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Ausgabe:

1950 Nr. 3

Spalte:

155

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Weber, Max

Titel/Untertitel:

Aus den Schriften zur Religionssoziologie 1950

Rezensent:

Trillhaas, Wolfgang

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155

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 3

156

W u n d e rl e, Georg: Der religiöse Akt als seelisches Problem. 2,, veränd.

Aufl.] Würzburg: Ferd. Schöningh 1948. 36 S. 8° = Abhandlungen zur
Philosophie und Psychologie der Religion. Unter Mitwirkung v. Prof. Dr.
Jos. Hasenfuß, Würzburg, hrsg. v. Prof. D. Dr. Georg Wunderle, Würzburg.
N. F. H. 1. Kart. DM 2.—.

Diese Schrift, ein erweiterter Vortrag des altbewährten
katholischen Religionspsychologen, ist durch die bekannte
Grundeinstellung des Verf.s charakterisiert: Eigenes religiöses
Erleben ist Voraussetzung zu religionspsychologischer Forschung
; die Wahrheitsf rage kann nicht ausgeschaltet werden ;
religiöse Texte sind vornehmste Quelle der religionspsychologischen
Forschung (hier vor allem Augustin); die vollkommenste
Religion ist das (katholische) Christentum. — In
zehn Absätzen geht dann der Verf. die eigenartige Polarität
des religiösen Grunderlebnisses durch: das Verhältnis von
Aktivität und Passivität, Erfahrung der Macht (des Zornes)
Gottes und seiner Güte, Bewußtsein menschlicher Endlichkeit
und göttlicher Unendlichkeit, Gefühl der Unsicherheit und
Geborgenheit, menschlicher Kleinheit und göttlicher Größe,
des Schenkens und des Empfangens, des Rationalen und des
Irrationalen.

Deutlich schimmern die Kategorien R. Ottos durch. Der
warme, im besten Sinne erbauliche Impuls des Heftes ist bemerkenswert
, wie denn auch am Schlüsse die praktische Frage
der Erneuerungsbedürftigkeit des religiösen Lebens und die
Möglichkeit solcher Erneuerung im „Werden wie die Kinder"
sichtbar gemacht wird. — Ein gewisses Bedenken möchte ich
dagegen aussprechen, ob man so undifferenziert von dem „religiösen
Akt" sprechen kann, ohne diesen Akt eigentlich zu beschreiben
und zur tatsächlichen Differenziertheit des religiösen
Lebens in Beziehung zu setzen.

Göttingen Wolfgang Trillhaas

Weber, Max: Aus den Schriften zur Religionssoziologie. Auswahl, Einleitung
und Bemerkungen von M. Ernst Graf zu Solms. Frankfurt/M.
Georg Kurt Schauer 1948. 358 S. kl. 8°= Civitas gentium. Quellenschriften
zur Soziologie und Kulturphilosophie. Kart. DM 7.50.

Es kann nicht der Sinn dieser Besprechung sein, die Bedeutung
des Werkes von Max Weber zu würdigen, dessen Einwirkung
auf die protestantische Theologie, vor allem auf
E. Troeltsch, in die Geschichte der Wissenschaft eingegangen
ist. Es ist ohne Frage ein Verdienst des Herausgebers, zu den
religionssoziologischen Schriften Max Webers durch eine Neuausgabe
von neuem Zugaug zu geben.

Es läßt sich aber nicht verheimlichen, daß die Freude über
die Neuausgabe der klassischen Texte durch zwei erhebliche
Schwierigkeiten getrübt ist. Einmal ist die „Auswahl" nicht
nur eine solche einzelner Schriften oder Kapitel, sondern Absätze
, Sätze, ja Satzteile sind weggelassen, so daß man das
ganze Buch hindurch auf punktierte Stellen stößt und sich
vorkommt wie ein Besucher im Gefängnis, der nur unter Aufsicht
mit dem Gefangenen sprechen darf. Die andere Erschwerung
für den Leser bildet m. E. das Vorwort, das nicht
eine durchsichtige Einführung in Max Webers Werk darstellt,
auf die mancher Neuling, unter den heutigen Studenten etwa,
begierig wäre, sondern eine recht schwerflüssige, mit Apologetik
und Polemik beladene Sache darstellt. Aber an Neulinge
scheint doch als Leser gedacht zu sein, nach den Worterklärungen
im Anhang zu schließen, wo Worte wie Derivat,
Devotion, disparat, Ecclesia u. dgl. erklärt werden.

Göttingen Wolfgang Trillhaas

NEUES TESTAMENT

Fascher, Erich: Jesus und der Satan. Eine Studie zur Auslegung der Versuchungsgeschichte
. Halle/S.: Niemeyer 1949. 42 S. gr. 8°= Hallische Monographien
, hrsg. v. O. Eißfeldt. Nr. 11. DM3.50.

Die christliche Gemeinde sieht in der Versuchung Jesu
den Beginn eines Kampfes, der die Heilsgeschichte sowie ihre
eigene Geschichte weithin bestimmt. Die gegenwärtige Generation
erfaßt dieser Kampf so stürmisch und unerbittlich, daß
sie sich über sein eigentliches Wesen und über den weiten Bereich
dessen, was hier sowohl äußerlich wie auch innerlich möglich
ist, keinerlei Illusionen hingeben kann. Wenn sie in dieser
Lage ihren Blick mit wachsender Empfänglichkeit auf den
Anfänger und Vollender ihres Glaubens richtet, dann sollte sie
sich auch über die richtunggebende Bedeutung keiner Illusion
hingeben, die gerade eben dem Beginn dieses Kampfes zukommt
; das ist das Hauptanliegen der vorliegenden Studie.

Wie die Theologie seit dem Erwachen des neuzeitlichen
Denkens mit der Versuchungsgeschichte stets ihre besondere
Not hatte und wie ihre Deutungsversuche vielfach auf eine

Verharmlosung hinauskamen, zeigt F. an der Geschichte der
Auslegung (S. 7—25). Man soll es verstehen, daß dabei ein
ehrenhaftes Streben nach Wahrhaftigkeit gewaltet hat, wenn
auch „unter dem heimlichen Diktat" einer philosophischen
Denkweise, „welche ihren letzten Ursprung im Griechischen
hat" (S. 28). Die Theologie wird sich jedoch heute der Erkenntnis
nicht verschließen dürfen, daß „Gottes Wirklichkeit
stärker ist, als unsere vermeintlich entscheidende Wahrhaftigkeit
" (S. 42); es sind ihr durch ihr jetziges Erleben so starke ■•
intuitive Verständnismöglichkeiten an die Hand gegeben, daß
das Kennwort „zeitgeschichtlich bedingt" sie nicht mehr zu
der Selbsttäuschung berechtigt, als könne sie die Versuchungsgeschichte
und ähnliche Stoffe aus dem NT beiseite schieben.
Für den Verf. bedeutet es ein beunruhigendes Zeichen der Verarmung
, daß in den letzten Dezennien zwei für ein größeres
Lesepublikum bestimmte Jesusbücher erschienen sind (R. Bultmann
und M. Dibelius), die „die Behandlung der Versuchungsgeschichte
einfach auslassen" (S. 29). Er seinerseits kann die
Versuchungsgeschichte nicht als ein Produkt der Jüngerschaft
ansehen; „für einen Menschen mit gesundem geschichtlichen
Sinn" ist es vielmehr „die beste Annahme", daß sie auf den
Meister selbst zurückgeht (S. 25). F. ist zwar nicht gewillt, den
Gegensatz zwischen Jesus und dem Widersacher spekulativ
zu ergründen und rein ontologisch zu sehen; die Glaubenserfahrung
wird vielmehr auf die Erklärung der letzten Hintergründe
verzichten. Sie weiß, daß sie es bei diesem Gegensatz
mit einem „Ubergangszustand" zu tun hat, der in einer echten
Enderwartung aufgehoben wird, „so daß letztlich doch Gott
A und O bleibt" (S. 30).; aber der Ubergangszustand ist ernst
zu nehmen. Ja, wer die Gestalt des Widersachers nicht ernst
nimmt, der kann Mt. 6, 13 nicht ernstlich beten (S. 41).

Die eindrucksvolle Lebensnähe dieses theologischen Warnrufs
wird den Leser veranlassen, geläufige Einwände systematischer
oder exegetischer Art zunächst einmal schweigend
zurückzustellen. Nur dort ist der Verzicht auf Einwände fehl
am Platze, wo der Autor das Gewicht seiner Worte selbst gefährdet
, indem er nun seinerseits dem Diktat einer Denkweise
nachgibt, die ihren Ursprung nicht im NT hat. Das scheint
mir z. B. in dem Abschnitt über den Tod Jesu der Fall zu sein.
F. fragt: „Wäre Tod das letzte Wort, wie hätte aus der Verkündigung
dieses Menschen eine Weltreligion erwachsen
sollen ?" (S. 37). Ich finde weder für den in diesem Zusammenhang
auffallenden Begriff „eine Weltreligion" noch für die
ganze Fragestellung einen Anhaltspunkt im NT. Vor allem
aber scheint mir der unbestreitbare Ernst, den Verf. der Gestalt
des Widersachers zuwendet, nicht durchgehend mit dem
Ernst der Bibel identisch zu sein. Uber die von dem Widersacher
erstrebte Störung des Verhältnisses zwischen Gott und
Mensch sagt er zwar mit vollem exegetischen Recht: „Wichtig
bleibt dabei, daß diese Störung nicht etwa aus eigenen Herzensregungen
des Menschen entspringt" (S. 28), aber er fährt
dann fort: „sondern durch einen göttlichen Widersacher in ihr
erweckt wird". Es kann nicht als berechtigte Transposition
von Sätzen wie 1. Kor. 8, 5; 2. Kor. 4, 4 o. ä. gelten, wenn ein
heutiger Theologe dem Widersacher (zweimal, hier und S. 41)
das Epitheton „göttlich" erteilt. Man darf fragen, ob sich in
einer solchen Sprechweise nicht doch eine Spur des S. 29 t.
so entschieden abgelehnten gnostischen Dualismus verrät und
ob andrerseits ein „Monotheismus", der hier Bedenken anmeldet
, wirklich lediglich im „philosophischen Denken des
Menschen" (S. 42) wurzelt.

Tübingen Otto Bauernfeind

Bornkamm, Günther, Prof. LIc: Der Lohngedanke im Neuen Testament
. Lüneburg: Heliand-Verlag 1947. 24 S. gr. 8° = Theologie und Verkündigung
. Gemeinverständliche Vorträge und Abhandl. Kart. DM 1.—.
Diese kleine Abhandlung entstammt der Festschrift für
J. Schniewind, die 1943 in einer Vervielfältigung verbreitet
wurde; nach dem Zusammenbruch konnte sie in der Zeitschrift
„Evangelische Theologie" (6. Jahrg. 1946/47, 1431I.)
und in diesem Sonderabdruck in einer würdigen Form und vor
einem größeren Leserkreis zur theologischen Diskussion gestellt
werden. Und das ist diese sorgfältige und schöne Arbeit
auch wert. Uber die Zielsetzung sagt die Einleitung: „Der Einfluß
der idealistischen Ethik wie die Frontstellung gegen die
katholische Theologie und Praxis haben dazu geführt, daß uns
im modernen Protestantismus der Lohngedanke der Bibel
überhaupt fremd geworden ist und verloren ging, und zwar,
wie wir heute nicht mehr im Zweifel sein sollten, sehr zu
unserem Schaden" (S. 4). Der Verf. fragt zunächst nach den
Grundmotiven des Begriffes (Indienstnahme, Gerichtsgedanke
, Begrenztheit der geschöpflichen Existenz) und bringt
dann eine knappe Durchführung des Lohngedankens im Neuen
Testament. Leider kommt dabei die religionsgeschichtliche