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Ausgabe:

1950 Nr. 12

Spalte:

733

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Buchmann, Klara

Titel/Untertitel:

Der Mensch und die Goetter 1950

Rezensent:

Herter, Hans

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Seite 1

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733 Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 12

7.14

länder, Univ. of Calif. Publ. in Philosophy XV, 11 (1949),
S. 225—240: Structurs and Destruction of the Atom according
to Plato's Timaeus.

Marburg/Lahn Rudolf Bultmann

Buchmann, Kläre: Der Mensch und die Götter. Betrachtungen zur griechischen
Religiosität. Urach: Port Verlag [1946]. 69 S. 8°= Erbe und
Schöpfung, hrsg. von K. Port, 1. Oeb. DM 1.80.

Die vorliegende Schrift, die mehrere Einzelstücke mit
einer Einführimg umfaßt, beleuchtet das Verhältnis des griechischen
Menschen zur Gottheit in entscheidenden Phasen.
Am homerischen Achill zeigt sich, wie nach der schwermütigen
Anschauung, zu der diese jugendliche Zeit stark genug
war, der Mensch sein gottverhängtes Schicksal nicht aufheben
, aber mit Größe und Adel erfüllen kann. Auch der sopho-
kleische Oidipus steht ganz unter der Götterfügung, aber auch
er — so hätte noch deutlicher ausgeführt werden können —
bewährt gerade in seiner Katastrophe die innere Kraft seines
Selbst. Schließlich wird Sokrates in seinem unbedingten Vertrauen
auf die Gottheit gezeichnet, das die „Versöhnung der
menschlichen und göttlichen Welt zu einer gerechten, gütigen
und gültigen Ordnung" einleitet. Diese „Betrachtungen"
nehmen die Dinge aus sehr weiter Sicht, in der sie viel einfacher
, aber auch ganz monumental erscheinen, und sind von
einer mitreißenden Intensität der Anteilnahme an großen Gestalten
des alten Griechentums getragen. Die Verfasserin, die
sich durch ihre gute Erstlingsarbeit über Piatons Menon 1936
und mannigfache Editionen deutscher Literaturwerke bekannt
gemacht hat, ist wenige Tage nach der Vollendung
dieser ihrer letzten Schrift dahingeschieden und hat uns darin
ein Denkmal ihrer eigenen edlen Persönlichkeit hinterlassen.
Bonn Hans Herter

NEUES TESTAMENT

Bultmann, Rudolf. Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen
. Zürich: Artemis-Verlag [1949]. 263 S. kl. 8°. = Erasmus-Bibliothek
, hrsg. v. Walter Rüegg.

Es ist eine allgemein anerkannte Erkenntnis der neueren
Forschung, daß wir das geschichtliche Werden und die Vielheit
der Erscheinungsformen des Urchristentums nicht wirklich
verstehen können ohne eingehende Kenntnis der Religionsund
Geistesgeschichte der Umwelt des Urchristentums. Trotzdem
ist es im Rahmen unserer wissenschaftlichen Arbeit im
allgemeinen nicht üblich, die geschichtliche Darstellung des
Urchristentums mit der Schilderung dieser Uniwelt im selben
Werk zu verbinden (eine Ausnahme stellt etwa H. Lietz-
manns Geschichte der Alten Kirche, Band I dar); vielmehr
pflegt man die für das Verständnis des Urchristentums notwendige
Kenntnis der Umwelt gesondert als „Neutestament-
liche Zeitgeschichte" zu vermitteln. Mag diese Aufteilung bei
umfänglichen Darstellungen aus praktischen Gründen unvermeidlich
und sachentsprechend sein, so erschwert sie doch die
sachlich so notwendige Verbindung der religionsgeschicht-
lichen LTmweltforschung mit der eigentlichen Darstellung des '
Urchristentums, insbesondere die Herausstellung des besonderen
Charakters der urchristlichen Gedankenwelt im Vergleich
mit den geistigen Formen seiner Umwelt. Die Herstellung
dieser Verbindung ist aber besonders wichtig in Darstellungen
, die sich nicht nur an Theologen wenden, weil ohne
solche ausdrückliche religionsgeschichtliche Konfrontierung
die geschichtliche Einordnung und die sachliche Einzigartigkeit
des Urchristentums dem Leser nicht verständlich gemacht
werden kann. Es ist darum von großem Wert, daß R. Bultmann
in seiner auch für gebildete Nicht-Theologen zugänglichen
Darstellung des Urchristentums der relativ kurzen
Schilderung des Urchristentums (S. 195—233) eine ausführliche
Behandlung der Religionen und Geistesströmungen vorausschickt
, die für die Entstehung und erste Formwerdung
der urchristlichen Gedankenwelt maßgeblich waren. Das Buch
ist so angelegt, daß den beiden Kapiteln über das Judentum
und den Hellenismus jeweils eine Erörterung des alttesta-
mentlichen bzw. griechischen Erbes vorausgestellt wird, und
daß diesen vier Kapiteln das fünfte über das Urchristentum
folgt. Anmerkungen, die neben sehr sorgfältig ausgewählten
Bibliographien in der Hauptsache Quellenangaben, aber auch
vereinzelte Ergänzungen des Textes bieten, beschließen das
Buch.

Unterscheidet sich so Bultmanns „Urchristentum" in formaler
Umsicht von den üblichen Darstellungen nicht unwesentlich
, so bietet auch inhaltlich dieses Werk eine ungewohnte
Sicht dar. Bultmanns Interesse liegt hier weder beim Urchristentum
noch bei den Religionen der Umwelt auf den Erscheinungsformen
des religiösen Lebens, auf Kultus, Mythus,
Gemeindebildung, sein Interesse konzentriert sich vielmehr
auf die Frage nach „dem Existenzverständnis, das im Urchristentum
als neue Möglichkeit menschlichen Existenzverständnisses
zutage getreten ist — oder vorsichtiger: ob und
inwiefern das der Fall ist" (S. 8). Damit ist gegeben, daß die
Tatbestände der spätantiken und urchristlichen Religionsgeschichte
vom Verf weithin vorausgesetzt und nur in kleiner
Auswahl dargeboten werden, während sein Absehen ganz auf
das Verständnis des eigentlichen Charakters dieser religiösen
Wirklichkeiten gerichtet ist. Das bedeutet eine wertvolle Konzentration
, aber auch eine Erschwerung des Verständnisses für
jeden, dem diese Tatbestände nicht geläufig sind. Inwieweit
die Herausstellung des neuen Existenzverständnisses eine allseitige
Erhellung der geschichtlichen Wirklichkeit des Urchristentums
im Rahmen seiner Umwelt bedeutet, wird zu
fragen sein. Auf alle Fälle aber bietet die Unterbauung der
spätjüdischen und hellenistischen Geisteswelt mit der Schilderung
des alttestamentlichen und griechischen Erbes eine
wertvolle Bereicherung, weil dadurch die in den Spätformen
sich auswirkenden Geisteskräfte deutlicher zum Vorschein
kommen.

Bultmann geht aus von einer Schilderung der Grundzüge
der alttestamentlichen Gedankenwelt, die als ein wertvoller
Abriß der alttestamentlichen Theologie gekennzeichnet werden
kann. Er grenzt den alttestamentlichen Schöpfungsgedan-
keu als den Glauben an den Herrn der Welt und damit des
Menschen ab vom griechischen Kosmosgedanken, weist auf die
Geschichte als das eigentliche Herrschaftsgebiet Gottes hin
und betont, daß der Glaube als demütige Unterwerfung unter
Gottes Pläne verstanden wird. Das Verhältnis Gottes zum Volk
wird durch die Geschichte Gottes mit seinem Volk konstituiert
, das Bestehenbleiben des Bundes hängt aber von
der Treue des einzelnen ab, und je weniger der einzelne den
Forderungen Gottes gehorsam ist, „desto mehr muß der Begriff
des Bundes zu einem eschatologischen Begriff werden;
das heißt der Bund ist in der realen Geschichte nicht realisierbar
; seine Realisierung ist nur denkbar in tiner mythischen
Zukunft des Heils" (S. 41). Daß mit dieser mythischen Zukunftserwartung
„der echte Gedanke Gottes als des Kommenden
, ... ja auch der Gedanke Gottes als des Herrn der Geschichte
" (S. 46) preisgegeben sei, ist freilich nur dann richtig,
wenn der Gedanke des „Kommens Gottes" von vorneherein
nur als das immer neue Kommen Gottes verstanden wird, was
der alttestamentlichen Anschauung durchaus widerspricht.
Der Wille Gottes wird schließlich als Forderung des Verhaltens
in der Gemeinschaft von der griechischen Tugendethik abgehoben
, als die eigentliche Sünde wird Hochmut und Eigensinn
betont, der gegenüber das Alte Testament um Gottes Vergebung
weiß, die man schließlich von der eschatologischen Zukunft
erst erwartet. Man vermißt m dieser wertvollen Schilderung
nur ein Eüigehen auf die Heilseschatologie und besonders
auf die messianischen Erwartungen, deren Bedeutung für
Spätjudentum und Urchristentum doch nicht bestritten werden
kann.

Das 2. Kapitel stellt mit Recht das palästinische und das
hellenistische Judentum getrennt dar. Für das palästinische
Judentum ergibt sich als charakteristisch, daß hier die Bindung
an die Geschichte des Volkes durch die Bindung an die
Schrift geschieht, wodurch Gott aber nicht mehr in echtem
Süm Gott der Gegenwart ist. Das Leben unter dem Gesetz
erhält den Charakter kultischer Heiligkeit, es kommt nicht zu
einem radikalen, sondern nur zu einem formalen Gehorsam,
und die juristische Auffassung des Gesetzesgehorsams führt zur
Heilsunsicherheit auf der einen, zum Selbstbewußtsein des Gerechten
auf der anderen Seite. Die Hoffnung hat in ihren populären
Formen nationalen Charakter, aber daneben kommt
die kosmische Eschatologie auf, and beide Formen der Fscha-
tologie werden svstematisch oder unsystematisch verknüpft.
Man wird dies als eine durchaus sachgemäße Darstellung bezeichnen
dürfen; nur entspricht es schwerlich dem jüdischen
Gottesvolkgedanken, daß „im Grund nicht die gemeinsame
Geschichte, sondern der gemeinsame Ritus das Gottesvolk
konstituiert" (S. 66), da ja für das Judentum die Bundesverpflichtung
des Gesetzes gerade in der geschichtlichen Offenbarung
am Süiai ihre Wurzel hat; und daß die Sadduzäer nur
die im Pentateuch fixierten Gesetze gelten ließen (S. 67), ist
ein oft begegnender Irrtum. Aber das Auffallendste in diesem
Kapitel ist damit noch nicht berührt: Bultmann behandelt in
diesem jüdischen Zusammenhang auch die Verkündigung Jesu.
Er begründet das damit, daß Jesus kein Christ, sondern Jude
gewesen sei, und daß seine Predigt sich in der Begriffswelt des
Judentums bewegt habe. Als wesentlich an der Verkündigung
Jesu werden dann herausgehoben: die Ersetzung des göttlichen