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Ausgabe:

1950 Nr. 12

Spalte:

725-726

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Mensching, Gustav

Titel/Untertitel:

Die Religionen und die Welt 1950

Rezensent:

Merkel, Franz Rudolf

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 12

726

nach Septuaginta dagegen Zödo/ia1. Diese Umschrift aber entspricht
genau der Vokalisierung von AF. qtio = Södom. Damit
aber scheint sekundärer Pänultimadruck ddbar < *däbaru,
wie ihn noch das Samaritauische kennt, für das Nomen der
Bildung qatalu erwiesen zu sein. Entsprechende Drucklage
haben die zweisilbigen Nomina. Es sei auf i^in Krankheit"
in Jes. 1, 5 (AF.) verwiesen. Während die tib. K.-Form h«li
lautet, liegt hier offenbar kurze offene Drucksilbe vor, so daß
holt zu lesen und damit tib. P. i^h = holt zu vergleichen ist.

Für das Verbum lassen sich'die gleichen Beobachtungen
machen. Pänultimadruck liegt überall dort vor, wo Endungen
an den Stamm angetreten sind; z.B. in den Imperfektformen2
"lbTüTa1 = iemiölü „sie herrschen", wofür MT. in Jes. 3,4
"l^TOW = tib- K- ivntHü steht, oder TO1TT = iedrdSü „sie
suchen", dem in Jes. II, 10 tib. P. WyYF1 = iidrosü entspricht
. Besonders interessant ist Jes. 18, 4" (AF.) nUJ5TO8
'eiqotä „ich will mich ruhig verhalten". MT. enthält1 das
gleiche Buchstabengefüge, aber entsprechend ihrer Normaldruckverteilung
lesen die Tiberier im Konsonantentext die
alte, sogenannte Kohortativform 'ä$q°ta mit Ultimadruck.
Die gleiche Drucklage liegt etwa in dem Imperativ TOTTI
„suchet" vor, der tib. Jes. 1, 17 dirSü lautet, aber nach AF.
nur d(o)r6iü3, entsprechend tib. P. q tölü, gelesen werden kann.

Nicht so leicht erkennbar ist die Drucklage bei endungslosen
Formen; z.B. Jes. 9, 15 bfEn1 ,,er schont". Immerhin
läßt sich auch hier der Akzent erschließen. Wenn z. B. Jes. 5, 2
im Rahmen der sogenannten Konsekutivformen für tib. USS^I
uaüä'as „und er machte" AF. die volle Form nTO>"n steht,
so wird man dieselbe, von der Laryngalelision einmal abgesehen
, iiaiä'se lesen. Von hier aus ist dann auch auf die starken
Bildungen zu schließen, die demnach ieqtol < *j,aqtul / iaqlulu
lauten. Pänultimadruck wird man vielleicht auch deswegen
annehmen dürfen, weil diese Formen fast ausnahmslos durch
1 vokalisiert sind4. Es ist möglich, daß diese auffällig regelmäßige
Vokalisierung dadurch zustandegekommen ist, daß

') So nach H. B. Swete, The Old Testament in Greek III (Cambridge
1930), z.Stelle.

*) Der Vokal beim Präformativ ist hier versuchsweise mit e«t angesetzt,
da, wie auch Sek. zeigt, der e-Laut als schwebende Nuance große Wahrscheinlichkeit
für sich hat; vgl. E. BrOnno, Studien, 25.

') Unsicher bleibt, wie schon altkan. q(u)tulü, der erste Vokal. Ebenso
gut ist Konsonantenhäufung dritü möglich.

4) Vgl. J. Hempel, Vorläufige Mittellungen, 426.

druckloses 0 gefährdet war1. Entsprechendes dürfte dann
auch von der 3. Pers. M. Sg. der Afformativkonjugation
gelten, die qdtal < *qihda lauten müßte. Eine Ubersicht über
die geläufigsten Formen des Grundstammes ergibt somit folgendes
Bild:

Imperf. Imperat. Perfektum

Sg. 3. M. itqtol qdtal
3. F. ieqtol qatdlä
2. M. ieqtol q(o)tol qutdltä

2. F. teqtöli qfojiöli qatdlti*

1. e. 'iq(ol qutulti
PI. 3.M. icqtolü 1 - ,z-

3. F. tcqtolna I ~

2. M. tcqtölü q(o)(6lü qatalttmmä"
2. F. teqtölTiä qfojtölnä qa(aliinnä
i.e. niqtol qatdlnü

Sollte sich die hier kurz umrissene und an wenigem Beispielen
erläuterte Druckverteilung in AF. als stichhaltig erweisen
, so würde dies für die Beurteilung des tib. Systems von
grundlegender Bedeutung sein. Es wäre damit ein Beweis mehr
für die These geliefert, daß das tib. System historisch an das
frühe Mittelalter gebunden ist, man also keineswegs unbesehen
und unmittelbar von hier aus auf das Kanaanäisch-
Hebräische schließen darf. Denn dazwischen liegt jener große,
sprachgeschichtlich außerordentlich bedeutsame Komplex,
den man gewöhnlich als „vormasoretisch" bezeichnet.

Die Jesaja-Handschrift von AF., und dies sei nur kurz
angedeutet, setzt nicht mehr einen einheitlichen Sprachtypus
voraus. Dieser Mischcharakter deutet darauf hin, daß wir es,
ähnlich wie hl den späten Perioden des Akkadischen, mit
einem nicht mehr lebendigen Idiom zu tun haben. GLichwohl
zeigen die darin enthaltenen altertümlichen Formen und die
Vokalbuchstaben, die vielfach dort erscheinen, wo man auf
eine Gefährdung der kan. Aussprache schließen darf, daß die
Schreiber dieser Handschrift bzw. von deren Vorlage noch
über eine gelehrte Tradition verfügten, di?, wenn auch in erstarrter
Form, noch Anschluß" an das einst im Umgang gesprochene
Hebräisch hatte.

') Dies zeigt sich z. B. an der Sek-Form ova'iaXe^ für MT. ibyi —
tib. T'b^l (Ps. 28,7), die wohl aus 'uaiilez < uaii loz „und er jubelte •
zu erklären ist.

2) Jes. 17, lOTlfDia „du (F.) hast vergessen".

s) Jes. 12,3 rrcraN-CJI „und ihr werdet schupfen".

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Mensching, Gustav: Die Religionen und die Welt. Typen religiöser

Weltdeutung. Bonn: Röhrscheid (1947J. 50 S. 8°. DM2.90.
— do. 2. Aufl. Ebda 1949. 51 S. kart. DM2.20.

Der durch seine vielgestaltigen Arbeiten wie „Volksrcli-
gion und Weltreligion" (J. C. Hinrichs, Leipzig); „Gut und
Böse im Glauben der Völker" (derselbe Verlag); „Das Wunder
im Völkerglauben" (Pantheon, Akademische Verlagsanstalt,
Amsterdam) sowie seine grundlegend-systematische Darstellung
der mannigfachen Probleme der Religionssoziologie
in: „Soziologie der Religion" (L. Röhrscheid, Bonn) bekannte
Bonner Religionshistoriker Gustav Mensching hat in der vorliegenden
Untersuchung das oft erörterte Problem des Verhältnisses
der Religion zur Welt behandelt auf Grund religionsgeschichtlicher
Feststellungen, aus denen sich einzelne Haupttypen
ergeben für das beziehungsreiche Verhältnis der verschiedenen
Religionen in der Welt und zur Welt. Um nun
solche Weltanschauungstypen auf ihren religiösen Wirklichkeitsgrund
zurückzuführen, beginnt der Verf. mit einer Analyse
von Wesen und Ursprung der Religion, die er als Erfindung
, als mythische Naturerklärung, als Offenbarung und
als Begegnung charakterisiert. „Religion ist nicht Welterklä-
ning, nicht wesentlich Vorstellung gedachter oder erfundener
göttlicher Wesen, sondern zweierlei: erlebnishafte Begegnung
niit heiligen Mächten und antwortendes Handeln des vom Heiligen
berührten und bestimmten Menschen" (S. 17). Daraus
ergibt sich die Frage: „wie existiert Religion in der Welt ? . . ."
nur in zwei in letzterTiefe unterschiedenen Strukturformen, als

Volks- und „Weltreligion". Wenn nun jede Religion im Lauf

----- ...ti—4. „„

und Stoff, von Leib und Seele, von Gut und Böse; „die Welt
als Illusion", der ontologische Monismus mit pessimistischer
Grundhaltung und schließlich „die Welt als organische Einheit
", wie sie besonders im Christentum, in der Lehre vom
Reich Gottes, im „neuen Aon" zur Ausprägung kam.

G. Menschings lehrreiche Ausführungen über die verschiedenen
Typen religiöser Weltdeutung stellen einen bemerkenswerten
religionsgischichtlichen Versuch dar, „das
Ganze der möglichen religiösen Welteinstellungen" im Gesamtverlauf
der Relieionsgi.schichte seinem „inneren Sinne
und seiner Notwendigkeit nach zu verstehen". Und schließlich
läuft die Untersuchung der Sinnfrage auf den typolo-
gischen Unterschied von Mystik und Prophetie hinaus. Während
die Mystik den Sinn der gegenwärtig sichtbaren Welt verneint
und den alleinigen „Sinn des Lebens in der Unio mit dem
absoluten Weltgrund sieht", üben die prophetischen Religionen
wohl auch Kritik an der bestehenden Welt, stellen aber „den
Menschen mitten ins Leben hinein und erwecken in ihm
Kräfte der Weltgestaltung im Sinne ihres Gottes". Wenn bereits
in kurzer Zeit von dieser Untersuchung eine zweite Auflage
erscheinen konnte, so ist dies ein deutlicher Beweis für ihre
zeitgemäß-aktuelle Bedeutung als Beitrag zur „Religionswissenschaft
des Verstehens".

München-Grünwald R.F.Merkel

Frlck, Heinrich, Prof. d. Dr.: Deutschland innerhalb der religiösen

Weltlage. 2., veränd. Aufl. Berlin: Alfred Töpelniann 1941. VIII, 27G S.,
10 Kt. im Text. gr. 8°. Geb. DM 6.—.

Das vorliegende Werk war einem aktuellen Thema der
Religionspolitik gewidmet. Die erste Auflage erschien 1936,
die zweite, welche an den Grundpositionen nichts änderte, erschien
fünf Jahre danach. Wenn man über ein ausgesprochen

ihrer Entwicklung eine Art Weltanschauung auf baut, so sind
innerhalb der Religionsgeschichte vier Grundformen zu unter-

scheiden- - Die Welt als dynamische Einheit": ein naiver | zeitpohtisclies Buch nach so geraumer Zeit und zumal nach
und unreflekt'iertcr Optimismus in der Frühzeit; „die Welt 1 einem Lmbruch solchen Ausmaßes referiert, so wird schon
als Dualität polarer Mächte", d. h. als Gegensatz von Geist I das Referat selbst die entscheidende Würdigung enthalten