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Ausgabe:

1950

Spalte:

732-733

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Herter, Hans

Titel/Untertitel:

Platons Akademie 1950

Rezensent:

Bultmann, Rudolf

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Theologische Literaturzeltung 1950 Nr. 12

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zipiell der Christliche Schöpfungsglaube neu herausgestellt
werden und gegenüber einem der Welt sich entgegenschlagenden
Pessimismus gebracht werden. 2. Jener Schöpfungsglaube
ist letztlich nicht nur eine Art von „Vorhof", sondern umgekehrt
auch geradezu die letzte Vertiefung und Erfüllung christlichen
Heilsglaubens. „Die Wege Gottes enden in der Leiblichkeit
", sagte Oetinger. Frick entfaltet diese letzte Durchdringung
von Schöpfungs-Heilsglauben in dem systematischtheologisch
bedeutsamsten Kapitel seines Werkes über den
Weg, der uns vorgezeichnet ist (Kap. 5). Hier wird in systematisch
hervorragender Weise zugleich ungemein faßlich und
allgemeinverständlich der innere Zusammenhang der drei
Glaubensartikel aus der Botschaft von dem „schon jetzt" anbrechenden
Reich durchgeführt.

In diesen Zusammenhang gehört auch und besonders die
Betonung der „Solidarität", welche diejenigen, welche mit
Ernst Christen sein wollen, nach allen Seiten hin, auch über
die Grenzen der verfaßten Kirche hinaus, zu üben haben. Unbetroffen
von den oben gestellten Fragen bleibt daher das
große grundsätzliche Anliegen Fricks, den von der dialektischen
Theologie verkürzten, ja beiseite gelegten christlichen
Schöpfuugsglauben zur Geltung zu bringen. Entgegen dem
Dualismus, der keinen Durchbruch des Heils in der Welt
kennt, entwickelt Frick in besonders eindrucksvollen und
nachdenkenswerten Ausführungen im Eingang des fünften
Kapitels Sinn und Gehalt christlicher Eschatologie. Das Evangelium
erschließt uns die Sinnhaftigkeit des Weltgeschehens
und des Mensch-Seins. „Gott tut das Wunder, die Last der
Vergangenheit aufzuheben, sowohl die Schuld — durch Vergebung
— als auch die realen Wirkungen unserer Verschuldung
— durch .Heilen' und ,Neu-Schaffen"' (1. Aufl. S. 177). Die
zweite Auflage entwickelt unter solchem Gesichtspunkt außerordentlich
erleuchtend den Zusammenhang der drei Glaubensartikel
.

Zum Schluß sei auf eine grundsätzlich wichtige methodologische
Frage, zu der das vorliegende Werk Anlaß gibt, hingewiesen
. Das Buch setzt mit geopolitischen Betrachtungen
ein, und in der Weiterführung der Linien wird ausdrücklich
eine pädogogische volkspolitische und eine spezifisch theologische
Beurteilung der Lage unterschieden und neben- und
nacheinander durchgeführt. Wie verhalten sich beide Betrachtungsweisen
zueinander ? Zunächst ist klar, daß jene geo-
politische Betrachtungsweise in ausgesprochener Distanzierung
vom rassischen Gesichtspunkt de facto ein außerordentlich
scharfer sachlicher Angriff auf die Rassentheorie der Religionen
ist, was merkwürdigerweise zu jener Zeit auch von
Theologen vielfach nicht bemerkt wurde. Sodann ist die entscheidende
These, daß im Gegensatz zu den starren Gebundenheiten
des kontinentalen Raumes und der individualistischen
Ungebundenheit des amerikanischen Kontinents Europa ein
Gebiet ausgesprochen individueller geistiger Haltungen bei
gleichzeitiger Pflege der Bindungen an die Traditionen sei.
Sinnvollerweise ergibt sich volkspädagogisch die Forderung,
diese Eigenart zu respektieren, für den Politiker, der die geistige
Struktur eines Volkes oder einer Kultur zu berücksichtigen
hat. Gegenüber dem Nationalsozialismus handelte es sich hier
um eine dringliche Mahnung, diese Achtung vor dem geistigen
Erbe nicht abzuschütteln. Wie aber nehmen diese Gedankenreihen
unter theologischem Gesichtspunkt sich aus ? Die Frage
ist deshalb so wichtig, weil sie grundsätzlich auf den verschiedensten
Gebieten, z. B. als Frage nach dem Verhältnis von
Theologie und Historie, Theologie und Ethik usw. wiederkehrt.
Befragen wir das Werk Fricks, so ergeben sich drei Leitlinien
: 1. Aus dem christlichen Schöpfungsglauben folgt die
Pflicht der Sachlichkeit, der objektiven Wirklichkeitsanalyse.
2. Sofern das Christentum selber die europäische Kultur geprägt
hat, wird die Theologie mit Fug und Recht in solcher
Prägung dasjenige aussuchen und bejahen, was der christlichen
Substanz gemäß ist. 3. Im Sinne Fricks gehört dazu
vor allem auch jene Selbstkritik des Christentums vom Evangelium
her. Mit ihr ist der Absolutheits- und Totalitätsanspruch
jeder Einzelkonfessiou durchbrochen und theologisch
eine „Tcleranz" begründet, deren Wesen in bereitwilliger Aufgeschlossenheit
und mittragender Solidarität mit dem Andersdenkenden
besteht.

Marburg/Lahn Th. Siegfried

Junker, Hermann : Pyramidenzeit. Das Wesen der altägyptischen Religion.
Einsiedeln, Zürich, Köln: Benziger 1949. 184 S. 8°. sfr. 9.—; Lw. sfr. 12.90.

Das Büchlein bildet bei allen Unterschieden der Deutung
im Einzelnen, eine sehr nützliche, ja notwendige Ergänzung
zu Kees' Standardwerk „Der Götterglaube im Alten Ägypten"
(1941). Auf Grund seiner eingehenden Kenntnis der Morgenzeit
altägyptischer Geschichte, des Alten Reiches der Pyramidenerbauer
im dritten Jahrtausend, gelingt es J. trotz der
verzerrenden Einseitigkeit der Quellen, uns ein Bild von der
Religiosität der Menschen dieser Kultur zu zeichnen, wie wir
es bisher nicht besessen haben. Dabei ergibt sich als Neues
vor allem, daß bereits im AR alle Züge der Religion des Alten
Ägypten angelegt waren. Spätere Zeiten haben gewiß vieles
ausgebaut, auch Einzelzüge hinzugefügt, aber nichts Grundlegendes
mehr neu schaffen können. Das gilt insbesondere auch
für die sog. „persönliche Frömmigkeit", d. h. die unmittelbare
Verbindung des Eiiizelmenschen zu seinem Gott, die, wie
J. jetzt zeigt, nicht erst eine Errungenschaft des späteren NR
ist, sondern schon bei den Gläubigen des AR vorhanden war,
wenn auch damals eine Scheu das offene Aussprechen solcher
Gedanken weitgehend hinderte.

Junkers These vom „Urmonotheismus", wie ihn Pater
W. Schmidts Mödlinger ethnographische Schule lehrt, vermag
zwar nicht recht zu überzeugen; um so mehr aber sprechen
seine Ausführungen über die Ethik des AR an. Gott setzt unwandelbare
Rechtsnormen, die im Diesseits wie im Jenseits
gelten. Übertreter, also Sünder, verfallen dem Totengericht.
Das Bewußtsein eigener Unzulänglichkeit, eigener Schuld und
Erlösungsbedürftigkeit ist entwickelt. Anschaulich zeigt nun
der Verf., wie dieser hohen Auffassung von der verpflichtenden
göttlichen Nonn menschliche Schwäche in Gestalt der
Magie entgegentritt. Mit ihrer Hilfe zwingt der Mensch die
göttliche Macht, ihm zu Gefallen zu sein, weicht also verdienter
Strafe aus und entbindet sich damit von der Verpflichtung
, Gott wohlgefällig zu handeln. Es ist ein bezeichnender
Zug der altägyptischen Religion überhaupt, der schon
in der Pyramidenzeit deutlich hervortritt, daß keiner der
beiden widersprechenden Züge: Ethik mit Sündenbewußtsein,
Unterwerfung unter ein gerechtes und unbestechliches Gericht,
aber auch unter die Gnade Gottes einerseits, Erzwingen eines
guten Ausgangs des Gerichtes durch Bedrohung des Gottes andererseits
, den alleinigen Sieg davonträgt, daß vielmehr beide
Auffassungen ständig nebeneinander herlaufen, wobei zu verschiedenen
Zeiten die eine oder die andere Seite dominieren mag.

Das Büchlein hält, was es verspricht: es ist eine Untersuchung
über „das Wesen der altägyptischen Religion", für
einen weiteren Leserkreis bestimmt. Es stellt „die großen
tragenden Gedanken heraus, die den Kern der Religion bilden
". So gehört es in die Hand eines jeden Religionshistorikers
.

Tübingen Hellmut Brunner

Herter, Hans: PlatoilS Akademie. Bonn: Scheur 1946. 40 S. 8°= Bonner
Universitäts-Schriften H. 4. DM 2.—.

Der lebendige und in seiner Knappheit doch iuhaltreiche
Vortrag geht von dem äußeren Rahmen aus, in dem sich das
Leben der platonischen Akademie abspielte. Von ihm ein
einigermaßen anschauliches Bild zu entwerfen, gestatten die
die literarische Uberlieferung ergänzenden Ergebnisse der seit
1930 veranstalteten Grabungen. Der Verf. gibt zunächst eine
allgemeine Charakteristik des um den sakralen Mittelpunkt
des Museion sich gruppierenden Gemeinschaftslebens, das
neben der Arbeit auch die Geselligkeit umfaßte. Die Schilderung
der Arbeitsordnung und Arbeitsmethode führt dann von
selbst zu einer Skizze der platonischen Philosophie, ihrer leitenden
Gedanken und praktischen Ziele. Von der Mathematik
führt der Weg zur Dialektik, die von der Frage nach dem, was
das Gute sei, bewegt ist; weiter zur Konzeption der „Idee"
und zu der im Dienste der Ethik stehenden Ideenlehre. Indem
der Verf. die Methode der Diairesis charakterisiert, läßt er die
Problematik der Ideenlehre sichtbar werden, ebenso aber auch
den Grundzug des platonischen Denkens: konkrete Forschung
und philosophische Besinnung in einem organischen Zusammenhang
zu halten, — bzw. den Zusammenhang zwischen
dem jenseitigen Reich der Ideen und der diesseitigen Welt des
Handelns festzuhalten. Welche Bedeutung die platonische
Akademie für das Abendland als der Ausgangspunkt der Universitätsbildung
hat, wird zum Schlüsse betont.

Es versteht sich von selbst, daß in dem knappen Rahmen
die Darstellung als einfache Schilderung gegeben und nicht in
wissenschaftlicher Diskussion entwickelt wird. Jedoch liegt es
dem Verf. daran, seine Auffassung von der positiven Bedeutung
der platonischen Akademie für die Geschichte der Wissenschaft
im Gegensatz zu der Auffassung Ernst Howalds zu
verfechten. Ein Anhang enthält reiches Material von Quellenbelegen
und Literaturliinweisen. Vielleicht darf ich diesen
noch zwei Kleinigkeiten hinzufügen. Zu S. 7 vgl. Kurt von
Fritz, Pythagorean Politics in Southern Italy und dazu die
Besprechung von Erich Frank, Americ. Journ. of Philology
64, 2 (1943), S. 220—225. Ferner zu S. 26: Paul Fried-