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Ausgabe:

1950 Nr. 11

Spalte:

665-667

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Menoud, Philippe H.

Titel/Untertitel:

Le sort des tréspassés d'après le Nouveau Testament 1950

Rezensent:

Stählin, Gustav

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 11

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NEUES TESTAMENT

Vogels, Henr. Jos.: Novum Testamentum Graece et Latlne. Textum
graecum recensuit, apparatum criticum ex editionibus et codieibus manu-
scriptis collectuni addldit, textum latimim ex Vulgata versione Sixti V Pont.
Max. iussu recognita et Clementis VIII auetoritate edita repetiit. Pars
altera: fcpistulae et ApOCalypsiS. Editio tertla. Freiburg: Herder 1950.
IX, S. 481—795. Lw. DM7.—.

Dem ersten Teil (besprochen in ThLZ 1950, 3, Sp. 157)
Jst rasch der zweite gefolgt, in derselben sauberen Ausstattung
u»d in derselben Anlage. Im Text finde ich bei flüchtiger Ver-
gleichung für Rom. 1—8 folgende Abweichungen von der
Stuttgarter Ausgabe: 1,1 h/a. X?. 2, 9 anud-.] + fitv. 2, 16 tj
1." ] tjfi. ore 3, 2 ynp ohne Klammer. 3, 12 om. o. 3, 22 /i/oov
ohne Kl. 4, 8 ov]a>. 4, ii ).oy.] + neu; n;v ohne Kl. 4, 19

°™tta] + r)Srj. 4, 22 xai ohne Kl. 5, I exoipev. 5, 2 T17 motu ohne

Kl., ebenso 5, 11 Xpiarov u. 5, 15 xai i°. 6, 3 Iiiaow in Klammern
. 6, II J>/oov] + [rm xvqud r,uoiv]. 7, 6 ijftas ohne Kl. 7, 17
»txovoa. 7, 25 xae"] + 9$ 8, 11 rov und Iijoow in Kl. 8, 23
n.utu ohne Kl. Ahnlich im übrigen Text. Im Apparat ist P«
verwendet, dagegen sonst keüie Papyri, auch nicht P" für
Offenbarung; doch sollte mit ? oder vid angegeben sein, wo
seine Lesart nur aus der Länge einer Lücke erschlossen ist;
so gleich Rom. 6, 6; Rom. 15733 fehlt die Angabe, daß P*
hier 16, 25—27 einfügt. Die Minuskeln wären besser mit den
Ziffern von Gregory zu geben, statt nach Tischeudorf. Im
übrigen bietet der Apparat wieder manche Lesarten, die
Stuttgart nicht hat, besonders aus der lateinischen Uber-
Lieferung, aber auch Besonderheiten der ersten Hand des
Sinaiticus oder Lesarten der späteren Handschriften. Umgekehrt
bietet Stuttgart eine (etwas größere) Anzahl von
Lesarten, die Vogels nicht hat. Daraus ergibt sich, daß die
Arbeit von Vogels durchaus selbständig ist und beide Ausgaben
einander wohl ergänzen können..

Im Text läßt Rom. 8, 34 der Druckfehler xaraxQii vjv
Olfen, ob praes. oder fut. gemeint ist; Hebr. 12, 7 sollte es wohl
heißen ydQ lonv vUs Im Apparat sind an einigen Stellen
Angaben aus Tischendorf übernommen ohne Beachtung der
Addenda et Corrigenda von Gregory in Band III: so Eph.
>< 16. Jak. 1, 9 (B om nur o); 2, 15. 1. Petr. 1, 16 (S10, nicht
?T0 ■ Statt vg, was den Text von Wordsworth-White bedeutet,
ist vgcl ZH setzen: Rom. 4, 19. 23 (+«e &*•)■ Jak. 5, 12.
f. Petr. 3, n; 5. 14. I. Joh. 5, 21.

Ulm a.D. Erwin Nestle

Menoud, Philippe H., Prof.: Le SOrt des frcpasscs d'apres le Nouveau
Testament. Neuchätel/Paris: Delacliaux 4 Niestie [1945) 52 S. gr.8° =
Cahiers theologiques de l'actualite protestante Nr.9. Schw. Fr. 2.—.

I.

Die Schrift des Neutcstamentlers an der Universität
Neuenburg ist zum Teil als eine innerschweizerische Streitschrift
gegen einen sich dort noch immer zähe haltenden oberflächlichen
Liberalismus zu verstehen, hat aber darüber hinaus
als Untersuchung einer Eiuzelfrage aus dem durch die Ver-
tnengung des Evangeliums mit dem griechischen Denken entstandenen
Problemkreis weitere Bedeutung. Denn wie es auch
in der neueren deutschen Theologie mehrfach geschah (vgl.
W. Künneth u. a.), arbeitet M. mit besonderer Schärfe den
Unterschied von Unsterblichkeit und Auferstehung heraus
gegenüber der landläufigen Vermischung dieser beiden Anschauungen
, trennt die neutestamentliche Auferstehungshoff-
nung aber ebenso scharf von den analogen jüdischen Vorstellungen
.

Das geschieht in drei Kapiteln über 1. Die griechische
Idee der Unsterblichkeit der Seele, 2. Die jüdische Hoffnung
auf eine Auferstehung des Fleisches, 3. Den christlichen Glauben
an die Auferstehung des ganzen Menschen (de la personne).

Eine eigentliche griechische Eschatologie entsteht erst im Hellenismus
durch eine Verbindung der platonischen Philosophie mit der mystischen Theo-
'ogie der Orphiker; aber die Unsterblichkeitsidee bleibt eine philosophische
Reflexion und Theorie, die keine Gewißheit und keinen Trost verlieh und
darum kaum auf den Volksglauben einwirkte, wie es ihre geringen Spuren in
den Grabinschriften bezeugen.

Während jedoch den Griechen mit ihrer Schau des leiblichen Lebens
als Gefängnis und Grab der Seele der Gedanke erschwinglich war: die Lieb-
ünge der Gotter sterben früh, sagt das Alte Testament: die Lieblinge Gottes
leben lang. Denn alle Hoffnung des Alten Testaments, auch der Propheten,
richtet sich auf dieses Leben. Weil der Mensch nach biblischer Anschauung
eine untrennbare Einheit von Leib und Leben ist, bedeutet der Tod ein totales
Ende seiner Existenz. Leib und Leben finden ihr Ende da, wo sie ihren Anfang
nehmen: der Leib im Staube, das Leben in Gottes Leben. Was bleibt, ist ein

Schatten ohne Form und Konsistenz, ohne jede Verbindung mit Gott, obwohl
auch die Scheol unter Gottes Herrschaft steht.

Die einzige Stelle im Bereich des Alten Testaments, in der die Hoffnung
deutlich über dieses Leben hinaus auf eine Auferstehung geht, findet M. in
Dan. 12, 2. Aber auch im Judentum wird die Erwartung der Auferstehung
kein bindender Glaubenssatz, ja, sie wurde bei vielen diskreditiert durch die
Armut der Vorstellung und die intellektualistische Leere der rabbinischen
Spekulation über dieses Thema, von deren Niveau die Sadduzäerfrage ein bezeichnendes
Bild gibt. Nur vereinzelt und spät — z B. b Ber 17a aus dem
3. Jahrhundert — erhebt sich die jüdische Erwartung zu neutestamentlicher

Höhe und ist dann obendrein sehr wahrscheinlich von dorther beeinflußt._

Die hellenistischen Juden suchen eine Synthese der jüdischen mit der griechischen
Hoffnung; aber wenngleich Josephus (bell 3,374) einmal die Hoffnung
auf „erneuerte Leiber" beim Wechsel der Äonen ausspricht, so fehlt doch auch
hier wie bei Philo die Erwartung einer wirklichen Auferstehung.

Total anders als alle vorneutestamentlichen Vorstellungen ist die neu-
testamentliche Auferstehungshoffnung, einzigartig erstens durch ihre Verbindung
mit der Geschichte, der schon geschehenen Auferstehung Christi, zweitens
durch ihre total andere Art — die des neuen Aons. Fundamental auch für diese
Stücke der eschatologischen Verkündigung ist also das Osterzeugnis. Seine
Glaubwürdigkeit ruht 1. auf der der Zeugen, 2. auf der Wirkung des Geistes
in der Kirche; denn die Erneuerung der Christen durch den Geist ist schon
die erste Stufe der „Auferstehung", welche die zweite, die eschatologische Auferstehung
, garantiert.

Es folgt eine Diskussion der theologischen Terminologie. Schon früh wurden
teils als Folge der johanneischen Ausdrucksweise, teils wegen der notwendigen
antihäretischen Polemik allzu realistische, ja materialistische Ausdrücke
für die Auferstehung gebraucht; sogar in den Berichten der Evangelien
von der Auferstehung Christi findet M. diese Tendenz der Vergröberung. Am
besten, meint er, ist es, von einer Auferstehung der Person, d. h. des ganzen
Menschen, nicht: der Persönlichkeit), zu sprechen. Diese Auferstehungserwartung
hat mit der jüdischen nur den Namen gemein; freilich ergibt sich
daraus die Möglichkeit der Verwechslung, die in dem Gespräch zwischen Jesus
und Martha Joh. II, 24f. dargestellt ist.

In einem besonderen Abschnitt verfolgt M. jene andere neutestamentliche
Linie, die von der Verheißung der Auferstehung zu divergieren scheint.
Sowohl Paulus als auch Johannes reden von einem Bei-Christo-Sein nach dem
Tode. Wenn damit nicht die eschatologische Auferstehung gemeint ist, wie
können dann die beiden Aussagereihen von 1. Kor. 15 und Phil. 3, 21 einerseits
, 2. Kor. 5 und Phil. 1,23 anderseits zueinander in Beziehung gesetzt
werden ? Offenbar ergeben sich für Paulus —■ und ähnlich für Johannes — drei
Stadien des Christcnlebens: 1. schon in diesem Leben: ein Anfang der Neuschöpfung
durch den Geist, 2. durch den Tod: eine engere Verbindung mit
Christus als zuvor, 3. in der Endauferstehung: die Vollendung des ganzen
Menschen und seiner Christusgemeinschaft.

Ist dann aber die zweite Stufe nicht ein Leben ohne Körper analog
der postumen Existenz der unsterblichen Seele bei den Griechen? Nein: denn
es geht nicht um ein Weiterleben dank dem Unsterblichkeitscharaktcr der
Seele, sondern dank der Gemeinschaft mit dem Erlöser. Ebenso wie das Leben
Jesu vom Karfreitag bis zum Ostersonntag bewahrt wurde, so wird auch das
Leben der Seinen vom Tode bis zum Jüngsten Tage bewahrt.

Dieselbe Vorstellung wie bei Paulus findet M. bei Johannes und bei
Lukas, wo 23, 43 der Ton auf dem „mit mir" liegt. Aber das Neue Testament
beschreibt jenen zweiten Zustand nicht, außer In Gleichnisbildern, deren wichtigstes
das Schlafen ist; dieses, ein uraltes Bild für den Tod, ist im Neuen
Testament doch neu gefaßt als der Zustand, der auf ein Aufwachen zielt, sofern
es in Christo geschieht.

Für die Ungläubigen aber betont M. zwar, daß die Auferstehung zum
Gericht das gerade Gegenteil der eigentlichen Auferstehung sei und daß „auf
der historischen Ebene" die Verdammung der Ungläubigen gelte, daß aber
„auf der eschatologischen" der göttliche Wille sich durchsetze, der auf Rettung
der ganzen gefallenen Schöpfung hinzielt; so wie die göttliche Lebenswirkung
an den Gläubigen über dieses Leben hinausreicht, so bleibt doch auch für die
zum Tod Verurteilten eine Möglichkeit zum ewigen Leben. Verdammung ist
kein Artikel des christlichen Glaubens.

Zusammenfassend stellt M. fest: 1. Alles Leben nach dem
Tod ist eine Tat Gottes. 2. Sein Ziel ist eine völlige Neuschöpfung
des Menschen und des Alls durch die Befreiung von
der Sünde. 3. Die christliche Botschaft von Leben und Auferstehung
mit Christus kann nicht zurückgeführt werden auf
irgendeine Hoffnung fremden Ursprungs; hier ist absolute
Originalität.

II.

Die Schrift M.s bietet im ganzen eine* wohlausgewogene
Darstellung der neutestamentlichen Aussagen über dasThema
,,Le sort des tröpasses" im Unterschied von den abweichenden
Gedanken und Hoffnungen in den beiden Hemisphären der
neutestamentlichen Umwelt. Der aktuellen Abzweckung der
ganzen Reihe und dieses Heftes im besonderen entsprechend,
stellen sieh die Ausführungen weithin als in erster Linie an
Laien gerichtet dar, etwa die über Mark. 8, 35 ff. (S. 19; dieselben
Gedanken finden sich z. B. in feinerer Profiiierung
schon bei Crenier-Kögel 1138ff.). Damit mag es im Zusammen-