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Ausgabe:

1950 Nr. 1

Spalte:

721-726

Autor/Hrsg.:

Meyer, Rudolf

Titel/Untertitel:

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften 1950

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721 Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 12 ?22

kaum etwas Gleichwertiges gegenübersteht: „Hat die katholische
Kirchenmusik wieder eine wichtige Stunde der Musik
versäumt, oder hat mau hier wieder aus einer gewissen Traditionsgebundenheit
eine ganze Generation totgeschwiegen?"
Symptomatisch für die liturgische Neubesinnung ist auch ein

Bericht über ein Pontifikalamt in Fulda, bei dem fih*r ,
Jungen und Männer das Ordinarium sängen während 32
Proprium von einer Schola vorgetragen wurde - Bischof n; f
betont in seiner Ansprache, dfes Choralamhat ilim Sefere
religtose Eindrucke vermittelt, als Beethovens Missa solemSs

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften

14. Zur Sprache von 'Ain Feschcha. Von Rudolf Meyer, Jena

Johannes Leipoldt zum 70. Geburtstage in Verehrung und Dankbarkeit gewidmet

Nach den zahlreichen vorläufigen Berichten und Unter
suchungen1 zu den Lederrollen von 'Ain Feschcha wird man
die nunmehr vorliegende Veröffentlichung der Jcsaja-Rolle
und des Habakuk-Kommentars, die sich im Besitz des syrischen
St.-Markus-Klosters in Jerusalem befinden2, besonders
dankbar begrüßen. Denn keine noch so gute und zuverlässige
Darstellung der handschriftlichen Eigenarten in inhaltlicher
und orthographischer Hinsicht kann den Eindruck ersetzen,
den eine Handschrift, wie die des Jesaja, als Ganzes vermittelt3.
Der Gesamteindruck aber, den die bisherigen Texte und Textproben
darbieten, stellt insbesondere auch die grammatische
Forschung, die ohnehin bereits durch die Funde von Ugarit4
und die Forschungsergebnisse P. Kahles entscheidende Impulse
erfahren hat", vor neue Probleme, die bisher — zumindest
nach der mir zugänglichen Literatur — nur teilweise behandelt
worden sind6.

Will man der Frage nach der Form des Hebräischen von
AF.7 nachgehen, so empfiehlt es sich grundsätzlich, zunächst
jede Handschrift für sich zu untersuchen. Im folgenden sei
daher die Jesaja-Handschrift in den Mittelpunkt der Betrachtimg
gestellt. Da der Rahmen eines kurzen Aufsatzes
nur die Behandlung einzelner Probleme gestattet, beschränken
wir uns auf einige Fragen des Lautwandels und der Druckverteilung
.

I.

Seitdem P. Kahle durch seine Untersuchungen zur vor-
masoretischen Grammatik den Blick auf die Elision und Wiederherstellung
von Kehllauten im Rahmen der hebräischen
Sprachgeschichte gelenkt hat8, kann man zur Bestimmung des
Sprachcharakters von AF. an der Frage des Verhaltens der
Laryngale nicht vorübergehen. Freilich stellen sich ihrer Beantwortung
dadurch Schwierigkeiten in den Weg, daß das
Konsonantengefüge — von den Vokalbuchstaben abgesehen —
in historischer, also nicht in phonetischer Schreibweise vorliegt
. Letztere allein aber könnte uns Auskunft über den Lautwert
der Laryngale geben. Gleichwohl erkennt man an einigen
Stelleu, daß in AF. ein Unterschied zwischen der traditionellen
Schreibweise und der tatsächlichen Aussprache bestanden
haben muß. Dies zeigt sich besonders dort, wo „Schreibfehler
", die sich aus dem Diktat erklären lassen, in der Handschrift
vorliegen. Einige Beispiele mögen dies erläutern.

In Jes. 14, 21 (AF.) steht wo MT. "isb?a bietet, das

tib. m&Wü vokalisiert ist. Die AF.-Form weist auf Elision
des zwischen zwei Vokalen hin, also *maWü > malü, so daß

') Vgl. die von Jahrg. 74 (1949) dieser Zeitschrift an laufend erscheinenden
Berichte; ferner O. Eißfeldt, Forschungen und Fortschritte 25 (1949),
196ff.; J. Hempel, Vorläufige Mitteilungen über die am Nordwestrande des
Toten Aleeres gefundenen hebräischen Handschriften (Nachrichten der Akademie
der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-Hist. Kl. 11949], 411—438).

2) M. Burrows, The Dead Sea Scrolls of St. Mark's Monastery I (New
Häven 1950).

3) Zur Veröffentlichung der Jesaja-Variantcn vgl. M. Burrows, Bulletin
of American Schoois of Oriental Research 111 (1948), 16ff.; 113(1949), 24 ff.

4) Zur Sprache von Ugarit vgl. C. H. Gordon, Ugaritic Handbook2 (Rom
1947).

5) P. Kahle, The Cairo Geniza (London 1947), 1—116; ferner R. Meyer,
Probleme der hebräischen Grammatik (ZAW. 62).

') Da mir insbesondere die von J. Hempel, Vorläufige Mitteilungen,
425 Anm.46, erwähnte Auswertung der Jesaja-Varianten durch M. Burrows,
Journal of Biblical Literature LXVIII, 195ff., nicht zugänglich ist, sei von
vornherein auf jeden Prioritätsanspruch für die im folgenden aufgestellten
Thesen verzichtet.

7) Abkürzungen: AF. = 'Ain Feschcha; K.-= Kontext-; MT.= maso-
retischer Text nach Biblia Hebraica3; P.-= Pausal-; Sek. = Sekunda des
Origenes; — aram[äisch]; babylonisch); kan[aanäisch]; palästinisch); sam[ari-
tanisch); tib[erischj.

die 3. Pers. PI. c. Perf. der Aussprache nach mit der entsprechenden
Form der Stämme III -p zusammenfällt, ebenso
wie dies bei der 3. Pers. Sg. M. der Fall ist. Die gleiche Form
begegnet noch heute in MT. Ez. 28, 16 = tib. mälü1, außerdem
h.it sie eine Entsprechung in der Sek.-Form xegov, wogegen
tib. qärc'u (Ps. 49, 12)2. Da im Aramäischen die Tendenz
dahin geht, die Verba III 54 analog zu den Stämmen III -p
zu bilden, so liegt die Annahme nahe, daß die Elision von
innervokalischem ^ auf aram. Einfluß zurückzuführen ist. Das
Samaritanische kennt diese Elision nicht, hat also wohl, wie
in anderen Fällen auch, die ältere kan. Form bewahrt3, während
anscheinend die tib. Form mdfe'w, gebildet analog zu
qatflü, auf der Kehllautrestitution der Masoreten beruht.

Silbenschließendes ^ ist schon altkan., allerdings nicht
überall gleichmäßig, gefährdet4, über die aus der niasoreti-
schen Uberlieferung bekannten Kontraktionsformen hinaus
findet sich in Jes. 1, 18 die Form TJ3T1- MT. bietet hierfür das
Hapaxlegomenon T)3">TS,> = tib. ia'dimü „sie werden rot". Während
in MT. ein Hitil vorliegt, weist AF. auf die Aussprache
%ad6mü hin. Diese Form aber kann nur auf ein älteres *ia'dömü
zurückgehen und stellt dann einen Ingressiv zu dem neutri-
schen Grundstainm *'adom < *'uduma „rot sein" dar5. Auch
hier liegt die Annahme nahe, daß, abgesehen vom Unterschied
im Stamm, die tib. Form als Ergebnis masoretischer Laryngal-
restitution anzusehen ist.

Ebenso kann jj am Silbenschluß elidiert werden. Gleich
zu Beginn der Handschrift, Jes. 1, 1, ist in^yC m "irrm^
verschrieben, und der Schreibfehler, der in Wirklichkeit die
geläufige Aussprache des Namens Ie£uj.ahu ohne den Kehllaut
wiedergibt6, ist durch nachträgliche Korrektur ausgeglichen.
Ein besonders anschauliches Beispiel liegt Jes. 5, 4 vor.
Während MT. T2jn = tib. uuüä'as „und er machte" als Kurz-
imperfekt nach Waw consecutivum bietet, lautet AF. n'ü'H =
uaid'se<*uaiä'se. Der hier vorliegende Schreibfehler7 weist auf
die gleiche Laryngalelisiou am Silbenschluß hin, wie sie im Sa-
maritanischen8, m der Sek.9 , in der pal. Punktation10 und der
babyl. Überlieferung!! vorliegt, sich also über einen ganz beträchtlichen
Zeitraum hinweg verfolgen läßt. Daneben zeigt
sich, worauf hier nur beiläufig verwiesen sei, daß AF. offenbar
die Schematisierung in bezug auf das sogenannte Imperfektum
consecutivum noch nicht kennt, sondern neben dem
Kurzhnperfektum auch den alten Indikativ der Präformativ-
konjugation als Modus der Erzählung gebraucht, wie dies für
das Altkauaanäische aus den ugaritischeti Texten hervorgeht12.

Daß auch n cul schwacher Konsonant zu sein scheint,
ergibt sich aus der offensichtlich fehlerhaften Variante in
Jes. 5, 24 (AF.) nST ramb OST zu dem ebenfalls schwie-

') Anders Bauer-Leander, Historische Grammatik I (1922), §54f. g.
!) E. Br0nno, Studien über hebräische Morphologie und Vokalismus
(1943), 22.

3) Vgl. F. Diening, Das Hebräische bei den Samaritanern. (1938), 22:
mald'ü; andererseits darf nicht übersehen werden, da!3 das Samaritanische bei
N eine Fülle teilweise abnorm restituierter Formen aufweist.

*) Vgl. Beer-Meyer, Hebräische Grammatik 1 (Göschen 1951), § 22, 3a.

') Vgl. hierzu Thren. 4, 7 ^"IN „sie sind rot" (Hapaxlegomenon).

') Daher llaafas In Septuaginta.

') Vgl. M. Burrows, Bulletin 113, 25.

8) F. Diening, Das Hebräische bei den Samaritanern, 36.

•) E. BrOnno, Studien, 25.

10) P. Kahle, The Cairo Geniza, 92.

n) P. Kahle, Der masoretische Text des Alten Testaments nach der
Überlieferung der babyl. Juden (1902), 30f.; z.B. TZ'J^ = babyl. iämod;
dagegen tib. = "ftiV. Vgl. hierzu auch Bauer-Leander I, § 20e, doch ist die
hier gegebene „historische Erklärung" sicher falsch.

*) Vgl. The Cairo Ocnlza, Rfiff. ") C. H. Gordon, Ugaritic Handbook2, §

13, 31.