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Ausgabe:

1950 Nr. 3

Spalte:

154

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Illustreret religionsleksikon 1950

Rezensent:

Jörgensen, Alfred Th.

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153

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 3

154

Wieviel Otto für ferneres Verständnis der Religion geleistet
hat, erkennt Feigel durchaus an; er ist fern davon, den
Erfolg des Buches nur auf die Zeitströmung zurückzuführen,
darauf, daß das vom Weltkrieg erschütterte, denkmüde gewordene
Geschlecht tiefste Weisheit im Abgrund des Irrationalen
suchte und fand. Gaben Otto und Barth fast gleichzeitig
die Losung aus, Gott sei der ganz Andere, so waren
beide freilich keineswegs einig. Otto konnte im Gespräch härteste
Urteile über die Theologie der Krisis fällen, während
Andere meinen werden, der Einwand: „wenn Gott wirklich der
ganz Andere ist, können wir überhaupt nichts von ihm erfahren
", richte sich gegen beide. Aber wenn doch viele erschütterte
Menschen im Zusammenbruch feste Autoritäten
suchten, mußte ihnen Ottos feine Analyse der Frömmigkeit
und sein weiter religionsgeschichtlicher Blick viel weniger zusagen
, als die bald neu mit harter Dogmatik sich verbindende
Gerichts- (und Gnaden-) Predigt Barths. Otto sagt zwar
wiederholt, was wir an Jesus empfinden oder durch ihn erleben,
nämlich daß er uns zur vollkommenen Erscheinung des Göttlichen
wird und noch über den Propheten des Höchsten steht
als der Sohn, sei wesentlich unabhängig von mühsamen historisch
-kritischen Einzeluntersuchungen. (Hiergegen erhebt
Feigel, der über den Einfluß des Weissagungsbeweises und verwandter
Motive auf die Leidensgeschichte geschrieben hat,
Widerspruch um der Sachlichkeit geschichtlicher Forschung
willen.) Aber Otto war und blieb doch überzeugter Vertreter
kritischer Forschung, von seinen Vorträgen über Leben und
Wirken Jesu an bis zu seinem letzten Werk: Reich Gottes und
Menschensohn, während viele Heutige den Sinn für solche
Forschung ganz verloren haben, nur noch dogmatisch interessiert
sind.

Weil Ottos Buch Religionspsychologie und Religionsphilosophie
verbindet, hat das Feigels einen religionspsychologischen
und einen religionsphiiosophischen Teil. Religionsphilosophisch
geschult — einst schrieb er über den französischen
Neokritizismus und seine religionsphiiosophischen Folgerungen
— erhebt er gegen Otto hauptsächlich den Vorwurf,
psychologische und Wahrheitsfragen zu vermengen, während
letztere doch nie psychologisch entschieden werden können.
Solche Bedenken sind schon von Troeltsch wie auch von Katholiken
geäußert worden. Auch formale Kritik übt er, an
Ottos Gedankenführung und Schreibweise. Oft werde behauptet
statt bewiesen, oft seien die Begriffe nicht klar abgegrenzt
; z. B. heiße einmal die „dämonische Scheu" Vorstufe
der Religion, anderwärts aber, daß sich im Dämonischen
und Mythischen die Religion (selbst) aktualisiere. Besonders
schlimm sei die Verwendung des Begriffs Apriori, der bei Otto
— zum Teil unter Friesschem Einfluß — etwas ganz anderes
bedeute als bei Kant; Otto nenne auch Irrationales apriorisch.
Und wenn Otto unter Numinosem das Heilige versteht abzüglich
seines sittlichen Gehalts, so kämpft Feigel dagegen, daß
man grundsätzlich das Religiöse und das Sittliche auseinander
reißt; denn dann kann der, vor dem wir erschauern, auch ein
Teufel sein. Und Erscheinungen, die, wie die Religion, mit dem
Sittlichen zusammenwachsen, können ihre Vollendung nicht
finden, wo dieses zurücktritt. Aber das hätte Otto durchaus
zugegeben. Ihm kam es, wenn er das Sittliche zurückstellt,
darauf an, das Religiöse rein in seinem Wesen oder seinem Ursprung
aufzuzeigen, nicht in seiner Entwicklung zur Vollkommenheit
.

Wenn ein Buch eine solche Fülle von Fragen der Religionsgeschichte
, Religionspsychologie und -philosophie behandelt
oder doch streift wie das Ottos, und die Gegenschrift das
gleiche tut, kann eine Besprechung auf viele, auch wichtige
Einzelpunkte nicht eingehen. Bisweilen erscheint mir die
Schärfe von Feigels Kritik unbillig; wenn Otto einmal von
„Grund oder Objekt der Freude" spricht (bei Feigel S. 37) und
Feigel das als Verwechslung bemängelt, so sind erstens Grund
und Objekt hier oft wirklich identisch und zweitens scheint
mir „oder" da auch disjunktiv verstanden werden zu können.
Aber Feigel steht in derselben Geisteswelt wie Otto; das zeigen
Sätze wie: „Die hohe Wertung des Gefühlsmoments durch
Schleiermacher und Otto hat jedenfalls das eine große Verdienst
, die Gefühlsbetontheit des religiösen Erlebnisses eindrucksvoll
zum Bewußtsein gebracht zu haben. Das religiöse
Erlebnis ist tatsächlich ganz in das Gefühl eingebettet, und
daraus kann der Schein entstehen, als sei es selbst ganz und
gar Gefühl" (63). Daß man sich klar mache, worin Otto und
Feigel übereinstimmen und welche ihre Hauptgegensätze sind,
ist wichtiger als manche interessante Einzelfrage, z. B. Feigels
Widerspruch gegen die Subjektivität, mit der Otto echte Divi-
nation des Heiligen von ekstatischem Wahn unterscheidet und
dem Christentum den Vorrang vor allen anderen Religionen
gibt. Konnte, nach fleißiger wissenschaftlich-kritischer Forschung
, mit den beiden Weltkriegen ein neues Zeitalter des
Irrationalismus einsetzen, so bleibt Feigel ein Anwalt der Vernunft
. „Die Schranken der Vernunft hat die Wissenschaft von
der Vernunft aus zu sehen und ernst zu nehmen, nicht vom
Irrationalen her, so wie Kant die Kritik der reinen Vernunft
mit den Mitteln eines kritischen Rationalismus, nicht eines
Irrationalismus bewerkstelligt hat" (128). „Die Religion rationalisieren
hieße gewiß sie aufheben, aber es ist auch verhängnisvoll
, wenn man die Theologie und Religionsphilosophie zu
irrationalisieren versucht" (12g). Bei genialer psychologischer
Einfühlung zeige Ottos Buch doch Mangel an erkenntnistheoretischer
Fundierung und systematischer Stichhaltigkeit,
wie solcher Mangel gelegentlich auch bei Dilthey dasgewesen
sei — Otto mit diesem zu vergleichen ist in der Tat berechtigt.
Und wie in der Geschichte sittlicher Religion Sittlichkeit und
Frömmigkeit sich nicht nur verschmolzen haben, sondern auch
oft in Spannung zueinander getreten sind, so wird in der Auffassung
der Religion auch künftig der Gegensatz bleiben, den
wir zwischen Otto und Feigel wahrnehmen. „Es ist eine Gewaltsamkeit
, wenn man im Gruseln vor dem Unheimlichen,
aber nicht in dem ehrfürchtigen Schauder vor dem kategorischen
Gebot des Sittengesetzes spezifisch Religiöses anerkennen
will. Ein Mensch wird an der Natur, ein anderer am
Schicksal, ein dritter an sittlicher Not sein religiöses Urerleb-
nis haben" (132). Und wenn Otto in bezug auf die Wurzel der
Religion recht haben wird — Feigel meint: „Man wird gut tun,
nach Wesen und Wert einer Pflanze nicht die Wurzel, sondern
die Frucht zu befragen" (134). Schleiermacher setzte das
Wesen der Religion ins Gefühl und trennte sie scharf von
Metaphysik und Moral; aber seine Predigten haben großenteils
sittlichen Inhalt und das Verhältnis von Religion und theoretischer
Philosophie kam bei ihm nie zum Abschluß. Otto hat
die Psychologie der Religion über Schleiermacher hinaus geführt
; ist es ein Wunder, daß auch bei ihm das Verhältnis der
Religion zur Sittlichkeit und zur theoretischen Philosophie ungelöste
Fragen in sich schließt, auf die hinzuweisen Feigel
recht tat ?

Niederbobritzsch H.Mulert

Ulustreret Religionsleksikon, red. von Aaage Bentzen, Soren Holm

und N. H. Söe, Bd. I: A—F. Skandinavisk Bogforlag. 522 S. (2 Spalten).

In weiten theologischen Kreisen ist es ein dringender
Wunsch, ein modernes theologisches Lexikon zu erhalten.
Eine neue Ausgabe der großen protestantischen Realenzyklopädie
wäre das beste; die muß wohl aber warten, bis die
Zeiten besser werden. Nun haben aber drei Professoren an der
Theologischen Fakultät in Kopenhagen angefangen, ein Reli-
giouslexikon hinauszuschicken, dessen erster Band, A bis F.
vorliegt. Und es muß sofort gesagt werden, daß auch Theologen
außerhalb Dänemarks, die Dänisch verstehen, hier ein
sehr nützliches Handbuch erhalten werden.

Das neue Lexikon ist nicht nur protestantisch und nicht
nur kirchlich und christlich, sondern ein Religionslexikon, in
dem auch andere Religionen wie etwa Buddhismus, Brahma-
nismus, assyrische und babylonische Religion behandelt werden
. Auch die Philosophie wird berücksichtigt in Artikeln wie
Aristoteles, Cicero, Existentialismus usw. Auch Männer wie
Aischylos und Freud sind verhältnismäßig ausführlich behandelt
. Weil man so weit gegangen ist, werden die Artikel
freilich oft sehr kurz. Auf der anderen Seite ist es aber ein Vorteil
, daß man Auskunft findet über so viele Personen und so
viele Themata. Die Verf. sind alle Dänen mit Ausnahme
einiger Autoren aus Norwegen und Schweden.

Was man besonders hervorheben muß, ist erstens die
außerordentlich große Zahl von Biographien, glücklicherweise
auch von Personen, die noch leben. Es wird schwierig sein,
eine bedeutende religiöse Persönlichkeit zu nennen, die in
dem Lexikon nicht zu finden ist. Wir haben hier Ammundsen,
Aulen, Asmussen, die beiden Bodelschwingh (von denen Vater
B. jedoch ganz unbefriedigend behandelt ist), Dürkheim, Berg-
grav, Eidein, Deissmann, Dibeliususw. Nur Amerikaner fehlen.
Namen wie Aasgaard, Boe und Fry stehen nicht in dem Buch.

Das andere, was hervorgehoben werden muß, sind die
Bilder. Und hier kann man nicht genug loben. Eine ganze
Menge vortrefflicher Illustrationen, nicht nur von Personen,
hat man von vielen Ländern ausgesucht, und zwar oft recht
unbekannte Bilder.

Außer dem Fehlen der amerikanischen Namen müssen
als Schwäche des Werkes auch verschiedene der systematischen
Artikel erwähnt werden; außerdem repräsentieren die Verf. oft
recht verschiedene Auffassungen.

Aber — als letztes Wort: Das Lexikon erscheint eben zu
der Zeit, in der ein solches Werk erwünscht ist.

Kopenhagen Alfred Th. Jörgensen