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Ausgabe:

1950 Nr. 2

Spalte:

95

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Gubalke, Albrecht

Titel/Untertitel:

Die Naumburger Herrenmauer 1950

Rezensent:

Strasser, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 2

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Im übrigen aber beeinträchtigen diese kritischen Anmerkungen
den Wert und die Schönheit dieses Büchleins
keineswegs. Niemand wird es ohne wirkliche Bereicherung aus
der Hand legen.

Berlin Hans Möhle

Reich, Hans: Wie die Alten den Tod gebildet. Grabkunst auf dem Alten
Friedhof zu Freiburg im Breisgau. Freiburg/Br.: Bielefeld 1948. 110 s.
m. Abb. 14 X 20,5 cm. Kart. DM 8.—.

Auch Friedhöfe sind von Bomben zerstört, zu ihnen gehört
der Freiburger, einst besonders beliebt als eine Art Freilichtmuseum
der Handwerkskunst der Jahrhundertwende.
Vom Rokoko bis zum Biedermeier und Klassizismus sind
schöne, aber nicht überragende Beispiele da, besonders wichtig
ist der zerstörte Totentanz. Die Einführung ist gründlich und
kenntnisreich, aber die Werturteile sind zu billig abgegeben.
Dem Berichterstatter scheint die künstlerische Bedeutung der
Grabmäler oft wesentlich überschätzt, auch in den interessantesten
Typen des Klassizismus des zweiten Jahrzehnts im
19. Jahrhundert, die schon das biedermeierlich-kleinbürger-
liche Format tragen, dessen „schwächliche Verspieltheit" der
Verf. mit Recht in den neogotischen Mälern herausstellt.
Reine Freude hat mau hier an den schönen Grabkreuzen, deren
Wertung dem Verf. besonders gelungen ist, mehr als bei den
anspruchsvollen Nischengräberu. Die Besprechung der Michaelskapelle
, die leider schwer zerstört ist, scheint mir auch
zu hoch zu greifen, ebenso wie mir der gewiß interessante
Totentanz nicht die vom Verf. gegebene Bewertung zu verdienen
scheint. Trotzdem ist es, auf das Ganze gesehen, schon
wertvoll, daß der kulturgeschichtlich interessante Platz eine
eingehende Darstellung fand.

Zwei Dinge scheinen mir auch aus dieser Schrift zur Friedhof
skunst zu resultieren. Einmal: daß dieser Friedhof wie so
viele seiner Brüder in West und Ost starke Gemütswerte in
sich trägt, liegt gar nicht in erster Linie an dem künstlerischen
Wert der Grabmäler. Der Verf. hat richtig die Gesamtstimmung
beachtet, die man vielleicht am besten in der Bezeichnung
„Gottesacker" ausdrückt, wie die Herrnhuter es taten,
die unter diesem Gesichtswinkel ihre Friedhöfe gestaltet haben.
Die eigene süddeutsche Note, die der Freiburger Friedhof
trägt, der eben noch in guter katholisch-christlicher Tradition
steht, vermag zwar die paganen Neigungen der Darstellungen
des Klassizismus noch zu übertönen. Aber nicht vom Verfall
der künstlerischen Form kommt all die Scheußlichkeit der
Grabsteinbäckerei der Zeit seit 1850, sondern durch den Verlust
der Gedankeubeziehung zu dem Acker Gottes wird der
„Friedhof" Beseitigungsstättc mit Gefülüskrampf. Wobei zu
bedenken ist, daß auch das Wort „Friedhof" säkular ist,
nichts mit Frieden zu tun hat, sondern nur den eingefriedeten,
d. h. umzäunten Ort bezeichnet. Das zweite auffallende Moment
, das das Heft aufzeigt, ist die merkwürdige Erkenntnis,
daß eigentlich Friedhöfe im Osten viel bemerkenswertere
Kunstmaler aufweisen — vielleicht, weil dort die Formen
später ausreifen. Solch eine Rokoko-Vase, wie sie der reformierte
Friedhof in Lissa zeigt, oder solche Nischensteine, wie
sie in einem ganz anderen Reichtum der Phantasie und der religiösen
Erregung Herbergers Friedhof in Fraustadt aufzuweisen
hat, findet man nirgends im so viel höher kultivierten Freiburg,
ganz zu schweigen von einem Eliasfriedhof in Dresden oder
von Görlitz, auch von süddeutschen Stätten wie Stuttgart-
Hoppenlau und dem österreichischen Donaulande.

Berlin Curt Horn

Gubalke, Albrecht: Die Naumburger Herrenmauer. Eine Einführung

in den Lettner des Westchores im Dom zu Naumburg. Siegen/Leipzig: Willi.
Schneider-Verlag [1946]. 87 S. m. 19 Abb. DM3.80.

In gehobener Sprache, einer Predigt nicht unähnlich,
bietet Albrecht Gubalke eine evangelisch ausgerichtete Einführung
In den Lettner des Westchores im Dom zu Naumburg
. Nach einem Geleitwort versucht der Verf. die Gestalten
am Lettner des Westchores dem Leser eindringlich zu
machen. Er sieht in ihnen Darstellungen des deutschen
Bauern aus dem 13. Jahrhundert. In anschaulicher Weise verknüpft
der Verf. die Zeitgeschichte und die persönliche Geschichte
des mutmaßlichen Steinmetzen mit der Sinndeutuug
der Plastiken. An Hand von 19 Abbildungen werden wi» in
die Themen der fünf ursprünglichen Friese (Abendmahl, Auszahlung
der Judasschillinge, Gefangennahme, Petri Verleugnung
, Pilati Handwaschung) eingeführt. Auch die beiden
später zu datierenden Plastiken (Geißelung und Kreuztragung)
erfahren eine Beurteilung. Gubalkes Arbeit darf als Versuch
einer Vergegenwärtiguug alter Kunst bezeichnet werden.

Uelzen Ernst Strasser

LITURGIEWISSENSCHAFT

Dold, Alban, p. DDr., u. Leo Eizenhöfer, p. Dr.: Das Prager Sakra-

mentar (Cod. 0.83 Fol. 1—120 der Bibliothek des Metropolitankapitels).
2. Band: Prolegomena und Textausgabe. Beuron: Beuroner Kunstverlag
1949. XII,96, 196*, 11 S.gr.8°= Texte und Arbeiten Abt. 1, Heft 38—42.
Geh. DM32.—.

Adalbert Ebner erwartete in seinem Iter Italicum 1896
eine Untersuchung des Sakramentars 0.83 der Prager Kapitelsbibliothek
aus der Feder von P. Ildephons Veith; dieser ist
darüber hingestorben. Im Handschriftenkatalog von Podlaha
gab P. Vykoukal, O. S. B., 1922 eine ausführliche Beschreibung
, die P. Kunibert Mohlberg im Anhange zu Manz, Eni
St. Galler Sakramentarfragment, Münster 1939, abdruckte.
Sie war kaum brauchbar. Die vorbereitete Ausgabe konnte
Vykoukal, inzwischen Abt des Prager Emaus-Klosters geworden
, nicht vorlegen, er starb 1942 in Dachau. Man fühlt
sich unwillkürlich an das Schicksal des Sacramentarium Gello-
nense erinnert, auf dessen genaue Vorlage die Forschung seit
50 Jahren wartet; ob der letzte Bearbeiter V. Leroquais vor
seinem Tode 1946 seine Editionsarbeiten noch hat abschließen
können, ist nicht bekannt. Die Prager LIandschrift konnte
aber P. Dold noch zu Lebzeiten Vykoukals photographieren;
davon hat er in überaus schwieriger und komplizierter Arbeit
eine Lichtbildausgabe hergestellt (etwa 150.— DM), in der
jeder Formel die in anderen Sakramentaren nachweisbaren
Parallelen beigeschrieben sind. Dem Rez. liegt diese Lichtbildausgabe
nicht vor, doch hat er das Verfahren 1944 m
Beuron selbst kennengelernt und P. Dold bei seinen photographischen
Arbeiten beobachtet. Die Lichtbildausgabe enthält
also gleichzeitig den Text wie die Quellennachweise und
Quellenscheidungsangaben. P. Dold hat dann die eigentliche
Textausgabe mit P. Eizenhöfer zum Drucke vorbereitet und,
da ein für einen Setzer brauchbares Manuskript nicht herzustellen
war, den Satz selbst gemacht, hat zur Bestimmung von
Schrift, Zeit und Ort Beiträge von Dr. Bischoff und P. Bauerreiß
beigezogen und legt nun, Photograph, wissenschaftlicher
Bearbeiter, Setzer und Herausgeber in einer Person, den angezeigten
Textband vor: ein echt benediktinisches Erzeugnis.
Es durfte die erste Ausgabe Dolds sein, die nicht einen diplomatisch
getreuen Abdruck bietet; dieser verbot sich wegen der
unvorstellbaren Textverwilderung und war unnötig, da ja der
„Urtext" im Photoband jedem zugänglich ist, der daran interessiert
ist. Die Verwilderung erklärt Dold damit, daß ein zwar
kalligraphisch gut schreibender, aber wohl alter, gedankenloser
und recht schwerhöriger Schreiber nach Diktat eines auch
nicht auf der Höhe der Bildung stehenden Mönches vielleicht
aus einer Vorlage in der schwer leserlichen merovingischen
Schrift geschrieben haben wird. Die als Beweise angeführten
Beweise machen das durchaus glaubhaft. Die Handschrift
dürftenach dem paläographischen Befund und nach denBischofs-
namen der Dipt3'chen in der Diözese Freising geschrieben sein;
ein sonst nicht nachweisbares Zenoformular verweist auf das
Kloster Isen in dieser Diözese. Die Zeit muß mit 790—800 angenommen
werden.

Von allen bekannten Sakramentaren steht dem Prager
nach Dolds Nachweis das sog. Altgelasianum, Cod. Vat. Reg.
lat. 316, am nächsten, nicht was die Teilung in drei Bücher,
wohl aber was den Formelbestand anlangt. Als Buchtyp
bleibt also 316 immer noch ein Unikum, lediglich gestützt
durch den Index von St. Thierry (Wilmart, Rev. Ben. XXX,
437—450). Von Ebner (a. a. O. S. 376ff.) wurde auf Grund von
Mitteilungen Veiths das Sakramentar „mit genügender Sicherheit
" unter die „gregorianisierten Gelasiana" eingereiht; auch
später wird es, um vorsichtig zu sprechen, immer in der Nähe
der Gelasiana saec. VIII gesehen. Das ist nun nicht mehr so
ohne weiteres möglich. Immerhin sind die Unterschiede von
316 nicht ganz leichtzunehmen. 0.83 gehört jedenfalls nicht
zum Buchtyp des Gelasianums, seine Formulare enthalten
regelmäßig nur drei Formeln. Aber diese sind nun nicht wie
in den Gelasiana saec. VIII gemischter Herkunft, sondern
stammen fast durchweg aus 316 oder einem gemeinsamen
Vater. Einiges unbekannte und sonst irgendwo einmal auftretende
Gut ist eingestreut, so das erwähnte Zenoformular.
Der Grundstock dieses Formelgutes verweist nun mit aller Bestimmtheit
in das Frankenreich, näher in die Gegend von
Tours. Sollte, wie Bauerreiß will, dieser Grundstock durch
Korbinian, f um 730, naen Bayern gebracht worden sein,
dann würde die Baumstarksche Hypothese, daß die Junggela-
siana auf ein Ende des 7. Jahrhunderts in Wessex redigiertes
Sakramentar zurückgingen, eine nicht leicht zu entfernende
Stütze erhalten. Hier vor allem wird die Weiterarbeit und die
Einordnung von 0,83 einsetzen müssen.