ist
eigentlich ein Abriß der Katechetik, worauf das ganze Buch
damit hinausläuft, jedoch wiederum ohne weitereu Zusammenhang
mit der seither reichlich dargebotenen und theologisch —
wie auch psychologisch — stark ausgeprägten katechetischen
und pädagogischen Literatur.

Der Wert des Buches ist dadurch erheblich gedrückt, daß,
von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, die Literatur
der letzten 20 Jahre unberücksichtigt geblieben ist. Nun ist es
nicht meine Meinung, daß in den Literaturangaben allein schon
der wissenschaftliche Ausweis läge. Aber es kommt in diesem
Falle hinzu, daß sich die psychologischen Untersuchungsmethoden
in neuerer Zeit so verfeinert haben und daß wir
eine ganze Reihe von Gesamtdarstellungen wie von Einzelanalysen
erhalten haben, die den Rahmen der „Religious-
psychologie" in dem hergebrachten Sinne gesprengt haben in
Richtung auf die Existenzerhellung überhaupt, daß jeder dazu
Stellung beziehen und m. E. auch davon gelernt haben müßte,
der sich heute zum Thema „Religion" verantwortlich äußert.
Das vorliegende Buch ist aber von jenen phänomenologischen
Methoden so weit entfernt, daß es dieser Forschvingsrichtung
kaum ansichtig geworden ist. Es kommt wenigstens 20 Jahre
zu spät.

Göttingen Wolfgang Trillhaas

Rosenmöller, Bernhard: Metaphysik der Seele. Münster: Aschendorff
1947. VIII, 224 S. 8°. Kart. DM7.50.

Wie schon der Titel nahelegt, handelt es sich in diesem
Werke nicht um eine Psychologie im heutigen Sinne, sondern
um ein Kapitel Metaphysik im Sinne des Neuthomismus, und
zwar um den Fragenkreis, den man in der traditionellen scholastischen
Terminologie mit „rationaler Psychologie" bezeichnet
hat. Will man eine Bezeichnung wählen, die dem heutigen
wissenschaftlichen Sprachgebrauch entspricht, so wird man
das Buch am besten als Persönlichkeitslehre kennzeichnen.
Es ist die These des Verf.s, daß das persönliche Erleben des
Menschen nur dann sinnvoll ist, wenn in ihm bewußt oder doch
„einschlußweise" das Dasein eines persönlichen Gottes anerkannt
wird. Anders ausgedrückt: Persönlichkeit des Menschen
und Persönlichkeit Gottes, rationale Psychologie und
natürliche Theologie ergänzen sich gegenseitig mit innerer Notwendigkeit
.

Im Grunde wird diese These in allen drei Teilen des
Buches durchgeführt. Der erste Teil behandelt die Anerkennung
des Daseins Gottes im personal-geistigen Leben. Das
wird für das „sinnerfragende" Denken — wir würden vielleicht
sagen: für die Seinserkenntnis —, sodann für die ästhetischen
und ethischen Akte durchgeführt. Wenn auch jeder Abschnitt
dieser Betrachtung sofort der genannten These dienstbar gemacht
wird, so sind doch die einzelnen Überlegungen empirisch
aufgeschlossen. In dem der Ethik gewidmeten Abschnitt
ist die geistige Führung Schelers unverkennbar. Mir fiel besonders
bei der Behandlung des Gewissens, die ganz der Analyse
von H. G. Stoker (Das Gewissen, 8011111925) folgt, auf, daß
die Lehre von der conscientia antecedens fehlt, die man sonst
meist in den katholischen Moraltheologieu findet. — Der zweite
Teil ist betitelt „Die Uberzeugung vom Daseins Gottes".
Nachdem über das Wachstum der verschiedenen Arten von
Uberzeugungen vom Dasein Gottes und über den übernatürlichen
Charakter des Gottesglaubens einiges ausgeführt wurde,
wendet sich das eigentliche Interesse des Verf.s den Gottesbeweisen
zu. Wenn auch hierbei durch die Betonung der erforderlichen
Mithilfe Gottes und der notwendig vorauszusetzenden
sittlichen Einstellung gewisse Einschränkungen des
„Beweis"-Charakters dieser Beweise gemacht sind, so wird
doch in einer Fülle von Beweisen, die das Maß des hier traditionell
üblichen weit überschreitet, eine ziemliche Zumutung
an den Leser gestellt. Es soll damit nicht bestritten werden,
daß jeder einzelne Satz, etwa über den Wert der menschlichen
Person, über das Wesen der Verpflichtung, über das Anver-
trautsein unseres Daseins oder den Sinn unserer Verantwortung
tiefe Wahrheit enthält. Es scheint mir aber doch so zu sein,
daß die gemeinte Wahrheit aus dem analysierten Phänomen
hervorleuchten, sich gewissermaßen selbst zur Gegebenheit
bringen muß, daß die philosophische Aufgabe aber dann eben
darin besteht, daß in dem „Aufweis" der andere Mensch zu
einer bestimmten Sicht, d. h. aber zu einer eigenen Begegnung
mit den Tatbeständen genötigt wird. Die Schlußfolgerung jedoch
verwandelt die Phänomene in „Sätze" und damit zu
Gliedern in einem Verfahren, durch das die Vernunft zu Eingeständnissen
gezwungen werden soll. Sind die „Beweise", die
der Verf. vorführt, nicht so gemeint, warum nennt er sie dann
Beweise? — Im dritten Teil wird „die Bindung des Seelengrundes
an Gott" behandelt. Erfahrung allein kann dieGottes-
erkenntnis nicht begründen. Der Geist bringt das Wissen um
Gottes Dasein irgendwie mit, doch ist zudem eine Erleuchtung
des Geistes nötig (Berufung auf die Erleuchtungslehre Bonaventuras
). Die natürliche Religion, zu der sich der Verf. unter
vorsichtiger Verwahrung gegen die evangelische Theologie
(S. 190) bekennt, ist also einerseits nicht als ein Verzicht auf
Gottes gnadenhaftes Mitwirken bei der Erkenntnis der höchsten
Dinge zu verstehen, andererseits wird dann doch der
Vernunft Erstaunliches zugetraut. Noch einmal holt am
Schlüsse sein Buch zu fünf Beweisen für die Unsterblichkeit
der Seele aus, bei denen wieder die Frage entstellt, wieweit sie
als „zwingend" angesehen werden können.

Alles hi allem zeigt dieses Buch eine optimistische Gesamtansicht
der Dinge, optimistisch sowohl was die menschlichen
Erkenntnismöglichkeiten anbelangt, optimistisch hinsichtlich
des Zusammenwirkens von wahrnehmender Erfahrung
, schlußfolgernder Vernunft und einleuchtender Gnade
Gottes 111 einer prästabilierten Harmonie, optimistisch auch
bezüglich der letzten Bestimmung des Menschen. Auf der
ganzen Linie ist das Buch von der Zweigleisigkeit des Denkens,
der Methode und der Autoritäten gekennzeichnet, die das
Merkmal der Neuscholastik ist, so wenig alle Kapitel ohne
weiteres als scholastisch gekennzeichnet werden können. Die
metaphysische Betrachtung wird durch die theologische ergänzt
die Empirie muß durch Vernunftschlüsse ergänzt werden
, die natürliche Religion ist der notwendige von Gott gewollte
und bestimmte Unterbau für die Vereinigung Gottes
mit den Menschen (so S. 192).

Der Verf., vormals Professor in Braunsberg und Breslau,
beklagt im Vorwort die ungünstigen Umstände der Entstehung
des Buches, besonders das Fehlen verfügbarer Lite-