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Ausgabe:

1950 Nr. 3

Spalte:

158-159

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Smith, Herbert Maynard

Titel/Untertitel:

Henry VIII and the reformation 1950

Rezensent:

Thurmann, Erich

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 3

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Problematik etwas unzureichend weg (Spätjudentum S. 11;
das rabbinische Material hätte wohl ein eingehendes Urteil
erfordert. Die groben Züge hätten sich zwar nicht gemildert,
wohl aber wären sie noch anders beleuchtet worden). Wir
brauchen allerdings eine Neubearbeitung gerade des religionsgeschichtlichen
Materials zum Lohn- und Lobgedanken (Vergleich
dieser beiden verwandten Motive). G. Bornkamm stellt
theologisch fest: „Weil Jesus Gott nicht aus den Augen läßt,
weil Gottes Entscheidung das letzte Wort behält, darum hält
er an dem Lohngedanken fest (S. 22). Die gewissenhafte Abgrenzung
gegenüber falschen Interpretationen des neutesta-
rnentlichen Lohngedankens muß ausdrücklich hervorgehoben
werden. Gerade für die kirchliche Verkündigung ist hier ein
guter Dienst getan.

Tübingen Otto Michel

Vogels, Henr. Jos.: Novum Testamentum Graece et Latine. Pars

Prima: Evangelia et Actus Apostolorum. 3. Aufl. Freiburg: Herder [1949].
X, je 478 S. lat. u. griech. kl. 8°. Lw. DM 9.—.

Es ist sehr erfreulich wie überall die Arbeit am Bibeltext
wieder begonnen hat. Neben den Neudrucken des Stuttgarter
Griech. NT (18. Aufl. 1948, 19. Aufl. 194°. unverändert gegenüber
der 17. Aufl. von 1941) erschien schon 1943 in Madrid:
N'T' Biblia Graeca et Latina von Joseph M. Bover, S. J.,
Barcelona. 1947 erschien, nach verschiedenen Neudrucken der
ersten Ausgabe von 1912, die editio altera von A. Souter,
Oxford; 1948 in Rom die 6. Aufl. von Aug. Merk, S. J., nach
des Herausgebers Tod (1945) besorgt von S. Lyonnet, S. J.
Und nun liegt 1949 die 3. Aufl. von Vogels-Bonn vor. Sie erscheint
in neuem Gewand, weil in den Verlag von Herder übergegangen
; die Typen hätte man sich etwas kräftiger wünschen
können, auch ist da und dort ein i oder l nicht zum Abdruck
gekommen; aber sonst ist der Druck sehr korrekt; im Apparat
sind mir nur ganz wenige Druckfehler aufgestoßen. Die Anlage
ist dieselbe geblieben, aber ein Vergleich, wenigstens mit
der 1. Aufl. (seinerzeit von H. Lietzmann ThLZ 1923, Nr. 3,
Sp. 49—54 besprochen) zeigt, wie der Herausgeber daran
weitergearbeitet hat.

Der Text ist, soweit ich beobachtet habe, an gegen
90 Stellen geändert, und zwar überwiegend vom ägyptischen
zum Koine-Text hin (der nicht immer zugleich mit der lateinischen
Uberlieferung parallel läuft, z. B. Mt. 7, 16 atacpvkjjv);
an größeren Änderungen nenne ich: Mt. 21, 29. 30 die Voranstellung
des Neiu-sagers; Mt. 23, 13. 14 die Aufnahme von
öti xaTeo&Ure unter Voranstellung vor bxi hX»U*i; Mk. 9,
44. 46; 11, 26 sind in den Text aufgenommen. Vielfach sind
bisher in Klammern stehende Wörter jetzt olme solche gesetzt
und umgekehrt. In manchen Fällen ist aber auch jetzt der
ägyptische Text befolgt, z. B. Mk. 15, 6 dt> na?u?ovvTo. Daß
Vogels dabei überall sein eigenes Urteil hat, zeigt z. B. die
verschiedene Behandlung der Stellen, die Westcott und Hort
als western non-interpolations in Doppelklammern setzten
(vgl. Nestle, NT, S. 23"): 1) Mt. 27, 49b ist von Vogels 1-3 in
den Apparat verwiesen; 2) Luk. 22, i9t>2o ist ohne Klammer
in den Text genommen; 3) Luk. 24, 3. 6. 36 stehen die betr.
Wörter in Vogels1 olme Klammer, in 3 mit einfacher Klammer
im Text; 4) Luk. 24, 12. 40. 51. 52 in 1. Aufl. im Text ohne
Klammer, jetzt in Doppelklammer. Einfache Klammer bedeutet
bei Vogels: zweifelhaft, ob ursprünglich; Doppelklammer
: nicht ursprünglich. Es wäre aber zu wünschen, daß
bei Verwendung von Klammern regelmäßig im Apparat die
Zeugen für Setzung bzw. Auslassung genannt würden, damit
der Leser sich selbst ein Bild machen kann (z. B. Mk. 14, 8).

Im Apparat ist fast auf jeder Seite geändert worden: neue
Lesarten wurden aufgenommen (im Notfall weniger wichtige
gestrichen, um Platz zu haben); zu den vorhandenen wurden
weitere Zeugen beigefügt, besonders wurden die Angaben über
W und ö vermehrt (doch sollten diese überall genannt sein,
wenn ihre Lesarten vorkommen), ebenso über Irenäus, Hilarius
u. a. Auffallend ist, daß nirgends Papyri genannt sind;
Vogels schrieb mir darüber: „Die Papyri-Ausgaben waren mir
leider ebenso wie Leggs Matthäus nicht erreichbar; für den
zweiten Band konnte ich P4" noch in letzter Stunde erhalten
und verwerten". Im Unterschied von „Nestle" bringt Vogels
keine Interpunktionsvarianten (auch nicht, wo sie altbezeugt
sind, wie Joh. 1, 3. 4.), auch keine Konjekturen; dagegen
bietet er darüber hinaus manche Varianten, die nur lateinisch
und syrisch überliefert sind; diese wären vielleicht besser überall
lateinisch zu geben, weil die Rückübersetzung ins Griechische
nicht immer sicher ist: z. B. Mt. 9, 30 na^ay^fia: oder
eher eiO-va ? Eine Anzahl kleiner Ungenauigkeiten, wie sie bei
einer solchen Arbeit unvermeidlich sind, habe ich dem Herausgeber
für eine Neuauflage mitgeteilt. Hier seien genannt:
Mt. 9, 15 vrjoxevuv nur vet-lat, nicht lat (ebenso 10, 42 für

&,Ttölrtai b (iiod-os); Mt. 15, 6 muß e statt k stehen; Mk. 4, 19
hat D dndiai, O al dndtai; Mk. 5, 41 liest D daßi-td; Joh. 5, 7:
min. 64 liest ri/v laa. (vgl. Tischendorf III, 1276); Joh. 13, 24:
Tzv&eo&ai rie äp e'lr] steht im Sinaiticus vor, nicht statt Kai . . .
lativ; Act. 9, 30: E liest Ötd vvxtös.

Der lateinische Teil gibt den amtlichen Text von 1592
und im Apparat die Abweichungen der ursprünglichen Vul-
gata nach der Textherstellung von Wordsworth-White (im
griechischen Apparat ist diese, nicht 1592 als vg angeführt).

So mag sich diese Ausgabe, deren Hauptbedeutung in der
stärkeren Heranziehung der Lesarten der alten Übersetzungen
besteht, auch im neuen Gewände weiterhin Freunde erwerben;
ihr zweiter Teil soll demnächst erscheinen.

Ulm a.D. Erwin Nestle

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Smith, Herbert Maynard: Henry VIII and the Reformation. London:
Macmillan 1948. XV, 480 S. 30/- sli.

Dieses Buch ist das letzte Werk eines im Januar 1949 im
Alter von fast 80 Jahren verstorbenen anglikanischen Theologen
, der zuletzt Kanonikus in Gloucester war. Es bildet die
Fortsetzung zu dem 1938 erschienenen „Pre-Reformation
England".

Schon in diesem Werk hatte sich S. mit besonderer Liebe
mit der ersten englischen (Oxforder) Humanistengeneration
(Erasmus, Colet, More) beschäftigt und deren Ringen um eine
kirchliche Erneuerung dargestellt. Dieses Thema nimmt er in
seinem letzten Buche wieder auf und sucht die Ziele der Oxford
Reformers als die der anglikanischen Kirche in ihrer Majorität
gemäßen zu erweisen. Von diesem Standpunkt aus werden die
Persönlichkeiten und Ereignisse der englischen Reformation
beurteilt.

Demgemäß hält S. die Entwicklung der Reformation
unter Edward VI. in ihrer Bekenntnisbildung für eine vorübergehende
Fehlentwicklung, und zwar in erster Linie deshalb
, weil ausländische Theologen dabei eine entscheidende
Rolle gespielt haben. Er gehört zu der großen Gruppe von
Anglikanern, die jede „foreign interference" in kirchlichen Angelegenheiten
scharf ablehnt und in der „insularen Katholizi-
tät" eines Gardiner ihr Ideal sieht (S. 205).

Es ist der sympathischste Zug des Buches, daß es trotz
seiner Grundeinstellung auch den englischen Wegbereitern der
protestantischen Reformation — in erster Linie Cranmer —
durchweg gerecht wird. Die Charakterschilderung ist S.s
Stärke. Das Bild, das er von der komplizierten Persönlichkeit
Heinrichs VIII. entwirft, ist geradezu meisterhaft. Thomas
Cromwell zeichnet er — wie die meisten modernen englischen
Historiker — als reinen Macchiavellisten und zieht in Zweifel,
ob dieser ,, Generalvikar" überhaupt ernsthafte religiöse Interessen
gehabt habe (S. 44ff., S. 130). Hierin werden wir ihm
folgen und die weithin bei uns gültige Cromwell-Auffassung
revidieren müssen.

Eben wegen der sachlichen Haltung, die S.s Werk sonst
durchweg auszeichnet, ist es bedauerlich, daß die deutsche
Reformation in einer Art und Weise abgetan wird, wie man
das sonst in der heutigen wissenschaftlichen Literatur nur noch
selten findet.

Das Lutherbild S.s zeigt so manchen Zug aus der Propagandaliteratur
, die auch der zweite Weltkrieg leider in England
hervorgebracht hat: Luther als der Urheber des Bauernkrieges
und — durch seine Lehre vom „godly prince" und vom
„servile (!) will" — Wegbereiter des totalitären Staates
(S. 3081.), Luther als Mittelpunkt feuchtfröhlicher Gelage in
WittenDerg (S. 288); die deutschen lutherischen Fürsten als
schamlose Plünderer des Kirchengutes (S. 109), die eine
Einigung in Regensburg 1541 schon deswegen ablehnen, weil
sie sonst ihren Raub wieder zurückgeben müßten (S. 185).
Glücklicherweise haben alle derartigen Anschuldigungen bereits
in England durch den methodistischen Theologen Gordon
Rupp (Martin Luther, Hitler's cause or eure? — London:
Lutterworth Pr. 1945) eine glänzende Widerlegung erfahren.

Von einem solchen Luther, der zudem die Vernichtung
aller Literatur außer seiner Bibelübersetzung propagiert
(S. 347), der die Kirchenspaltung bewußt erstrebt (S. 261) und
der einen Solifidianismus erfunden hat, „auf dessen Boden
kaum jemand in England steht und für den sich nur wenige
interessieren" (S. 320), darf natürlich die englische Reformation
auf keinen Fall abhängig sein. Dementsprechend wird zu
beweisen versucht, daß keiner der englischen Reformatoren
Lutheranhänger war — abgesehen von Barnes, der deswegen
auch am schlechtesten wegkommt (S. 288 u. 360), und Tyndale,
der wenigstens in seiner puritanischen Lebeuseinstellung in