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Ausgabe:

1950 Nr. 11

Spalte:

682-683

Kategorie:

Kirchenfragen der Gegenwart

Autor/Hrsg.:

Haug, Theodor

Titel/Untertitel:

Die Wirklichkeit des Heiligen Geistes heute! 1950

Rezensent:

Hupfeld, Renatus

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 11

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abgestimmt werden ? Hermelinks Schrift ist ein abgewogenes
Urteil über die Lage, ebenso kritisch wie wohlwollend, dazu
reformatorisch ohne Abstrich.

Drei Anliegen klärt Hermelinks Schrift dem Betrachter
der konfessionellen Lage: i. Aus welchen Gründen kam jene
■Behauptung auf? 2. Was ist tatsächlich neu geworden?
3- Welches Ziel wird sichtbar ?

1. Hermelink kann darauf hinweisen, daß auf katholischer
Seite die von Denifle und Grisar eingeschlagene Richtung
anderen Richtungen Platz gemacht hat, die nicht eindeutig
sind, aber in dem Namen Lortz etwas wie eine Uberschrift
haben. Auf evangelischer Seite sieht er die Stimmung, die man
einst die „Evangelische Bundes-Stimmung" und den „jesuitischen
Kampfkomplex" nannte, einer neuen Stimmung weichen
, welche auch ihrerseits viele Stufen einschließt, vom
•.Gefragtsein" durch den Katholizismus bis zur Nachahmung.
Katholischerseits bringt man nicht selten vor, der Protestantismus
von heute habe durch die Theologie Karl Barths ein neues
Gesicht bekommen, das den Katholiken vertrauter erscheine
als das vorbarthische. Hermelink unterläßt aber nicht die
Frage (S. 48), wieweit es „nur die Ausnützung der autoritären
Zeitkonjunktur" sei, „wenn bestimmte Kreise in ihr (= in der
katholischen Kirche) nicht das Gespräch mit dem Protestantismus
als solchem, sondern nur mit einem bestimmten, als
reaktionär genug erscheinenden Teil des Protestantismus führen
Wollen". Denn Hermelink ist überall der festen Meinung, daß
der Protestantismus sich nicht mit der gegenwärtigen theologischen
Situation begnügen dürfe, sondern sich mit seiner
ganzen bisherigen Theologie, die historisch-kritische eingeschlossen
, ins Benehmen zu setzen habe — und so vor den
Katholizismus trete. Auch die von manchen evangelischen
Theologen (und Nichttheologen) gerühmte Annäherung des
Katholizismus an die Wege, die die Reformation ging, greift
Hermelink mit Vorsicht auf. Es handelt sich um folgendes:
Die liturgische Erneuerungsbewegung im Katholizismus geht
von der Idee des Corpus Christi mysticum aus; so muß sie nach
dem „Ort" der nichtkatholischen Christenheit fragen. Sie trifft
auf die Frage der Verdeutschung der missa lecta (nur darum
kann es sich nämlich handeln; vgl. J. A. Jungmann, Missarum
Sollemnia I2 1949, S. 205—213) und kann dabei nicht an
Luther und der Reformation vorbei. Sie bringt die aktive Mitwirkung
der Gemeinde am Meßopfer als ihre Forderung vor
und hat schon bestimmte Lösungen versucht. Sie greift im Ritus
und in der Altarfrage auf Archaisches zurück. Zur liturgischen
Bewegung im Katholizismus kommt der Laienapostolat als
katholische Betonung des „allgemeinen Priestertums". Den
Gipfel bedeutet die katholische Bibelbewegung, die den Katholiken
der „Eigenmächtigkeit des tragenden Gotteswortes
der Hl. Schrift" ausliefert (S. 14). Seit Merkle, Kiefl, Rade-
niacher, Hessen, Jos. Lortz wird Luthers Gestalt je länger je
mehr neu beleuchtet als die eines homo religiosus, eines Beters,
ja als der „Urform schöpferischer Eigenart und Kraft" (Lortz).
Adolf Herte hat In einem großen Werke „Das katholische
Lutherbild von Cochlaeus bis zur Gegenwart" (1943) die
Hindernisse der Vergangenheit weggeräumt, so daß eine neue
Sicht Luthers für die Katholiken Pflicht wird. Es fehlen indes
nicht die recht energischen „Aber"! Zur katholischen liturgischen
Erneuerungsbewegung hat Papst Pius XII. kritische
Enzykliken erlassen zugunsten der populären Frömmigkeitsübung
, auch bei der Messe. Den „Laienapostolat" verwies
schon Pius XI. auf das Amt der Welt gegenüber, das Gottesdienstamt
bleibt dem Klerus. Die neue Sicht Luthers bei
einigen Gelehrten endigt allzu deutlich in dem Verlangen, der
katholischer gesehene Luther solle der Missionar für die Rückkehr
der Protestanten nach Rom werden. Man kann das den
Katholiken durchaus nicht verargen, aber Annäherung Roms
an den Protestantismus ist es nicht. Bleibt die katholische
Bibelbewegung. Pius XII. hat dazu in seiner Enzyklika In-
spiratione Spiritus Sancti (1943) Weisungen gegeben, die den
Forscher wie den frommen Bibelleser stützen und ermutigen.
Hier, „in der Auseinandersetzung zwischen den Konfessionen,
muß auf dem Gebiete der Bibel Wissenschaft und der Bibelanwendung
für das religiöse Leben der Gemeinde die Entscheidungsschlacht
geschlagen werden", urteilt Hermelüik
(S. 16). Einverstauden. Aber (und damit werden die Katholiken
einverstanden sein) das katholische Dogma hat sich
immer als eine ungebrochene Macht in der Benützung der
Bibel erwiesen — so wird die Bibel bei den Katholiken katholisch
bleiben, wie bei den Protestanten protestantisch! Nicht
im Sinne „Hic liber est, in quo etc." (S. Werenfels), sondern
im Sinne gerade des testimonium Spiritus Sancti internum.
Darum lobt Hermelüik mit Recht (S. 24L) „die nüchterne und
wohlmeinende Art" Pribillas. Fassen wir zusammen: Die Behauptung
vom neuen Stadium ist nicht aus der Luft gegriffen,
aber recht problematisch.

2. Was ist tatsächlich neu geworden? Hermelinks Antwort
läßt sich dahin präzisieren: „Es herrscht zwischen den Konfessionen
eine größere gegenseitige Lernbereitschaft". Doch
muß die Angabe „zwischen den Konfessionen" auf einzelne
Männer und Frauen eingeschränkt werden, auf bestimmte Zirkel
, Tagungen, Zeitschriften und Bücher; auch „Kirchenführer"
und andere „Prominente" sind hier Einzelne — denn die Gemeinden
hüben wie drüben tun nicht mit. So ist das ökumenische
Gespräch in Gang gekommen, aber die katholischen
Gemeinden sind katholischer als je, die evangelischen Gemeinden
evangelischer als je, nämlich der Absieht nach. Will
man die Gemeinden (und auf sie kommt es an) in die ökumenische
Lernbereitschaft hinemziehen, so wird es sich vorerst
um Reinigung der alten Polemik handeln, sofort aber auch um
Herausstellung der unaufgebbaren Positionen. Das ist nun
die Hauptbedeutung der Schrift Hermelinks, daß sie der evangelischen
Gemeinde evangelisch-protestantische Anweisung
gibt: „So sollt ihr mit den Katholiken reden!" („Ökumenisch
reden"!) Damit der unaufgebbare evangelische Protest erschalle
und doch die Lernbereitschaft wachse. Damit die
„ökumenische" Ader des NT entdeckt werde. Damit die Reformation
, Luther, die neue Gottes- und Christusauffassung
vor die Katholiken ebenso trete wie vor die Protestanten der
Thesaurus Ecclesiae Romanae.

3. Das Nahziel der ganzen Arbeit sieht Hemielmk so:
Es kann sich nicht um „eine möglichst schnelle Herbeiführung
einer genieinsamen Organisation Uua Sancta" handeln, sondern
um „gemeinsame Bibelarbeit, brüderliches Sichstelleu
unter das Wort Gottes, ergänzt durch Aussprachen und Vorträge
über den Unterschied der Konfessionen und über die
Geschichte der Frömmigkeit in deren gegenseitigen Bereichen".
Finden gemeinsame Gottesdienste statt, dann ja keine gewagten
Mischformen, warnt Hernielink. „Die Una Sancta ist
kein Nahziel, das .unter den Zeichen der Zeit' uns aufgedrängt
wird; sondern es geht um ein Fernziel des Glaubens." (Das
entspricht den Prinzipien von Pribilla auf katholischer Seite,
vgl. S. 24.)

Vielleicht darf man die Ökumenische Bewegung (wo sie echt ist — und
nicht reine Kirchenpolitik) als das Hervorbrechen des Hl. Geistes (psychologisch
: des ursprünglichen Christusgefühls) aus dem Offiziellen beschreiben.
Das Offizielle ist hüben wie drüben bestgemeinter Schutz des Echten, aber
thetisch wie polemisch — Tradition. Nun brach durch die „Tradition" das
Erstaunen durch: „Hüben wie drüben gibt es tatsächlich Christusleute!"
Beiderseits ist man aber nicht gewillt, das Offizielle abzutun; man wartet nur
zu, wieviel Erlebtes sich im Offiziellen zeigen wird — und nimmt in diesen
ökumenischen Kreisen den Maßstab „echtes Christustum der Tat und Wahrheit
in den Genieinden". Es ist also weder eine Revolution noch eine Reformation
, sondern eine Neuorientierung der aus einer Art Narkose (durch die
Tradition) Erwachenden. Und dieses Erwachen samt der Neuorientierung
dürfte man allerdings allen Kirchen, Freikirchen, christlichen Gefolgschaften
wie den Einzelnen zumuten. Wobei das Resultat der Neuorientierung noch
keineswegs feststeht, sondern vorsichtig erarbeitet werden muß. Und hier ist
die Stelle, wo die „Lernbereitschaft" Hermelinks eintritt. Das vorhergehende
„Erwachen" aber ist die in der Praxis (z. B. des Kirchenkampfes) spontan
erfolgende „Tuchfühlung" der Christuskämpfer hier und dort — und zwar
je individueller, desto kräftiger (Massenbewegungen tendieren alsbald wieder
zum Offiziellen, also zu einer neuen „Tradition"). Demnach ruht die Bewegung
zur Una Sancta wirklich, wie Hermelink es zeichnet, auf den Gliedern
der Einzelgemeinde, „in der das Wort Christi mich erreicht, das mich im
Oeiste Christi mit allen Christusgläubigen in aller Welt verbindet" (S. 57).
In seinem in der Schweiz erschienenen Buch „Die katholische Kirche unter den
Piuspäpsten des 20. Jahrhunderts" (1949) scheint Hermelink in dieser Hinsicht
für die katholische Seite alles „von einer Laienrevolution" zu erwarten
(nach Karl Thiemes Bericht in den „Basler Nachrichten" vom 13./14. Mai
1950, Nr. 201). „Revolution" mochte ich nicht sagen, aber: „Durchbruch des
Christusgeistes aus dem Offiziellen, gerade bei den „Laien" hüben wie drüben,
wobei das Resultat, sicuti Visum est Deo, abzuwarten ist".

Bad Liebenzell Leonhard Fendt

Haug, Theodor: Die Wirklichkeit des Heiligen Geistes — heute! Stuttgart
: Vita nuova-Verlag 1947. 127 S. 8°. DM3.—.

Das Buch verfolgt einen doppelten Zweck. Es will einmal
ein Weckruf an die Kirche und auch an ihre Theologie sein,
sich vor allen einseitigen Entwicklungen zu hüten, wie sie
durch die ausgesprochenen antisubjektivistische Haltung der
dialektischen Theologie und der Kreise in der Bekennenden
Kirche, die von ihr abhängig sind, nahegelegt sind. Es will
dabei zweitens auch die Erfahrungen der Gruppenbewegung
und der moralischen Aufrüstung für die kirchliche Praxis auswerten
bzw. um ihren Einfluß zu verstärken, ein besseres Verständnis
dieser Bewegungen vermitteln. Verf. weiß sich zu