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Ausgabe:

1950

Spalte:

746-748

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Fraenger, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Hochzeit zu Kana 1950

Rezensent:

Wessel, Klaus

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7-J.. Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 12

740

mit einem Bodengrab rechnet, beim Petersgrab jedoch, das er
kennt, zwei Möglichkeiten angibt, dann kann das nur einen
Sinn haben, wenn er dem hl. Petrus ebenfalls ein Bodengrab
zuweist und das Wandgrab lediglich zur Verschleierung des
Tatbestandes, den man offiziell noch nicht wissen darf, hinzufügt
. Mau fragt sich nur, wozu diese Geheimniskrämerei nötig
ist und ob man so mit der gelehrten Welt umgehen darf. Große
Überraschungen dürften überhaupt kaum zu Tage gekommen
sein. S. 158 wird für das Jahr 258 eine Translation nach S. Se-
bastiano ,,immerhin für sehr wahrscheinlich" gehalten, aber
zwei Jahre darauf eine Retranslation nach dem Vatikan ange-
genoiumen — weshalb, sieht niemand ein. Dann heißt es: ,,Ob
dabei die Reste genau an die alte Stelle kamen und ob au dem
Grabmal etwas verändert wurde, wissen wir nicht." Das heißt
aber, wir wissen jetzt weniger, als wir vor der Grabung zu
wissen glaubten. Da die — ausgerechnet in LIFE — unter dem
10. April 1950 veröffentlichten Bilder der Kolumbarien östlich
des Grabes unzweifelhaft Denkmäler der Mitte des 2. Jhds darstellen
und die schon früher hinter der Apsis von St. Peter entdeckten
auch nicht viel älter sind, so muß man sich mit Recht
fragen, ob unter der Konfessio überhaupt ein Grab ueronischer
Zeit zu erwarten ist. Offenbar hat auch die heidnische Reaktion
am Ausgang des 4. Jhds nicht an das Petrusgrab geglaubt,
weil in der damals geschriebenen Vita Heliogabali 23 behauptet
wird, dieser Kaiser habe am Vatikan Gräber zerstören
lassen. Man wird indessen die Grabungspublikationen abwarten
müssen, ehe man sich näher mit den ganzen Fragen auseinandersetzen
kann. Dabei wird auch die Triclia unter S. Se-
bastiano wieder eine Rolle spielen. Ich frage mich jedoch, ob
man jemals diese überaus dunkle Angelegenheit befriedigend
wird klären können. Jedenfalls scheint es mir reichlich kühn,
wenn S. 114 behauptet wird, daß der Tod des Kaisers Augu-
stus in Nola, .lange nicht so gut bezeugt" wäre, „wie der Tod und
das Grab des hl. Petrus in Rom ". Jahr, Ort und nähere Umstände
des Todes des Kaisers sind immerhin von einem Zeitgenossen,
dem Vellerns Paterculus (2, 123) beschrieben worden — ich
wollte, man könnte das gleiche von St. Peter sagen! Die Ba-
silica Apostolorum bei S. Sebastiano wird S. 103 vermutungsweise
schon unter Maxentius angesetzt — aber wie geht das mit
S. 144 zusammen, wo gerade die lange, fast siebenjährige Se-
disvakanz nach dem Tode des Papstes Marcellinus mit einer
Stockung des Gemeindelebens erklärt wird ? Wenn das Chris-
mon auf der Tricliawaud fehlt, so beweist das nicht, daß die
Graffiti vor 300 angebracht sein müssen. Zwischen 300 und
337 kennt man 24 datierte Inschriften und davon tragen nur
vier das Chrismon und auch später ist es auf datierten Inschriften
nicht immer angebracht: man kann daher aus seinem
Fehlen keine stringenten Schlüsse ziehen.

Das Kapitel über die Katakombenkunst leidet an ziemlich
verworrenen Vorstellungen über die römische Reichskunst,
die doch von Rom aus bestimmt wird, wenn man auch im
Formschatz deutlich zwischen Ost- und Weströmischer Kunst
unterscheiden kann. Von christlicher Kunst kann überhaupt
erst dann die Rede sein, wenn der Bildinhalt seinen von christlichem
Geist durchseelten Ausdruck gefunden hat. Die Katakombenbilder
sind wohl religionsgeschichtlich von höchstem
Interesse, aber es sind keine Kunstwerke. Was nun ihre Deutung
anlangt, so sind die Verf. S. 230 der Ansicht, es gäbe
keinen einheitlichen Gesichtspunkt dafür, man brauche ja nur
an einen modernen Friedhof zu denken, wo man auch die verschiedenen
Denkmäler nicht aus einer einheitlichen Idee heraus
deuten könne. Dieses Argument scheint mir indessen
schlecht gewählt, weil doch die meist geschmack- und sinnlosen
Gräuel unserer Friedhöfe gerade das Signum einer Gesellschaft
sind, die überhaupt keine tragende Idee mehr ihr
eigen nennt. Wir können natürlich nicht mehr wissen, was der
einzelne Christ dachte, wenn er seine Grabkammer mit bestimmten
Bildern ausmalen ließ, oft wird er sich überhaupt
nichts gedacht haben, sondern nur dem Brauch gefolgt sein.
Das beweist jedoch nicht, daß einmal die Auswahl der Bilder
nicht bewußt getroffen wurde, eben in Hinblick auf das Grab
und das Jenseits. Nur dürfen wir zur Deutung weniger die
Kirchenväter, als die religiösen Vorstellungen des Volkes von
Tod und Jenseits beiziehen — und das ist bis jetzt eben kaum
geschehen. Ich bin deshalb gegen hochtheologische Deutungen
etwa der Orans, des Hirten und der Mahldarstellungen äußerst
skeptisch. Die sog. Fractio Panis der Priscillakatakombc halte
ich, ebenso wie die S. 181 berufene Darstellung aus S. Callisto
für ein Totenmahl: das beweist mir schon der nirgends fehlende
Fisch, die antike Totcnmahlspeise kat'exochen. Dem Totenkult
diente auch das Doppelkubikulum im Coemeterium majus
(S. 179), denn der Raum gehört der Friedtuszeit au und beherbergte
kein Märtyrergrab, das allein Liturgiefeiern fordern
würde. Wo die Anniversarfeiern für die in den Coemetericn bestatteten
Toten stattfanden, wissen wir nicht, ich vermute,
daß das außerhalb in einem Memorialbau geschah, die ja in genügender
Anzahl über jeder Katakombe zu finden sind. In den
größeren Kammern fanden höchstens Totenmahle statt, wie
das Klauser gerade für das genannte Cubiculum nachgewiesen
hat (vgl. Die Cathedra im Totenkult. Münster 1927, io8ff.).
Die S. 182 angeführte Tertullianstelle kann nicht auf Eucharistiefeiern
für Verstorbene gedeutet werden, denn er handelt da
vom Stationsfasten, das in Afrika mit einer Eucharistiefeier
verbunden war (Cyprian de orat. Dom. 18 kennt sogar schon
tägliche Meßfeiern). Schade, daß das sonst gut geschriebene
Buch mit derartig falschen oder veralteten Ansichten belastet ist!
Göttingen A. M. Schneider

Fraengcr, Wilhelm: Die Hochzeit ZU Kana. Ein Dokument semitischer
Onosis bei Hieronymus Bosch. Berlin: Gebr. Mann 1950. 128 S. m. 12 Abb.,
30Taf. 8°= Kunstwerk und Deutung H. 6. DM7.80; geb. DM9.40.
Semem Werk über „Das tausendjährige Reich" (vgl.
Jahrg. 1948 Heft 9) hat F. nunmehr ein zweites Buch zur Seite
gestellt, das, ausgehend von dem Gemälde „Die Hochzeit zu
Kana" im Boymans-Museum zu Rotterdam, in gedrängter
Fülle unter Heranziehung einer ganzen Reihe weiterer Werke
Boschs nicht nur eine Deutung der Kana-Hochzeit, sondern
darüber hinaus auch eine Schau des Wesens, Werdens und
Schicksals des von F. herausgefundenen „Hockmeisters des
Freien Geistes" geben will.

F. geht im 1. Kapitel (Verknüpfungen) von einer knappen Analyse des
Bildinhaltes der „Hochzeit zu Kana" aus, die in ihrer beispiellosen Eigenart
und Gegenüberstellung christlicher und eigentümlich heidnischer Elemente
ihm den Beweis gibt, daß der Personenkreis der Hochzeitsgesellschaft „einer
von der Kirche wie von der Synagoge gleich weit entlernten Religionsgemeinschaft
" angehört, also dem „abenteuerlichen Zwinchenreieh spätmittelalterlicher
Ketzerschaften" (S. 11). Um diese näher zu bestimmen, unterzieht F. zunächst
die vier Rundbilder des Altarwerkes „Sicut erat in diebus Noi" (Boymans
-Museum) einer eingehenden Untersuchung, als deren Ergebnis sie sich
ihm als „symbolisch autobiographisches Bekenntnis" des Hochmeisters darstellen
, das dessen inneren Lebensgang in vier auf Bibelworte gegründete
Szenen faßt. In drei weiteren Kapiteln geht dann F. dem biographischen,
gnostischen und historischen Gehalt der „Hochzeit zu Kana" nach. Ein letztes
Kapitel (Auflösungen) gibt Ausblicke auf das Schicksal des Hochmeisters in
der Zeit nach der „Hochzeit zu Kana". Das entscheidende Ergebnis all dieser
zum Teil sehr diffizilen Untersuchungen ist für F., daß sich eine Gruppe von
Arbeiten Boschs herauskristallisiert, die sich ihm als im geistigen Gehalt wie
den zentralen Gestalten ganz eng zusammengehörig und um die Gestalt des
Hochmeisters kreisend erweisen: Außer dem „Tausendjährigen Reich' (Prado)
und der „Hochzeit zu Kana" gehören hierher die Flügel des Altarwerkes
„Sicut erat in diebus Noe", eine Studienzeichnung zu dem verschollenen Gemälde
„Mönchsdispulation mit Ketzern" (Morgan-Library), der „Hl.Christo-
phorus" (Boymans-Museum), ,,.7oÄanne«au/Pai7?io«" (Deutsches Museum),der
„Taschenspieler" (Saint Germain-en-Laye), „Die Versuchungen des hl. Antonius
" (Lissabon), ,,Das Steinschneiden" (Prado) mit der Amsterdamer Variante
von der Hand eines unbekannten Bosch-Schülers, „Der zwölfjährige
Jesus im Tempel" (Louvre), „Der verlorene Sohn" (Boymans-Museuni) und
„Die Andacht zum Kinde" (Wallraf-Richartz-Museum). Diese Arbeiten Boschs
begleiten Leben und Kampf des Hochmeisters als die stumm beredten Zeugen
seines Daseins. Nach F.s Ansicht ist z. B. „Der zwölf jährige Jesus im Tempel"
das Taufbild der Gattin des Hochmeisters, „Die Hochzeit zu Kana" ihr Hochzeitsbild
, „Das tausendjährige Reich" das Bild ihrer geistlichen Hochzeit, „Die.
Andacht zum Kinde" das Epitaph für den Hochmeister und seine früh verlorene
Gattin und sein Kind, von deren frühem Tode der „Ararat" auf der
Innenseite des „Sicut erat in diebus Noe" berichtet. Die anderen Bilder zeugen
von den Kreisen, aus denen die Gattin des Hochmeisters stammt, von dessen
Verstrickung in diese Kreise und seinem Kampf gegen sie mit allen Krisen,
Gefahren und Verlusten, deren höchster und schwerster der Tod von Frau und
Kind ist. Diese Kreise nun lassen sich, besonders an Hand der „Hochzeit zu
Kana", als eine jüdlsch-gnostisch-synkretistische Sekte bestimmen, in deren
Kult sich uraltes Mysteriengut mit orientalischem Mondkultus, ägyptischer
Froschverehrung und sakraler Kastration zur Erreichung androgyner Zeugungsfähigkeit
seltsam abstoßend mischen. In diese Kreise bricht das sektiererische
Geistchristentum des Hochmeisters ein, erlöst eine Tochter des Sektenhauptes
von dämonischer Inkubation, bekehrt sie samt Schwester und Brüderchen,
geht ein Stückchen mit den Winkelsektierern zusammen, um dann in schonungsloser
Aufdeckung ihres dämonisierten Wahnglaubens gegen sie zu
kämpfen. Was Bosch, für F. der Maler des Hochmeisters, als dessen Genosse
und als Miterlebender kämpferisch und bekennend gestaltet hat, findet F.
dann travestiert wieder in den Stichen von Pieter Breughel d.A. „DerZauberer
Hermogenes", „Der Sturz des Zauberers Hermogenes" und „Die Hexe von
Malleghem". In Boschs Gemälden wie in Breughels Stichen tut sich so ein
abscheuerregender Abgrund widerwärtigen Aberglaubens auf, haßerfüllt und
satirisch preisgegeben den Augen der Menschen, vor denen die Geheimnisse
dieser Afterreligion in strengster Arkandisziplin verborgen bleiben sollten. Aus
Breughels Stichen findet F. dann noch den Beleg, wie langdauernd und weitgreifend
dieser Kastrationsritus lebendig war, sind es hier doch nicht mehr