Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1950 Nr. 2

Spalte:

97-100

Kategorie:

Katholische Theologie

Autor/Hrsg.:

Schmaus, Michael

Titel/Untertitel:

Katholische Dogmatik 1950

Rezensent:

Schultz, Werner

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

97

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 2

98

Als Anhang sind der Textausgabe beigegeben die dem
Sakrarnentar in der Handschrift vorangehenden Texte über
die Creatio raundi, und eine angehängte Liste von Meßperi-
kopen für einige Cotidianae und ein kleines Commune Sanc-
torum. Daneben mögen Libelli für die Festzeiten gebraucht
worden sein. Die Perikopen sind sonst sehr uneinheitlich bezeugt
, und die kurze Liste deutet darauf hin, daß es sich wohl
um „noch sehr bescheidene gottesdienstliche Bedürfnisse an
einer noch sehr primitiven klösterlichen Kultstätte" gehandelt
haben muß. Aber einige Varianten der Perikopentexte weisen
nach Irland.

Im Ganzen — und das ist ein Teil seines allgemein-kircheu-
geschichtlichen Ertrages — macht das Prager Sakrarnentar
die Mahnung Karls d. Gr. von neuem verständlich: „Psalmos,
notas, cantus, computum, grammaticam per singula mona-
steria aut episcopia et libros catholicos bene emendate: quia
saepe dum bene aliqui Deum rogare cupiunt, sed per inemen-
datos libros male rogant" (MG. Capp. I 60 Nr. 72). Den Herausgebern
und Mitarbeitern, vor allem aber Pater D. Dold, gebührt
Anerkennung und Dank für diese erstaunliche Arbeit.

Hannover-Bothfeld Gerhard Kunze

KATHOLISCHE THEOLOGIE

Schmaus, Michael, Prof.: Katholische Dogmatik.3. u. 4. umgearb. Aufl
Bd. I, 1 u. 2.: Gott der Dreieinige. München: Hueber [1948J. XVI, 648 S-
gr. 8°. DM 17.—.

Von der seit langem erwarteten Neuauflage der Katholischen
Dogmatik von M. Schmaus — die erste Auflage erschien
im Jahre 1937, die zweite 1939 — ist jetzt der erste
Band erschienen. Die drei weiteren Bände (Bd. II, Schöpfung
und Erlösung, Bd. III, Die Kirche und das göttliche Leben,
Bd. IV, Die Lehre von den Sakramenten und den letzten
Dingen) sollen noch in diesem Jahr erscheinen. Der vorliegende
erste Band, der die Gotteslehre zum Inhalt hat, ist völlig umgearbeitet
worden. Größere Klarheit und Übersichtlichkeit
und stärkere Heranziehung des dogmengeschichtlichen Materials
werden vor allem erstrebt. Auch die protestantische theologische
Literatur — so vor allem Kittels Wörterbuch zum
NT — wurde im größeren Umfang verwertet (Luther wird
dagegen nur einmal kurz erwähnt [181], aber im Personenregister
nicht aufgeführt). Der Verf. glaubt, wie er selbst in
seinem Vorwort zu dieser Auflage bemerkt, ,,daß er durch sein
Vorgehen auch selbst einen Beitrag zu den echten Una-Sancta-
Bestrebungen leistet, in dem er einerseits die Unterschiede klar
und bestimmt herausarbeitet, andererseits die Möglichkeiten
eines Gesprächs aufzeigt4/XI". In der Tat muß der protestantische
Theologe die erfreuliche Tatsache feststellen, daß das
vorliegende Werk weithin die Möglichkeit eines echten Gesprächs
eröffnet. Einige der Hauptgegenstände dieses Gesprächs
seien im Folgenden umrissen.

Im Hinblick auf die beiden Konstanten des katholisch
systematischen Denkens: Augustin und Thomas von Aquin
hält der Verf. klug die Mitte zwischen beiden, wobei eine
größere Vorliebe für Augustin bemerkbar wird, der oft und
sehr ausführlich zitiert wird, wie andererseits auch die Heranziehung
der mystischen Literatur, und zwar nicht nur — wenn
auch besonders — eines Eckehardts, sondern auch die von Tauler
und Seuse beachtbar bleibt. So kommt es, daß der Rahmen
des Ganzen zunächst sehr weit gespannt wird: es gibt natürliche
Offenbarungen und übernatürliche Offenbarungen, und
es gibt spekulative Theologie und positive Theologie, von deren
Verbindung es dann heißt: „Das natürliche Licht der Vernunft
und das übernatürliche Licht der Glaubensgnade verbinden
sich ... zu einem organischen Ganzen" (21). Das liegt
durchaus auf der Linie des Satzes der alten katholischen Dogmatik
: gratia non tollit naturam sed perficit. Auffallend ist
dann doch die stärker als katholisch übliche reservierte Haltung
gegenüber der griechischen Philosophie, die sich in der
neueren Bewegung des katholischen Denkens (vgl. Scheler,
J. Hessen, Adam u. a.) überhaupt bemerkbar macht, die aufdämmernde
Erkenntnis, daß sich diese „natürliche Offenbarung
" doch nicht so ohne weiteres mit der übernatürlichen
Offenbarung zu einem „organischen Ganzen" verbinden läßt.
So bemerkt der Verf., daß von Plato und Aristoteles kein gerader
Weg zu dem Gott der Offenbarung führe, daß der Gott
Piatos und Aristoteles' nur eine „schwache Idee" sei, und daß
es Thomas von Aquin nur nach vielen „Verwandlungen und
Umformungen" und „unter großem Widerspruch der von
Augustinus herkommenden theologischen Richtung des
13- Jahrhunderts" gelungen sei, Aristoteles in der Theologie
Heimatrecht zu verschaffen (29L, 43), wobei er die Frage un-
erörtert läßt, wie weit Thomas auch die genuinen Begriffe der

Theologie umformen mußte, um die Einheit mit Aristoteles
herzustellen (vgl. dazu Johs. Hessen, Piatonismus und Prophetismus
1939, i58ff.). Unklar bleibt dann nur, wie der Verf.
dann doch noch die Theologie eine „Wissenschaft im Sinne des
Aristoteles" (33) nennen kann.

Noch auffallender ist dann bei der zunächst so weiten
Rahmenspannung die völlig ablehnende Haltung des Verf .s zu
den außerbiblischen Religionen. Entweder heißt es: „Im
außerbiblischen Bereich begegnet uns der Monotheismus kaum
noch irgendwo" (369) oder es heißt, „Im außerbiblischen Bereich
ist Gott entweder eine machtlose Idee (Plato, Aristoteles,
Neuplatonismus, Hegel) oder ein den Menschen versklavender
Despot nach menschlicher Art" (373) oder „Alle nichtchristlichen
Religionen tragen . . . pantheistisches Gepräge" (280).
Gegen derartige allgemeine Formulierungen muß sowohl der
protestantische Theologe wie auch der Religionsgeschichtler
protestieren. Sie werden der Fülle der in der Geschichte erscheinenden
Religionen nicht gerecht. War es nicht ein katholischer
Forscher, der Pater W. Schmidt, der in seinem großen
Werk „Der Ursprung der Gottesidee" die — heute allerdings
kaum noch haltbare — These von einem Urmonotheismus
auch in den primitiven Religionen vertrat ? Und gibt es nicht
ausgesprochen monotheistische Religionen nichtpantheisti-
schen Charakters wie Mazdaismus, israelitische Religion,
Islam oder in Gegensatz zum Polytheismus stehende Religionen
pantheistischen Charakters wie Teile der indischen
Religion oder der Taoismus ? Gibt es nicht außerbiblische
Religionen, für die Gott nicht der den Menschen versklavende
Despot ist, wie z. B. für die Religion der Bhagavadgita oder
den Amida-Buddhismus ? War wirklich der Gott der Philosophen
von Plato bis Hegel nur eine machtlose Idee ? Obwohl
die protestantische Theologie im Gegensatz zur katholischen
Auffassung die Geltung der natürlichen Theologie stärker begrenzt
— in diesem Punkt ist sie stärker auf die Sache ausgerichtet
und von größerem Verstehen. Gerät der Verf. hier
nicht in Gegensatz zu seiner eigenen These, wonach es nie
einen gnadenlosen Zustand in der menschlichen Geschichte
gegeben habe, eine These, durch die er sich absetzen will von
der „pessimistischen Lehre von Luther und der dialektischen
Theologie", wonach es keinen Weg der Welt zu Gott gebe ?
Abgesehen davon, daß es völlig unrichtig ist, Luther, der bekanntlich
auch eine natürliche Theologie in bestimmten Grenzen
durchaus bejahte, in eine Linie mit der dialektischen
Theologie zu stellen — kommt der Verf. selbst nicht mit den
oben genannten Thesen von den außerbiblischen Religionen
in eine gefährliche Nähe des Pessimismus der dialektischen
Theologie ?

Ebenso auffallend ist die Haltung des Verf.s zur Philosophie
. Obwohl er der Meinung ist, daß die menschliche Vernunft
erfolgreich in den Bereich des wahren Jenseitigen hineinstoßen
kann, daß demgemäß die Gottesbeweise wirklich „eine
tiefe und umfassende Vorstellung von jener personalen Realität
" vermitteln, „die in Christus auf uns zugeht", obwohl er
hier also den Rahmen so weit spannt, daß die Frage sich aufdrängt
, was soll dann noch übernatürliche Offenbarung, —
trotzdem unterwirft er die ganze neuere Philosophie von
Bruno bis Jaspers dem Verdammungsurteil des Atheismus,
wie er auch Pantheismus und Atheismus zu identifizieren
scheint. Das Ganze wird einfach auf den Nenner gebracht:
Leuguung Gottes durch die Autonomie des Menschen oder —
wie Barth einmal von Kant sagt: der Mensch macht sich zum
Maß aller Dinge. Der Höhepunkt des Ärgernisses sind ihm die
Vertreter und Anhänger der modernen Lebens- und Existenz-
philosophie von Nietzsche bis Jaspers, die er mit den „Lehrern
und Schülern des gottlosen Bolschewismus" konfrontiert, „die
für sich die gleiche Uberzeugung in Anspruch nehmen" (209).

Wieder fragen wir: hat der Verf. sich hier seine Aufgabe
nicht zu leicht gemacht ? Ist es nicht eine einfache Verkennung
des Sachverhalts, die sich bekanntlich auch in den Kreisen
der dialektischen Theologie findet, in Kants Autonomiegedanken
nur den Ausdruck einer hybriden Selbstvergottuiig
des Menschen zu sehen, in jener Autonomie, die bekanntlich
die „Donnerstimme des kategorischen Imperativs" miteinschließt
? Ist es nicht zu einfach, Nietzsche einen Atheisten
zu nennen ? Sieht Spranger nicht tiefer, wenn er in seiner
Schrift „Magie der Seele" sagt: „in Nietzsche loderte das
Feuer, das einst die Herzen der Christen entzündet hatte, die
Selmsucht, das Leid ertragen zu lernen und eine Kraftquelle
zu gewinnen, die jedem Sturm zu trotzen vermag" (31)? Und
ist es nicht ein einfaches Vorbeisehen an den vorliegenden
Sachverhalten, Heidegger und Jaspers Atheisten zu nennen ?
Jedenfalls haben beide Philosophen — und das mit Recht —
gegen eine derartige Vcrdeutuug ihres letzten Anliegens energisch
protestiert. Gewiß steht auch die protestantische Theo-