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Ausgabe:

1950 Nr. 12

Spalte:

737-739

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schick, Erich

Titel/Untertitel:

Die Botschaft der Engel im Neuen Testament 1950

Rezensent:

Michaelis, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 12

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tig wird dabei betont, daß die Vorstellungswelt des gnostischen
Erlösermythos sich als geeignete Ausdrucksform darbot, um
,,das eschatologische Geschehen als ein mit dem Kommen Jesu
Christi beziehungsweise mit seinem Tode und seiner Auferstehung
schon beginnendes" zu beschreiben (S. 221). Auch das
ist durchaus richtig, daß der Erlöser im verkündeten Wort
präsent ist, dem sich der Glaube öffnet, so daß der Mensch frei
wird für die jeweiligen echten Entscheidungen des Lebens. Und
daß das durch den Glauben geschaffene „unweltliche Selbst"
nicht als vorhanden aufweisbar, vielmehr „stets im aktuellen
Moment der Tat gegenwärtig" ist, sofern der Mensch in der
Liebe das Unweltliche zur weltlichen Gegenwärtigkeit macht
(S. 232), läßt sich dann als Beschreibung der urchristlichen
Weltferne billigen, wenn die Realität der Neuschöpfung dabei
nicht in einzelne Akte aufgelöst werden soll. Aber nun erwartet
man gerade im Blick auf Paulus, daß die konstitutive Bedeutung
des geschichtlichen Ereignisses von Kreuz und Auferstehung
Christi und der Erwartung der Parusie und damit
des Stehens des Christen im Miteinander und Gegeneinander
der beiden Aeonen gezeichnet würde. Aber so sehr B. davon
weiß, daß die Sendung des Erlösers „nach christlichem Glauben
ein historisches Ereignis ist", stellt er doch fest: „Indessen
wird man hierauf kein großes Gewicht legen dürfen" (S. 223L) ;
und so sehr B. weiß, daß „auch apokalyptische Zukunftsbilder
vom Neuen Testament noch mitgeschleppt werden",
erklärt er: „Die Zukunft kann grundsätzlich nicht wie in der
Gnosis als ein phantastischer kosmischer Zustand verstanden
werden. . . . Sie kann nur aus der Gnade Gottes verstanden
werden als das ständige Voraussein Gottes, der, wohin der
Mensch auch kommen mag, immer schon da ist, auch in der
Finsternis des Todes" (S. 233). Hier zeigt sich deutlich, daß
die oben genannten methodischen Voraussetzungen Bultmanns
zu einer Umdeutung der urchristlichen Heilsanschauung führen
, die eine Eliminierung der für das ganze Urchristentum
grundlegenden Heilsgeschichte mit sich bringt. Daß man
darin B. weder geschichtlich noch theologisch folgen kann,
scheint mir sicher, doch würde eine genauere Erörterung
dieser zum Problem der „Entmythologisieruug" führenden
Frage hier zu weit führen (s. meine Ausführungen Th. Ztschr.
1950, Nr. 5). Ist man sich aber dieser Grenze der Darstellung
Bültmanns bewußt, so kann man seine Herausstellung der
wesentlichen Züge des Menschenbildes und der Erlösungsgewißheit
des Neuen Testaments nur mit Dank entgegennehmen
.

Zürich Werner Georg K ü tu m e I

Schick, Erich: Die Botschaft der Engel im Neuen Testament. 3. Aufl.
Stuttgart: Evang. Missionsverlag 1949. 288 S. 8°. Hlw. DM 6.80.

Dieser Neudruck der ersten, 1940 im gleichen Verlag erschienenen
Auflage wird als 3. Auflage gezählt, weil die Basler
Missionsbuchhandlung in der Zwischenzeit 1946 eine neue Ausgabe
veranstaltet hatte (in der ThLZ sind die beiden ersten
Auflagen seinerzeit nicht angezeigt worden). Entstanden ist
die Schrift aus Vorträgen und Bibelstunden, die der Verfasser,
schon damals theologischer Lehrer am Missionsseminar in
Basel, im Jahr 1939 im Diakonissenhaus Karlsruhe und im
Basler Missionshaus gehalten hat. Es handelt sich demnach in
erster Linie um erbauliche Auslegung; seine theologischen und
theologiegeschichtlichen Uberzeugungen hinsichtlich der Lehre
von den Engeln hat der Verfasser zudem in einer besonderen
kleinen Schrift „Vom Dienst der Engel" niedergelegt (erschienen
1940 im Verlag H. Majer, Basel). Läßt der Titel zunächst
vermuten, es würden nur die Engelworte des NT behandelt,
so zeigt schon die „Einleitung" (S. 9—12), daß auch die „Aussagen
über die Engel" (S. 10) betrachtet werden sollen, und
demgemäß wird in Abwandlung des Titels auf S. n von der
„Botschaft des NT über die Engel" gesprochen. In 35 Abschnitten
verschiedenen Umfangs (die kleinsten umfassen
3—4, die längsten 12—13 Seiten) werden einzelne Stellen oder
Gruppen von unter sich verwandten Stellen behandelt, wobei
die Anordnung der Abschnitte einen gewissen Aufbau erkennen
läßt. So sind die Abschnitte 1—9 (S. 13—64) der luk. Vorgeschichte
gewidmet; die Abschnitte 12—17 etwa (S- 82—117)
gehen von der Versuchungsgeschichte Matth. 4 aus, unter gesonderter
Behandlung von Psalm 91, uf. und unter Einbeziehung
von Matth. 18, 10 sowie anderer Stellen. Als Beispiel
seien die Überschriften dieser Abschnitte 12—17 samt Texten
genannt: Der Weg des Sieges (Matth. 4, 11); Die Engelwelt
als Versuchung (Matth. 4, 5—7; 26, 53f.; Rom. 8, 38f.; 2. Kor.
11, i3f.; Hebr. 12, 9); Ein himmlischer Befehl (Ps. 91, 11 f.);
Schutzengel (Ps. 91, 11; Matth. 18, 10); Der Engel und das
Kind (Matth. 18, 10); „Daß sie dich auf den Händen tragen"
(Ps. 91, uf.).

Das Anliegen des Verf.s ist es, auf die „tiefe jenseitige Wirklichkeit" aller
der Worte über den Dienst und Auftrag der Engel und der Engelworte selber
aufmerksam zu machen, „als Erkenntnishilfe, als überirdische Stärkung, als
Klang der Anbetung", als Hinweis „auf ein Reich geistiger Gesetze und auf
höhere Geschöpfe, die In diesem Reich ihre Heimat haben" (S. 11), als Hinwels
auf „ewige Wahrheiten, himmlische Wirklichkeiten, unverbrüchliche Gesetze
des Reiches Gottes" (S. 273). Ihn leitet „liebendes Erkennen dessen, was
uns das NT an Erkenntnissen vom Wesen der lichten Boten Gottes schenken
möchte" (S. 19). Dabei fehlt es nicht an der grundsätzlichen Einsicht, daß
gerade auf diesem Gebiet Zurückhaltung und Vorsicht geboten sind (S. 10).
Immer wieder erinnert der Verf. sich selbst und seine Leser an diese Pflicht,
indem er seine Ausführungen mit zahlreichen „wohl", „gleichsam", „gewissermaßen
" versieht und sie so in der Schwebe läßt und Indem er auf die Grenzen
hinweist, die der Auslegung gesetzt sind (etwa was die Möglichkeit eines vorzeitlichen
Falles der Engel und umgekehrt ihre Einbeziehung in eine Apokata-
stasis betrifft; S. 225ff.). Andererseits allerdings bemüht er sich, beharrlich
und behutsam Antworten auf alle Fragen zu suchen, die dem aufmerksamen
Bibelleser sich stellen. Auffallend oft stützt er sich auf Zitate aus alten und
neuen Autoren, darunter zahlreiche Gedichte. Besonders häufig und ausführlich
kommen Zinzendorf und der ältere Blumhardt zu Worte, daneben New-
man, Kierkegaard, Jung-Stilling, Silesius, Tersteegen, V. Welgel, Fr. v. Meyer,
Gichtel, Lavater (ihm hat Verf. 1941 eine besondere, ThLZ 1942, Sp. 237f.
besprochene Schrift gewidmet), Baader, E. G. Woltersdorf, Knapp und viele
andere, aber auch Hölderlin, Rilke, Balzac, Strindberg, Kiaulehn usw. Exe-
geten werden kaum als Zeugen genannt (auf S. 276 Schlatter und Zahn als
„gläubige Schriftausleger"; vgl. S. 251). Auch auf die christliche Kunst wird
mehrmals verwiesen (z.B. S. 39, 41, 74f.).

Was die eigentliche Auslegung betrifft, so verleugnet diese die erbauliche
Abzwcckung nirgends. Es wäre daher ungerecht, wollte man diese bei der Beurteilung
außer acht lassen. Vielmehr wird man dem Verf. ein großes Maß von
homiletischer Bewegungsfreiheit zubilligen müssen und wird dann vorweg anzuerkennen
haben, daß er mit einer gewissen Meisterschaft die Möglichkeiten
erbaulicher Bibelbetrachtung auszuwerten versteht. In der Regel verfährt er
so, daß er bestimmte, in den betreffenden Stellen vorliegende Stichworte oder
Gedanken herausgreift und seine Ausführungen danach disponiert. Stets legt
er Wert darauf, die einzelnen Worte des NT „in ihrem Zusammenhang mit der
Gesamtbotschaft der Helligen Schrift zu betrachten" (S. 10). Mitunter liefern
erst diese weiteren Stellen (es sind meist solche des NT; das AT wird selten
herangezogen) die leitenden Gesichtspunkte, so wenn die Behandlung von
Luk. 1, 18—22 (S. 23ff.) unter die Überschrift „Das Zeichen und der Gezeichnete
" gestellt oder aus 2. Kor. 3, 18 (in Luthers Übersetzung) das Stichwort
„Die Spiegelung" für die Auslegung von Luk. 1,38 samt Apg. 27, 23f.
gewonnen wird (S. 39: „Maria wird zum Spiegelbild des Engels und damit auch
zum Spiegel göttlicher Klarheit, göttlicher Herrlichkeit"; S. 44: dies sei „das
Wunder der helligen Spiegelung"). Matth. 2, 13.19f. gibt Anlaß, unter der
Überschrift „Der Engel der Flucht" (S. 71 ff.) über die „heilige Flucht", „die
den Ordnungen des Reiches Gottes entspricht" (S. 73), über die Verborgenheit
, in der der Dienst der Engel zumeist geschieht, aber auch über alle „heilige
Verborgenheit" im menschlichen Leben, über den verborgenen Atenschen des
Herzens (1. Petr. 3, 4) u.a. zu meditieren. Der Abschnitt „Daß sie dich auf den
Händen tragen" (S. 116ff.) ist nach dem Satz disponiert: „Getragen wird das
Kind, der Tote und der Kranke" (S. 117). Bei Apg. 10, 1—8 ergibt sich unter
der Überschrift „Die Erweckung der inneren Sinne" (S. 186ff.) folgende Disposition
: „Kornelius ruft uns gleichsam zu: Sei ein Sehender, ein Höreuder,
ein Redender, und zwar nicht nach den Maßstäben der ä.ißeren Sinne, sondern
in einer tiefen und wesenhaften Bedeutungl" (S. 188). Auch am Ostermorgen,
heißt es im Abschnitt über Mark. 16,3; Matth. 28, 2f., habe Ps. 91,12 gegolten
: „daß sie dich auf den Händen tragen und du deine Füße nicht an
einen Stein stoßest", da „von allen Steinen, an die auf dem Weg über diese
Erde unser Fuß sich stoßen kann, der gewaltigste, drohendste, schmerzhafteste
der Grabstein ist" (S. 155).

Man wird nicht bestreiten können, daß der Verf. viele wertvolle Gedanken
aus den Texten herauszuarbeiten vermag. Einige der erwähnten Beispiele
aber zeigen zugleich, wie locker dabei oftmals der Zusammenhang mit
den Grundstellen Ist, und etwa das letztgenannte Beispiel warnt doch wohl
eher vor solcher Kunstfertigkeit des erbaulichen Kombinicrens. Im gleichen
Abschnitt heißt es dann zur Bemerkung Matth. 28,2, daß der Engel am Orabe
sich auf den Stein gesetzt habe: „Der Stein, der eben noch dem Widerstand
gegen den Geist gedient hatte, ja selbst der Ausdruck der Empörung aller
Mächte des Todes gegen der) Schöpfer und den Erloser der Welt gewesen war,
er wird vom Engel des Hern) nicht zerstört, sondern umgeschaffen zu einem
Thron seiner überirdischen Herrlichkeit" (S. 157f.). Auch hier ist die Ausdeutung
doch etwas zu weit getrieben (und so in vielen anderen Fällen).

Bedenken erweckt sodann vor allem die das ganze Büchlein durchziehende
Anschauung, Liturgie und Diakonie seien die beiden Leitworte, unter
denen das Wesen der Engel stehe (S. 28,33, 39, 41 43f., 50, 63 u.ö.). Es genügt,
zu dieser Verwertung von Hebr. 1, 14 auf die Kritik zu verweisen, die Karl
Barth, Kirchliche Dogmatik 111,3 (1950), S. 529f. an Schick geübt hat. Besonders
auffällig wirkt es schließlich, daß der Verf. seine Kombinationen von
Schriftstellen vielfach nur auf den Luthertext, nicht aber auf den Urtext (in
manchen Fällen auch nicht einmal auf das Probetestament von 1938) zu
stützen vermag. Gewiß nimmt er gelegentlich auf den Urtext Bezug (z.B.
S. 13, 39, 48, 251), und mitunter bleibt es auch ohne ernstere Folgen, wenn er
ihn nicht beachtet. So mag es etwa angehen, Luk. 1, 8 und Hebr. 5, 14 des-