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Ausgabe:

1950

Spalte:

94-95

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Lauterwasser, Siegfried

Titel/Untertitel:

Das heilige Grab zu Konstanz 1950

Rezensent:

Möhle, Hans

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03

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 2

M

ten deutschen Beitrag zu dem Thema bzw. den Themen der
Weltkonferenz dar. Der für die Veröffentlichung gewählte
Titel erweckt seit dem Erscheinen von Hermann Diems „Die
Kirche zwischen Rußland und Amerika" Erwartungen, die
hier nicht erfüllt werden. Die Fragestellung ist vielmehr die
durch das Thema von Amsterdam gegebene; seiner Aufgliederung
entspricht die dieses Sammelbandes, freilich derart, daß
die Probleme der III. Amsterdamer Sektion (Die Kirche und
die Auflösung der gesellschaftlichen Ordnung) bei weitem den
größten Raum einnehmen, 79 von insgesamt 114 Seiten. Leider
stellt dieser große Abschnitt auch in sich eine Sammlung sehr
verschiedenwertiger Beiträge ungenannter Einzelner dar. Der
Versuch, in einem Schlußwort zu den Arbeiten über ,,Christliche
Wirtschaftsordnung" eine gemeinsame Linie aufzuzeigen
, konnte über Allgemeinheiten nicht wohl hinaus-
gelangen. So bleibt der wesentliche Beitrag dieses Abschnittes
eine nicht uninteressante innerprotestantische Diskussion des
Sozialismusproblems.

Zu gemeinsamen Erkenntnissen, die thesenartig vorgetragen
werden, sind die unter der Führung von Superintendent
Prof. D. Albertz und Kirchenrat D. Dr. Theodor Wenzel
stehenden Arbeitsgruppen zu den Fragen nach dem Selbstverständnis
der Kirche und der Aufgabe der Verkündigung
gekommen. Wichtig ist, was hier (S. n ff.) über Universalität
und Uniformität der Kirche, voll praktischer Anstöße, was hier
über „Gemeinde und Verkündigung" (S. 2off.) gesagt wird.
Der Herausgeber bietet zu der Frage „Kirche und internationale
Angelegenheiten" eine sehr instruktive Darstellung der
besonderen kirchlichen Lage und Aufgabe in der Ostzone sowie
dankenswerterweise die für die Weltkirchenkonferenz von
Oxford 1937 in der Deutschen Bekennenden Kirche erarbeiteten
Sätze über Krieg und Frieden.

Frankfurt a. M. W. Menn

Barth, K., j. Danielou, R.Niebuhr: Amsterdamer Fragen und

Antworten. München: Chr. Kaiser (1949]. 36 S. 8°= Theologische Existenz
heute. Eine Schriftenreihe, hrsg. von G. Steck und E. Eichholz N. F.
Nr. 15. DM 1.65.

Dieses schmale Bändchen ist für jeden, der sich mit der
ökumenischen Bewegung beschäftigt, außerordentlich lehrreich
. Außer den beiden Vorträgen, die Karl Barth auf der
ökumenischen Konferenz in Amsterdam 1948 gehalten hat,
wird ein Briefwechsel Karl Barth's mit dem katholischen Pater
Danielou und eine Auseinandersetzung mit dem amerikanischen
Theologieprofessor Reinhold Niebuhr über Amsterdamer
Fragen zum Abdruck gebracht.

Der Vortrag Karl Barths über das Hauptthema der Konferenz
: „Die Unordnung der Welt und Gottes Heilsplan" bildete
den eigentlichen Auftakt zu den Amsterdamer Verhandlungen
. Auch für den, der in Amsterdam selbst das eindrückliche
Referat von Barth gehört hat, ist es eine Freude, noch
einmal die umfassende Kritik an dem vorliegenden Verhandlungsmaterial
und die Wegweisung nachlesen zu können, die
Barth der Konferenz für die Behandlung des Themas zu geben
versuchte. Er stellte zunächst das Thema auf den Kopf und
spricht zuerst über Gottes Heilsplan und dann erst über die Unordnung
der Welt. Damit zwang er dieKonferenz, zunächst von
Gottes Wort her und nicht von den menschlichen Sorgen und
Plänen zu reden. Dabei kommt es zu beabsichtigt pointierten
Ausführungen, wie folgende: „Wir sollten den Gedanken gleich
an diesem ersten Tag unserer Beratungen gänzlich fahren
lassen, als ob die Sorge für die Kirche und für die Welt unsere
Sorge sein müsse", oder „daß also unter .Gottes Heilsplan'
nicht etwa so etwas wie ein christlicher Marshallplan zu verstehen
ist". Dieses kräftige Ausrufungszeichen erwies sich im
weiteren Verlauf der Konferenz als durchaus heilsam.

Das zweite abgedruckte Referat über das Thema: „Unsere
reformierten Kirchen und der Weltrat der Kirchen" wurde von
Karl Barth auf einer Sonderversammlung der Reformierten in
Amsterdam gehalten. Barth versucht hier in interessanter
Weise die Stellung der reformierten Kirchen unter den anderen
in Amsterdam vertretenen Kirchen aufzuzeigen und
die besondere Art der Aufgaben darzulegen, die sich daraus
für die reformierten Kirchen ergeben. In beiden Vorträgen
hatte sich Barth auch mit der römisch-katholischen Kirche
und ihrem Fernbleiben von der Konferenz beschäftigt. „Wii
sollten keine sentimentalen Tränen darüber vergießen, daß die
römische Kirche nicht hier unter uns vertreten ist". Dieser und
ähnliche Sätze haben nun den Pater Danielou auf den Plan gerufen
, der in einem viel beachteten. Artikel sein lebhaftes Bedauern
über diese Äußerungen Barths zum Ausdruck bringt.
Die Antwort Karl Barths läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen
übrig. Sie zeigt den Ort, an dem die römische Kirche
heute steht und stehen muß, ebenso aber auch den Ort, wo die

Kirche der Reformation zu stehen hat. Von anderer Art ist die
Auseinandersetzung mit Reinhold Niebuhr, der in einem Aufsatz
„Wirsind Menschen und nicht Gott" Barth vorwirft, daß
er die Verantwortung für die Welt nicht ernst genug nähme.
Niebuhr sieht in Karl Barth einen typischen Vertreter der
kontinentalen Theologie, die vor den täglichen Verantwortlichkeiten
und Entscheidungen die Flucht in eine Arche antrete
. Barth antwortete ihm mit einem Aufsatz: „Präliminare
Gedanken zu Reinhold Niebuhrs Darlegung über .kontinentale
' Theologie". Dieser geistvolle Briefwechsel über den Ozean
hinweg ist ein guter Beitrag zur Frage des theologischen Denkens
drüben und hier. Schließlich enthält das Heft noch einen
Beitrag Barths, in dem er seine „Eindrücke von Amsterdam
1948" zusammenfaßt. Hier bekennt er sich als ein „neube-
kehrter Okumeniker" zu dem, was in Amsterdam geschehen
ist, um zugleich noch einige Fragen und Wünsche für die Zukunft
der Ökumene anzumelden.

So bietet das Heftchen einen guten Querschnitt durch die
wesentlichen Amsterdamer Fragen und kann daher allen, die
sich mit den Fragen der Ökumene beschäftigen wollen, warm
empfohlen werden.

Berlin Hans Böhm

GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST
Lauterwasser, Siegfried: Das Hellige Grab zu Konstanz. Ein Bildband.

Eingeleitet u. bearb. v. Georg Poensgen. Überlingen: Wulff-Verlag [1948|.

72 S. m. Abb. gr. 8°. Pp. DM 10.50.

Dieses schöne Buch ist eine Überraschung für den kunstliebenden
Laien wie für theologisch und kunstgeschichtlich
interessierte Leser. Auf 48 wirkungsvollen Bildtafeln wird hier
ein allgemein wenig bekanntes Werk der nachstaufischen frühgotischen
Plastik von ca. 1283 vor dem Betrachter ausgebreitet
. Viele Detailaufnahmen enthüllen die erstaunliche
Schönheit und den Adel der Gestaltung. Es ist ein Nachklang
der großen staufischen Bildnerei eines Bamberger, Naumburger
und Magdeburger Meisters, nicht mehr an ihre
Größe heranreichend, doch keineswegs „gröblich ausgeführt",
wie noch Dehio über das Ganze urteilte. Mindestens die Figuren
im Innern der Grabkapelle gehören zum Schönsten, was
die frühe Gotik dach ihrer staufischen Blütezeit in Stein hervorgebracht
hat. Die erstaunlichste Figur ist wohl der schon
ganz genrehaft aufgefaßte „Hippokras", der Salbenverkäufer,
bei dem die drei Marien sich die Salben besorgen. Dieser „mer-
cator iuvenis" scheint aus dem kirchlichen Osterspiel entnommen
zu sein.

In den knappen, ikonographisch aufschlußreichen, einleitenden
Text des Buches betont Poensgen die besonders Zusammenhänge
von Mysterienspiel und Plastik. Ganz abgesehen aber
davon, daß man diese Verbindung von jeher leicht überschätzt
hat, scheint es mir in unserem Falle unwahrscheinlich,
daß der Konstanzer Hl. Grab-Bau als Hintergrund für die
Osterspiele im Kirchenraum geschaffen sei. Man kann sich
schwerlich vorstellen, daß eine „Bühne" dieselben Figuren, üi
Stein gemeißelt, zeigte, — hier sind es die drei Marien, die
Grabeswächter, der Engel und der Salbenverkäufer —, die im
Spiel unmittelbar davor als handelnde Personen auftraten.
Wohl aber spielte sich im Hl. Grab-Bau, zum Teil noch bis in
unsere Zeit hinein, ein rein liturgisches, österliches Geschehen
ab: am Karfreitag-Abend wurde der Leichnam des Herrn, die
heilige Hostie, vom Priester in der Brust der Holzfigur des
toten Christus im Hl. Grab „beigesetzt", am Ostermorgen im
symbolischen Auferstehungsakt wieder herausgeholt und der
Gemeinde unter Jubelhymnen gezeigt.

P. meint, auf die Benutzung des Hl. Grabes als Bühnen-
raum deute auch die bewußt archaisierende Tracht der Konstanzer
Figuren; sie sei mindestens 40 Jahre vor der Entstehung
der Skulpturen, getragen worden und sei um 1280
bereits antiquiert gewesen. In der Bühnengestaltung habe man
von jeher gern archaisiert. Es kann gar nicht energisch genug
betont werden, daß solche archaisierenden und historisierenden
Absichten dem mittelalterlichen Menschen völlig fremd waren.
Es wird da immer wieder gewaltsam Modernes in das mittelalterliche
Weltbild hineingesehen. Man sollte auch daran
denken, daß man Shakespeare noch am Ende des 18. (!) Jahrhunderts
im Zeitkostüm — nicht in historischer Tracht —
spielte. Und in der Tat brauchte man nur in Paul Posts
Trachtentafeln (de Gruyters Kulturatlas, Berlin 1928—1939,
Bd. II, 21 b, Taf. 106b und ioOk) zu schauen, um zu erkennen
, daß sowohl die Rüstungen (Topfhelm!) wie die weiblichen
Trachten der Konstanzer Figuren noch gegen Ende des
13. Jahrhunderts getragen wurden.