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Ausgabe:

1950

Spalte:

743-746

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Hertling, Ludwig

Titel/Untertitel:

Die römischen Katakomben und ihre Martyrer 1950

Rezensent:

Schneider, Alfons Maria

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Theologische Literaturzeituug 1950 Nr. 12

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1946 konnte Friedrich Schneider, seit dem 10. Band der
Herausgeber der Deutschen Dante-Jahrbücher, den 26. Band,
für die Jahre 1944/45, erscheinen lassen, dessen Erwähnung
hier nachgeholt wird. Ferdinand Koenen bringt dogmatische
Ausführungen über die heiligmachende Gnade, die Beatrice
verkörpert. August Vezin stellt den außerordentlich bedeutsamen
und aufschlußreichen Gedanken- und Gedichtwechsel
Dantes und Cinos dar und gewinnt daraus neue Erkenntnisse.
Heinrich Ostlender zeigt, daß Dantes Kaiser und sein Veltro
zu trennen sind, letzterer ist des Kaisers Vorläufer und Wegbereiter
, und das ist Dante selbst. Erich Staedler gibt eine ausgezeichnete
kritische Darbietung der politischen Zweckdichtung
des Niccolö da Uzzano (1426) in ihrem Verhältnis zu den
Florenzstellen in derCommedia. Johannes Kuhns Ausführungen
über Dantes Geschichtsphilosophie bedürften einer ausführlichen
Besprechung, zumal im Zusammenhang mit seiner Vor-
lesung'über die Geschichte der Geschichtsphilosophie, aus der
sie herausgelöst sind. Kühn zeigt überzeugend, wie bei Dante
die jüdisch-christliche theistische Geschichtsdeutung mit dem
neuplatonischen Entfaltungs- und Vollenduiigsprinzip kombiniert
ist. Ein Vergleich Dantes mit Plato durch Gerhard
Ledig gibt wichtige Perspektiven. Äußerst bedeutsam ist
sem Beitrag: Das Tragische in Dantes Inferno. Die irdische
Wert haftigkeit führt zur Verdammnis; Schuld und Größe sind
verkettet; Dantes Schwermut weist darauf hin, daß die unangefochtene
Geltung der bisherigen Normen erschüttert werden
wird. Walter Goetz referiert über deutsche Dante-Verleger
, Karl Streckfuß bringt des jungen A. F. Karl Streckfuß
früheste Verdeutschung von Petrarca-Sonetten „auf
Laurens Leben und Tod" (1801—1804).

Halle/Berlin Wilhelm Knevels

CHRISTLICHE ARCHÄOLOGIE
UND KUNSTGESCHICHTE

Hertling, Ludwig, s. j., u. Engelbert Kirschbaum, s. j.: Die römischen
Katakomben und ihre Märtyrer. Wien: Herder 1950. 274 s., 35 Tat. 8°.

Lw. DM 9.80.

Vorliegendes, flüssig und geschickt geschriebenes Buch
ist zwar einerseits für „nachdenkliche Menschen bestimmt, die
wissen wollen, wie es gewesen ist", andererseits will es aber
auch nicht zu wissenschaftlich sein und den Leser mit „Dozentenweisheit
bedrängen": die Verf. wenden sich mithin an
ein breites Publikum, bei dem sie keine allzugroßen Allgemeiu-
keuutnisse mehr voraussetzen. Sie haben deshalb auch weit
ausgegriffen und vieles aus der Profan- und Kircheugeschiclite
einbezogen, das nicht eigentlich zum gestellten Thema gehört.
Uber die Katakomben selbst erfährt man daher leider im einzelnen
wirklich nicht allzuviel und das ist um so bedauerlicher,
als eine handliche Zusammenfassung seit der Roma Sotter-
ranea des F. X. Kraus (zweite Auflage 1879) im deutschen
Sprachgebiet nicht mehr erschienen ist.

Die Darstellung folgt der herkömmlichen römischen Tradition, nur werden
die ältesten Denkmäler nicht mehr ins 1., sondern in den Anfang des
2.Jhds. gesetzt, was jedoch dem heutigen Stand der Forschung keineswegs
entspricht: vor 200 gibt es keine sicher datierten Denkmäler, auch der S. 250
genannte Sarkophag aus La Gayolle gehört nicht „in das 2. oder 3. Jhd.",
sondern ist auf etwa 250 zu datieren. Mit der Malerei verhält es sich nicht
anders: obwohl ich Wirths Datierung (Die röm. Wandmalerei. Berlin 1934)
für zu spät halte, können doch die ältesten Malereien, etwa in Lucina, kaum
viel früher als kurz vor 200 angesetzt werden. Das hat aber beträchtliche
Folgen! Wenn nämlich die ältesten Coemeterien in dieser Zeit angelegt wurden
, dann kann man sie unmöglich mehr mit den christlichen Flaviern, Aci-
liern und Pomponiern in Zusammenhang bringen. Es ist zwar möglich, daß
Fl. Clemens und Domitilla Christen waren, allein die Beschuldigung der Ase-
beia, aus der man auf ihr christliches Bekenntnis schloß, kann sich ebensogut
auf das Judentum beziehen, das bei Hof zeitweise nicht ohne Einfluß war:
man denke an Fl. Josephus, an die schöne Berenike, die Titus beinahe geheiratet
hätte und an die flavischen Proselyten, von denen die Haggada zu
erzählen weiß (vgl. darüber P. de Lagarde, Mitteilungen 1, 1884, 30f.). Wenn
das sog. Hypogaeum Flaviorum wirklich aus dem 1. Jhd. stammen würde
und den Flaviern zuzuschreiben wäre, dann ließe sich die Vermutung beweisen -
aber leider ist weder der Name „Coemeterium Domitillae" alt (keine Quelle
nennt es, außer dem späten Index Coemeteriorum und der hat den Namen
der Domitilla aus den Acta Nerei et Achillei), noch gibt es sonst irgend einen
Beweis, daß Hypogaeum und Coemeterium etwas mit den Flaviern zu tun
haben. Die Inschrift des Flavios Sabeinos, die auch von den Verf. als Beweis
mit zugezogen wird, stammt, wie Styger nachwies, nicht von einem Kata-
kombengrab, sondern ist von außen hereingekommen. Die Ziegelfassade vor
dem Hypogaeum gehört zwar, wie ich selbst zu zeigen versuchte, in die Mitte
des 2. Jhds, allein das dahinter liegende Hypogaeum ist nicht mehr im alten
Zustand erhalten, sondern sichtlich erweitert und dieser Erweiterung wird

wohl die Malerei angehören, die ich kurz vor 200 ansetzen möchte. Zwar hat
man außerhalb der Katakombe — wo steht nicht genau fest — drei Inschriften
gefunden, die eine Flavia Domitilla als Stifterin von heidnischen Orabanlagen
nennen, doch sind außer diesen, und zwar direkt über dem Grundstück, unter
dem die Katakombe sich erstreckt, noch über 20 Inschriften von heidnischen
Grabmonumenten gefunden worden, die nichts mit den Flaviern zu tun haben.
Die Annahme, das Grundstück habe einmal den Flaviern gehört und dieses sei
über christliche Deszendenten dieser Familie in den Besitz ihrer Glaubensbrüder
gelangt, läßt sich mithin nicht aufrecht erhalten. Die S. 43f. angestellten
Erwägungen, was geworden wäre, wenn die von Domitian adoptierten
„christlichen" Söhne des Clemens Kaiser geworden wären, halte ich für müßig,
man sollte das wirklich den Dichtern überlassen und die haben den Vorwurf
ja auch schon aufgegriffen (vgl. die Novelle A. deWaals: Kaiser Domitians;
Katakombenbilder, 1923), und das in derselben Problemstellung, wie die Verf.!
Sentimental-romanhaft wird S. 212ff. das Leben des Prosenes rekonstruiert,
von dem wir nun wirklich nichts wissen, als was auf seiner Grabinschrift steht.
Die Verf. möchten ihn gar mit der Befreiung von Christen in Zusammenhang
bringen, die nach Sardinien ad metalla verurteilt waren. Warum nur? Wir
wissen doch aus Hippolyts Philosophumena (9, 12), daß diese Guttat auf das
Konto derMarcia,der<piÄö'#fc'Og TtaXAaxi] Ko/ifMÖöov zu buchen ist. Der älteste
Gemeindefriedhof, den wir kennen, ist das nach 200 von Callist angelegte und
später nach ihm benannte Coemeterium (Hippolyt a.O.). Derselbe Autor berichtet
in seiner Kirchenordnung (Kap. 34 nach der sahidischen Übersetzung),
daß dieses Coemeterium für die Armen bestimmt war. Um 235 wurde dort die
Papstgruft angelegt, nachdem bis zu diesem Zeitpunkt etwa 800 Bestattungen
vorgenommen worden waren. Das würde bei der damaligen Sterblichkeitsquote
eine Lebendzah! von 1500—2000 Seelen voraussetzen. Halten wir nun
dagegen die bei Euseb (Hist. Eccl. 6, 43) überlieferte Nachricht, unter Papst
Cornelius habe die Zahl der von der Kirche unterstützten Witwen und Armen
„mehr als 1500" betragen, dann haben wir den Kreis derer, die in S. Callisto
begraben wurden. Die wohlhabenderen Christen lagen dann aber außerhalb
des Coemetcriums, teils in kleinen Hypogaeen (wie im sog. Acilierhypogaeum
in Priscilla, Aurelierregion in Domitilla, Jägergruft, Nunziatella u.a.), teils in
oberirdischen Grabbauten, aus denen manche Sarkophage des 3. Jhds stammen
; erst im ausgehenden 3. und während des ganzen 4. Jhds sind die Katakomben
Bestattungsort nicht nur der ärmeren Gemeindemitglieder geworden,
weil man nun gerne in der Nähe von Martyrergräbern ruhen wollte. Ob wir
aber die Zahl der Christen um 200 auf „kaum 10000" veranschlagen dürfen
(S. 40), scheint mir fraglich: die Zahl der nicht in den Coemeterien begrabenen
Christen ist uns unbekannt und daran scheitert eben jede Rechnung. Ebenso unsicher
ist die Zahl der Märtyrer. Bekannt sind uns etwa 150—200, aber davon
fällt eben keiner vor 200, die älteren sind dem Gedächtnis der Gemeinde völlig
entschwunden, teils weil es damals noch keine Coemeterien gab, teils auch infolge
einer soziologischen Umschichtung: die bisher tragende Intellektuelle
griechische Schicht verschwindet um 250, bzw. wird sie abgedrängt (Hippolyt,
Novatian). Die Vermutung, fast alle bekannten röm. Märtyrer könnten aus der
diokletianischen Verfolgung stammen (S. 89), scheint mir völlig willkürlich-
Sicher war die Zahl der Blutzeugen seit 200 größer, als die später verehrten,
doch allzuviele werden kaum fehlen. Die fehlende Zahl wird S. 91 ff. ja deshalb
so hoch veranlagt, weil während den großen Verfolgungen der „automatische
Registrierapparat" gefehlt habe — das angeführte Beispiel des Nicander zieht
nicht, weil dieser nach Dorostorum gehört (vg. ASS Nov. 2, 2, S. 305; 323) —,
die „Gemeinde nicht beieinander war" und „keiner vom andern wußte"
(S. 145); auch sei unter Diokletian das Archiv zerstört worden (S. 140). Allein
davon stimmt nichts. Ich brauche diesbezüglich ja nur auf die Korrespondenz
der röm. Kleriker mit Cyprian zu verweisen, die während der Sedisvakanz nach
dem Märtyrertod des Papstes Fabian stattfand — da merkt man nichts von
Auflösung! Nebenbei: in Rom dachte man damals bezüglich der flüchtenden
Kleriker nicht anders, als der spöttische Tertullian (S. 146); der reichlich impertinente
Brief, den die röm. Diakone bezüglich der Flucht Cyprians nach
Karthago schickten, besagt genug (Cyprian, Ep. 8; Ep. 9, 2 die indignierte Zurückweisung
der Epistel). Und wo wird die Zerstörung der römischen Archive
belichtet? Im Osten, wo die Verfolgung doch weit heftiger war, ist der berühmten
Origenes-Bibliothek in Caesarea nichts geschehen, obwohl ihr Vorstand
Pamphilus der Verfolgung zum Opfer fiel. Gefahndet wurde lediglich
nach der Bibel, wie die Märtyrerakten des Felix und Euplius, sowie das bei
Opiat von Mileve erhaltene Dossier beweisen.

Sehr eingehend sind die Gräber Petri und Pauli besprochen
, wobei die Andeutungen über die Grabungen unter St.
Peter von Interesse sind, schon weil darüber seit 1943 allerlei
sibylliiiisch-dunkle Andeutungen periodisch durch die Blätter
gehen. Aus dem S. nyff. Gesagten kann man sich zwar auch
noch kein völlig klares Bild machen, einiges erfährt mau aber
doch, wenn man sich aufs Kombinieren legt. S. 117 wird angenommen
, St. Paul sei in einem gemauerten Bodengrab beigesetzt
. Irgend ein Anhaltspunkt für diese Annahme existiert
zwar nicht, allein mir scheint, daß man damit in Zusammenhang
bringen muß, was S. 121 über das Petersgrab gesagt
wird: „Es kann wohl sein, daß irgend ein römischer Joseph
von Arimathäa seine Familiengruft zur Verfügung stellte.
Aber auch dann kam der Leichnam in eine Wandnische oder
in ein mit Ziegeln ausgelegtes Bodengrab." Wenn nun Kirschbaum
, der ja an dieser Grabung beteiligt ist und das Grab
kennen muß, beim Paulusgrab, von dem er nichts weiß, nur