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Ausgabe:

1950 Nr. 12

Spalte:

742-743

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Deutsches Dante-Jahrbuch 26 (N.F. 17) 1950

Rezensent:

Knevels, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 12

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Benedikts. Die religiösen und ethischen Werte des Benedik-
tinertums werden gut entfaltet und in kulturgeschichtliche
Sicht gerückt; der christliche Ordo-Gedanke hatte das wesentliche
Erbe des antiken Gedankengutes in sich aufgenommen
(S. 24). Das Heftchen enthält unter anderen Abbildungen auch
eine Wiedergabe der neuen von der Abtei Maria-Laach gestifteten
Rektorkette der Universität Mainz.

Jena Karl Heussi

Dörfler, Peter: Severin, der Seher von Norikum. Dichtung und Geschichte
. 2. Aufl. Freiburg: Herder 1947. V, 328 S., 1 Kt. gr. 8°. Hlw.
DM 11.—.

Die Vita Severini des Eugipp läßt weite Strecken in dem
Leben ihres Heiligen im Dunkel. Uber seine Herkunft hat er
selbst mit Beharrlichkeit jede Auskunft abgelehnt. In dies
Dunkel sucht Peter Dörfler mit dichterischen Mitteln Licht
zu bringen. Er sieht in S. den Sohn eines römischen Geschlechts
, das mit den Vandalen Norikum verlassen mußte und
so nach Nordafrika kam, das aber die tiefe Liebe zur fernen,
rauhen Heimat nie verlor. S. wuchs so, von Haus aus zweisprachig
, eigentlich von Jugend auf in seine römisch-germanische
Doppelaufgabe hinein. Die Katholikeuverfolgung der
Vandalen nötigte ihn, Afrika wieder zu verlassen. In Ägypten
kam er unter den Einfluß des dortigen Mönchtums. Nach der
Besiegung Attilas suchte er die alte Heimat auf, wo er seine
Lebensarbeit vollendete.

Die ganze, blutvolle Darstellung Dörflers hat für die Vorgeschichte
Severins nicht den geringsten Anhalt in Quellen.
Aber man möchte wünschen, sie hätte es, so schön und zugebrochen
worden; in der Tat sei der von Eigil vollendete Bau Ratgars kein
Neubau gewesen, sondern eine Erweiterung. Da3 die Stunnikapelle bereits
eine Ostapsis hatte, glaubt L. als sicher erhärtet; dann wäre die verbreitete
Ansicht widerlegt, daß die halbrunde Apsis in Deutschland erst gegen 800
zugleich mit dem seitlich weit ausladenden Querhaus aufgekommen sei. Über
die Lioba-Gebeine bzw. -Grabstätten berichtet L. genügend ausführlich; über
das Grab König Konrads I. sagt er nur ganz wenig. Der Umfang, in dem
Reliquienpartikel von den Bonifatiusgebeinen entfremdet worden sind, Ist
einer der wenigen Punkte, an denen L. keine genaue Auskunft geben kann.
Interessant ist das, was er über den Bonifatiuskult und seine Geschichte sagt.
Ganz offen wird festgestellt, daß das ganze Mittelalter hindurch das Bonifatiusgrab
keineswegs deutsches Nationalheiligtum war. Gegenüber der Reformation
im Fuldaer Land ist das Bonifatiusgrab kein Hemmnis gewesen; als gegen-
reformatorischesMotiv ist es dann aber auch nicht verwendet worden. Erst um
die Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zur (Wieder-) Belebung des Bonifatiuskultes
, also offenbar unter dem Einfluß der Romantik und der Neuformierung
des deutschen Katholizismus.

Bei der Fülle von Einzelfragen, zu denen Verf. Stellung
nehmen muß, ist von vornherein nicht anzunehmen, daß er üi
allen Fällen die richtige Lösung trifft. Manchmal weiß er auch
fast zu viel und zu genau Bescheid. Im ganzen verdient die Darstellung
Dank und Anerkennung.

Leipzig Franz Lau

Schneider, Friedrich, Prof. Dr.: Dante. Sein Leben und sein Werk. 4 , erneut
verm. Aufl. Weimar: Herrn. Böhlaus Nachf. 1947. XIV, 328 S., 11 Bild-
taf. u. 3 Taf. i. Anh. 8°. DM 9.80.
Deutsches Dante-Jahrbuch. 26. Band, N. F. 17. Hrsg. i. A. d. Deutschen
Dante-Gesellschaft von Friedrich Schneider. Weimar: Herrn. Bohlaus Nachf.

^SpS* Ä tot sie. Die Stange Gebundenheit vm. 2,9 s. gr. 8». dm .2,0; geb^dm ,4.-

des Historikers an die Uberlieferung verbietet es ihm aber
selbstverständlich, von der Darstellung Dörflers Gebrauch in
seiner Wissenschaft zu machen. Uber das, was Kaphalm in
seinem Buch berichtet (vgl. ThLZ 1948, Sp. 358L), kann er
leider nicht hinaus.

Hamburg Kurt Dietrich Schmidt

Lübeck, Konrad, [Prof. D.] Dr.: Das Bonifatiusgrab ZU Fulda. Fulda:
Parzeller 1947. 151 S. kl. 8°. Kart. DM 3.—.

Das Vorwort dieses Büchleins schließt mit den Worten:
,,LTuserer Schrift wünschen wir eine gute Aufnahme und als
Erfolg eine recht eifrige Verehrung des Bonifatiusgrabes
seitens der deutschen Katholiken" (5). Die Schlußworte des
ganzen Buches lauten; ,,Möge darum das Bonifatiusgrab zu
Fulda recht bald werden eine vielbesuchte Wallfahrtsstätte
der deutschen Katholiken" (127). Diese Sätze, das Taschenformat
der Veröffentlichung und manche Stellen im Kontext,
an denen ein etwas dithyrambischer Ton angeschlagen wird,
könnten den Anschein erwecken, als handelte es sich um eine
populäre Publikation mit rein praktischer Abzweckung und
von bloß konfessionspolitischer Tendenz, um verhältnismäßig
leichte Ware, jedenfalls nicht um ein wissenschaftliches Buch.
Die genauere Prüfung ergibt, daß eine saubere wissenschaftliche
Untersuchung vorgelegt wird. Die Literatur und die
Quellen sind gründlich durchgearbeitet. Mit den Ergebnissen
anderer Erforscher, namentlich solcher der Baugeschichte der
alten Klosterkirche, setzt sich Verf. eingehend auseinander.
Uber vorgenommene Ausgrabungsarbeiten (Vonderau) berichtet
er ausführlich. In einem breit ausgefallenen Anmerkungsteil
gibt er Rechenschaft über sein eigenes Forschen und das
anderer. Das Büchlein bietet wesentlich mehr als eine bloße
Geschichte des Bonifatiusgrabes, nämlich, wie bereits angedeutet
, eine ordentliche Darstellung der Baugeschichte der
Sturmikirche und des jetzigen barocken Domes, darüber hinaus
dann noch eine Geschichte der Fuldaer Abtei überhaupt,
die begreiflicherweise zum Teil nur In groben Strichen dargeboten
.

Die Geschichte des Grabes stellt sich Lübeck folgendermaßen dar: 754 ist
der Heilige an der von ihm gewünschten Stelle in der Mitte der Klosterkirche
beigesetzt worden (die auf den Jesuiten Chr. Brower Anfang des 17. Jahrhunderts
zurückgehende Meinung von der Bestattung der Bonifatiusgebeine
in der Ostapsis der Klosterkirche in einer besonderen, halbmondförmig angebauten
Koncha weist L. mit guten Gründen ab). Unter Eigil (817—822)
hat man die Gebeine in die unter Ratgar neu angelegte westliche Apsis verbracht
, andernorts genauer: an die Stelle, da Westchor und Querschiff zusammenstießen
(vgl. 45 bzw. 51). Anlaß für die zweite Verlegung wurde die
dritte Feuersbrunst von 1398. Das genaue Datum der Verlegung ist aber unbekannt
. In Frage kommt die Zeit zwischen 1399 und 1478. Dort, wohin die
Bonifatiusgebeine im 15. Jahrhundert verbracht worden sind, liegen sie heute
noch, nämlich in der Grabkruft, die früher Benediktusgruft hieß und heute
Bonifatiusgruft heißt. Was die Baugeschichte der Klosterkirche betrifft, so
wendet sich L. ziemlich energisch gegen die nicht nur von einer Seite vertretene
Meinung, die alte Sturmikirche (die schon eine Steinkirche war) sei Rom 1034) find für jede Erklärung der Göttlichen Komödie
Anfang des 9. Jahrhunderts von einer neuen Kirche umbaut und dann ab- sehr hilfreich.

Die beste wissenschaftliche Dante-Biographie in deutscher
Sprache, die mit bewundernswerter Kürze und Prägnanz
alle wichtigen Probleme der Dante-Forschung umreißt, einen
erstaunlich umfangreichen wissenschaftlichen Apparat, vor
allem auch Angaben und Kennzeichnungen der italienischen
Dante-Literatur, brüigt und souveräne Urteile abgibt, liegt
beglückenderweise in Neuauflage vor. Bis S. 206 ist es der alte
Text (Stehsatz), so daß das inzwischen von Schneider und
seinen Mitarbeitern (s. u.) Erforschte und Durchdachte an Ort
und Stelle nicht berücksichtigt und kerne Lüne zur neuesten
Zeit — etwa bei Dantes Monarchia! — gezogen werden konnte.
Wir hoffen, doch noch eine neue Gesamtkonzeption von
Schneider zu bekommen, und wünschen u. a. noch Eindringenderes
über Dantes Beziehung zum Thomisinus bzw. zur
römisch-katholischen Kirchenlehre überhaupt (ist seine „Verbindung
von Christentum und Mythologie" wirklich ,.unbefangen
", ist der katholische Kirchenglaube nicht doch aus der
Tiefe umgebogen?), über die Einordnung Dantes ins Mittelalter
(ist das Urteil von Francesco De Sanctis, dem sich
Schneider S. 158 anschließt, die Göttliche Komödie sei „das
zu künstlerischer Wirklichkeit erhobeue"Mittelalter", aufrechtzuerhalten
?), über Dantes Inferno und Purgatorio (herrscht in
Dantes Hölle das Gesetz der Wiedervergeltung, nach dem der
Sünder Ähnliches wie sein Opfer erleiden soll, oder soll er
nicht vielmehr seine eigene Sünde erleiden, sie immer weiter
tun müssen ?, und wird im Fegfeuer wirklich gestraft, ist es
ein Ort süßer Zartheit und schmerzlicher Traurigkeit oder
harter, freudiger Läuterung?), und über den spezifisch visionären
Charakter der Göttlichen Komödie (ist es wirklich so,
als wenn er jeden Gesang die Nacht geträumt und den Morgen
aufgeschrieben hätte ?).

In einem II. Teil hat Schneider den Inhalt der Deutschen
Dante-Jahrbücher und der Studi Danteschi ausführlich angegeben
. Ferner bespricht Schneider hier neue Daiiteforschungeu,
fertigt die Veltro-Deutung Alfred Bassermauns ab, führt Treffendes
zu der subtilen schwierigen Frage der deutschen Übersetzungen
aus und behandelt die ästhetische Bedeutung und
das Problem der Einheit der Göttlichen Komödie. Endlich gibt
er eine feinsinnige Erklärung der vielgedeuteten Francesca-
Szeiie (Inferno V), der „ersten Tragödie der Neuzeit"; die
Lösung, daß der Mensch Dante mitleidiger war als der Dichter
und dieser das absolute Prinzip der Moral und daher (?) die
Hölle aufrechterhalten wollte, scheint mir unbefriedigend; der
Dichter, nicht nur der Mensch, sprengt hier (und an anderen
Stellen) die Hölle im Sinn der Kirchenlehre völlig; die Fran-
cesca und Paolo zuerteilte ewige Gemeinsamkeit kann man
kaum als vergrößertes Leid, sondern muß sie als Gnade ansehen
, die es in der Hölle ja nicht geben dürfte, und wenn
Francesca Gebete sagen möchte und nicht sagen darf, sind
es eben Gebete, und die Hölle ist keine Hölle mehr, wenn in
ihr gebetet wird.

Die Tafeln über die drei Reiche (nach Cesare Carboni,