Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1950 Nr. 1

Spalte:

47

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Niebuhr, Helmut Richard

Titel/Untertitel:

Der Gedanke des Gottesreichs im amerikanischen Christentum 1950

Rezensent:

Schrey, Heinz-Horst

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

47

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 1

48

Gerke, Friedrich: Christus in der spätantiken Plastik. 3. Aufl. Mainz:

Kupferberg 1948. 102 S., 100 Taf. 4°. HIw. DM20.—.

Das nunmehr in dritter Auflage erschienene Buch ist ein
wortgetreuer Abdruck der ersten vom Jahr 1940. Neuere Literatur
ist nicht nachgetragen, das Kunstdruckpapier zeitbedingt
mäßig, so daß manche Abbildungen undeutlich oder zu
schwarz geraten sind. Die kunstgeschichtliche Gruppierung
und zeitliche Ansetzung der Denkmäler ist wertvoll, wenngleich
sie aus den Abbildungen, die ja meist nur Köpfe wiedergeben
, nicht unmittelbar anschaulich wird. Bezüglich der im
Großen verfehlten geistesgeschichtlichen Ausdeutung kann
ich auf meine Kritik in den Göttinger Gelehrten Anzeigen 202,
1940, 353—356 verweisen.

Göttingen A.M.Schneider

KIRCHENKUNDE

Niebuhr, H. Richard: Der Gedanke des Gottesreichs im amerikanischen
Christentum. Deutsche Ausgabe von „The Kingdom of God in
America", übersetzt von R. M. Honig. New York: Church World Service
[1948] 154 S. gr. 8°.

Dieses Buch des Sozialethikers an der Yale Divinity
School, des Bruders des in Deutschland bekannteren Reinhold
Niebuhr, ist eine ausgezeichnete theologische Durchdringung
der amerikanischen Kirchengeschichte. Sie ist so besser als
irgendein uns bekanntes Werk geeignet, den deutschen Leser
in die Geisteshaltung und das geschichtliche Selbstverständnis
des amerikanischen Christentums einzuführen. Der schmale
Band fußt auf den Vorarbeiten, die Niebuhr in seinem Buch
The social sources of denominationalism dargestellt hat. Es
ist Niebuhr in dem vorliegenden Buch gelungen, ein gemeinsames
Leitmotiv in der Vielfalt der Erscheinungsformen des
amerikanischen Protestantismus zu entdecken: das Motiv des
Reiches Gottes, das in den verschiedenen Phasen der amerikanischen
Kirchengeschichte verschieden variiert wird. In der
Periode des Puritanismus verstand man darunter insbesondere
die Souveränität Gottes, die Große Erweckung und die pietistisch
bestimmten Erneuerungsbewegungen verstehen es als
Herrschaft Christi, zunächst als Herrschaft über die Herzen,
dann aber auch als soziale Idee, schließlich wandelt es sich zum
Reich Gottes auf Erden, verweltlicht und verdinglicht sich.
Niebuhr glaubt nicht, daß in einer dieser Phasen das Ganze
des christlichen Glaubens echt entfaltet war, sein Geschichtsdenken
ist — im Gegensatz zu dem mancher kontinentaler
Theologen — weder devolutionistisch in dem Sinne, daß mit
der Errichtung religiöser Gemeinschaften in der Zeit nach der
Reformation ein Höhepunkt gegeben war, dem in der Folgezeit
nur ein Abstieg folgte, noch auch evolutionistisch, als sei
in der Gegenwart eine reinere, höhere Form christlicher Gemeinschaft
erreicht, wie es dem amerikanischen Liberalismus
naheliegt, sondern es ist dynamisch-dialektisch in dem Sinne,
daß die einzelnen kirchlichen Gestaltungen des Protestantismus
in Amerika nur Ruhepunkte zwischen Entwicklungsphasen
sind, die, als einzelne genommen, nie die ganze Fülle
des christlichen Glaubens ausdrücken. Lag die Schwäche des
Puritanertums darin, daß es im Glauben an die Souveränität
Gottes allein schon eine gesicherte Lebensgrundlage und eine
Basis für einen konstruktiven Protestantismus sah, so erwies
sich der Gesichtskreis der Erweckungsprediger als zu eng, aber
auch die soziale Botschaft (social gospel) war darum eine Verflachung
, weil sie die Voraussetzungen unbeachtet ließ, auf
denen sie ruhte. Das Reich Gottes ist weder nur transzendente
Herrschaft Gottes, noch Herrschaft Christi in den Herzen
, noch auch sozialer Fortschrittsglaube, aber doch kann
auch keines dieser Momente aus dem Ganzen des Glaubens genommen
werden, weil das Gottesreich eine transzendente und
immanente Größe ist, die den Menschen in Richtung auf den
Menschen und auf Gott hin in Bewegung setzt. Diese theologische
Wertung der amerikanischen Kirchengeschichte ist
aber nicht nur für die amerikanische Situation gültig, sondern
darüber hinaus ein wichtiger Beitrag zu einer ökumenischen
Theologie, die jede geschichtliche und konfessionelle Sonderart
in ihrem Recht, aber auch ihrer Grenze versteht und im
Glauben an die Einheit der einen Kirche Jesu Christi zu überwinden
bestrebt ist.

Tübingen H. H. Schrey

Biedermann, Hermenegild M., O. E. S. A.: Der eschatologische Zug in

der ostkirchlichen Frömmigkeit. Würzburg: Augustinus-Verlag 1949.
26 S. 8° = Das östliche Christentum. Abhandlungen, i. A. d. „Arbeits-
Gemeinschaft d. deutschen Augustinerordensprovinz z. Studium d. Ostkirche
" hrsg. v. Prof. DDr. Georg Wunderle. N. F. H.8. Kart. DM1.50.
Die vorliegende Studie stellt den Text einer Probevorlesung
dar, die der Verf. am 15. September 1948 an der Theologischen
Fakultät der Universität Würzburg zur Erlangung
der Venia legendi für das Fach der Kunde des christlichen
Ostens hielt. Damit dürfte dieser kleinen Arbeit eine nicht unerhebliche
Bedeutung zugemessen werden. Zeigt sie doch,
welche Probleme die katholische Ostkirchenforschung heute
sieht und im einzelnen zu entwickeln und darzustellen bereit
ist.

In sehr anregender Weise versteht es der Verf., mehr oder weniger bekannte
Zeugnisse ostkirchlicher Frömmigkeit auch unter Hinzuziehung vor
allem der russischen Literatur dem Generalthema der Eschatologie unterzuordnen
. Er nimmt dabei einen klaren theologischen Ausgangspunkt der ostkirchlichen
Eschatologie an: das Problem des Todes. Dabei werden keine Ausflüge
ins Religionsgeschichtliche gewagt (etwa Eschatologie der persischen
Religion). Das mag zunächst als Mangel erscheinen, erweist sich aber nach
Beendigung der Lektüre als ein Positivum klarer theologischer Linienführung.
Von der Liturgie ausgehend beweist der Verf., daß auch die praktische Frömmigkeit
des ostkirchlichen Frommen eschatologisch geprägt ist. „Nicht nur
für seine Seele, auch für seinen Leib, ja für die ganze Schöpfung ist der Fromme
dieser Verklärung gewiß. Aber er erwartet sie nicht einfach als etwas nur Zukünftiges
, das ihm einmal zuteil werden soll, sondern er ist zugleich erfüllt von
dem zuversichtlichen Glauben, daß die Herrlichkeit der Verklärung hier schon
eingesetzt hat" (S. 13). Während der Westen das neue Leben nach seinen sittlichen
Werten betrachte und beurteile, versenke sich die Ostkirche viel lieber
in das Geheimnis der Herrlichkeit des neuen Seins, das uns durch Tod und
Auferstehung Jesu Christi geschenkt ist. Diese potentielle ontische Verklärung
der Schöpfung wird dann an Hand einiger eucharistischer Texte belegt. Weiterhin
kommt der Verf. auf den eschatologischen Gehalt der Ikonen und der östlichen
christlichen Mystik zu sprechen. (Meine kritischen Bedenken dazu habe
ich neulich hier zum Ausdruck gebracht [ThLZ 1949, Nr. 5, Sp. 267—274]). Sehr
richtig wird vom Verf. betont, daß die Eschatologie der russischen Raskolniki
eine „apokalyptische Verzerrung" darstellt (S. 22). „Darum kennt der Raskol
keine eigentliche Welterneuerung, sondern nur eine vollkommene Vernichtung
der jetzigen Welt und danach erst eine ebenso vollkommene Neuschöpfung der
zukünftigen" (ebenda). Wie manches ist auch die Gestalt des Antlchristus vom
Verf. in seiner kurzen Überschau nur angedeutet worden. Der Antlchristus ist
nicht erst dem Raskol bekannt. Erspielt schon eine bedeutende Rolle in der Geschichtsschau
der Nestorchronik. Schließlich verweist der Verf. noch auf den
russischen Messianismus, den er richtig auf die Konzeption Moskaus als des
„dritten Roms" oder des „neuen Israels" zurückführt, wenngleich auch hier gefragtwerden
muß, ob diese Ideen in ihrer Wurzel nicht schon in der Kiewer Epoche
dagewesen sind. Auf diese ideologischen Ansätze imKiewer Rußland hat
D.Tschiiewskij in seinem neuesten Werk mehrfach aufmerksam gemacht (Dmi-
trij Tschizewskij: Altrussische Literaturgeschichte im 11., 12. und 13. Jahrhundert
. Kiever Epoche. Frankfurta.M. 1948). Mit einem längeren Zitat Stephan
Zankows schließt die Arbeit, noch einmal das Thema zusammenfassend: „Ein
Sonderzug des Wesens des orthodoxen Christentums ist die innere Verbindung
des Persönlich-Dynamischen mit dem Kosmisch-Mystischen seiner Eschatologie
. Ich verstehe darunter die noch immer stark pulsierenden apokalyptischen
Gefühle in der Grundstimmung der orthodoxen Christen, also des Glaubens,
des Hoffens, des Ahnens, daß am Ende aller Zeiten der Gott der Liebe doch
alles in Gnade aufnehmen wird, daß alles gerettet werde" (S. 26).

Die kleine gehaltvolle Schrift liest sich wie ein Arbeitsprogramm
über den eschatologisehen Gedanken in der Ostkirche
. Das Thema scheint in der Luft zu liegen. (Ich selbst
habe in einer Dissertation über das Thema: „Eschatologie und
Verwandlung im ostkirchlichen Kultus" erst jüngstens gehandelt
.) Es wäre für die wissenschaftliche Forschung von Bedeutung
, wenn der Verf. dieser Studie oder andere die von ihm
berührten Einzelgebiete nun kritisch vor allem unter Verwendung
von Originaltexten und in der fruchtbaren Begrenzung
auf Einzelprobleme unter dem Thema der Eschatologie
untersuchen würden. Ob sich die Ergebnisse solcher
Untersuchungen mit denen dieser kurz gefaßten Ubersicht
dann immer im einzelnen decken werden, bleibt sehr abzuwarten
. Damit ist jedoch der Wert und Nutzen der Arbeit als
Ubersicht und Programm in keiner Weise vermindert.

Brandenburg Konrad Onasch

Heckel, Theodor: Kirche jenseits der Grenze. Aus der deutschen evangelischen
Auslanddiaspora. Göttingen: Vandenhoeck <& Ruprecht 1949.
99 S. 8°. Kart. DM 3.80

In einer Zeit, wo einerseits durch die Vertreibung von
evangelischen Deutschen bisherige Auslandsdiaspora der Auflösung
entgegengeht und andererseits weite bisher deutsche
Inlandsgebiete mit evangelischer Mehrheit wie Ostpreußen,
Pommern und Schlesien in Gefahr sind, Auslandsdiaspora zu
werden, ist es überaus zeitgemäß, die Erfahrungen aus der
bisherigen Auslandsarbeit festzuhalten, um sie vielleicht einst
in der neuen Diaspora den neuen Verhältnissen anzupassen.
Diesen großen Dienst leistet uns der langjährige Leiter des
Kirchlichen Außenamtes, Bischof D. Heckel, in der vorliegenden
Schrift, die nicht nur die Arbeit des Außenamtes beschreibt
, sondern auch die behandelten Fragen in ihrer grund-