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Ausgabe:

1950 Nr. 1

Spalte:

45-46

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Buxton, D. R.

Titel/Untertitel:

The Christian Antiquities of Northern Ethiopia 1950

Rezensent:

Voretzsch, Ernst A.

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 1

46

Die hier genannten, wahllos zusammengestellten sieben
kleinen Schriften hätte man in früheren Jahren vielleicht von
einer Besprechung in unserer Zeitschrift ausgeschlossen. Denn
es sind zum Teil populäre kleine Schriften, Auswahlbändchen
und Hefte der Besinnung wie Hilfe fürs Amt, wie die angeführten
Reihentitel so schön sagen.

Der verstorbene badische Schulmann Karl Bertsche ist
einer unserer besten Kenner des Werkes von Abraham a Sancta
Clara. B. hat auch den ersten Band der Akademie-Ausgabe
der Werke Abrahams vorgelegt und uns damit einen Versuch
übermittelt, die handschriftliche Uberlieferung der Werke des
Paters herauszubringen. In dem vorliegenden Büchlein, dem
zwei weitere ähnliche folgen sollten, gibt B. eine erneute
,,Blütenlese" aus den bekanntesten gedruckten Werken des
Wiener Predigers, wie „Judas der Erzschelm" (1686—1691),
„Heilsames Gemisch — Gemasch" (1704), „Huy und Pfuy der
Welt" (1707), „Abrahamisches Bescheidessen" (1717) u. a. m.
Auch der Abdruck aus den selten gewordenen Originaldrucken
erfordert mancherlei Sorgfalt und eine Fülle von Hinweisen
und Hilfen.

Das Büchlein über die Freimaurerei von August Horneffer
erscheint in einer neuen Auflage in einer Zeit, die der alten
königlichen Kunst neue, reiche Möglichkeiten bietet. Die Freimaurerei
hat auf Grund ihrer Lehre auch die Aufgabe, die
Totalitätsansprüche, die von allen Seiten gerade auf den
abendländischen Menschen andringen, mit Erfolg abzuwehren.
Wir vermissen in dem ansprechenden Büchlein eine übersichtliche
Bibliographie insbesondere des nur kurz behandelten
gegnerischen Schrifttums.

Die von Günther Maske vorgelegte biographische Skizze
des ostfriesischen Erweckungspredigers Remmer Janssen
(f 1931) ist anregend, liest sich gut und beruht anscheinend
auf reichen Quellen. Der Historiker fragt, was und bei wem
J. in Leipzig und Göttingen gelernt hat, wenn er schon Ritsehl
so mit Nachdruck ablehnt.

Hans Arnold Meyer wird man gern bestätigen, daß es
ihm gelungen ist, auf engem Räume ein ansprechendes Bild
von Blaise Pascal zu geben, der einen immer stärkeren Einfluß
auf unsere gebildete Jugend heute auszuüben berufen zu sein
scheint.

Uber Friedrich Zimmer unterrichten die Artikel in unseren
Nachschlagebüchern und mancherlei Aufsätze in den einschlägigen
Zeitschriften. Das vorliegende im 30. Jahre nach Zimmers
Tode erschienene Heftchen soll in erster Linie in die
Hände des zahlreichen Nachwuchses der Zehlendorfer Diako-
nieschwesteni kommen. Aber weit darüber hinaus wird man
gerne überall die gebildete weibliche Jugend, die sich der
Krankenpflege widmen möchte, mit der erzieherisch so besonders
anregenden Persönlichkeit Friedrich Zimmers bekannt
machen wollen.

Senfs Büchlein über den alten Friedrich von Bodelschwingh
hält die richtige Mitte zwischen den größeren Biographien
— E. Bunke (1910) und Gustav v. Bodelschwingh
— und der Fülle der Traktätchen; es ist gut fundiert und anregend
geschrieben.

Die von O. Uttendörfer aus intimster Kenntnis von Zin-
zendorfs Schrifttum vorgelegte Auswahl bringt manches wertvolle
Wort Zinzeudorfs, zum Teil auch Verse, in übersichtlicher
und anregender Gruppierung. Bei einer neuen Auflage
sollte man erwägen, ein Blatt mit bibliographischen Notizen
hinzuzufügen: Was hat Zinzendorf geschrieben ? Was wird davon
hier benutzt? Welche Ausgaben sind hier herangezogen
worden und woher stammt das, das ohne Herkunftsbezeichnung
, nur mit einem Datum zitiert ist ? In einem kurzen Vorwort
skizziert Th. Wenzel, sich auf Walter Köhler stützend,
Z. als lutherischen Theologen.

Berlin Otto Lerche

CHRISTLICHE ARCHÄOLOGIE

Buxton, D. R. Esqu.: The Christian Antiquitiesof Northern Ethiopia*

Commiinicated to the Society of Antiquaries of London. Oxford 1947-

42 S., XII PIates= Archaeologia Vol. XCII.

Das nördliche Äthiopien ist ein fesselndes Gebiet für Untersuchungen
in der christlichen Archäologie. Fern der von
Italienern angelegten Hauptstraßen, nur nach mehrtägigen,
beschwerlichen Reisen auf Maultieren zugänglich, tut sich in
den Bergen ein Neuland voll imposanter Denkmäler auf, die
trotz ihres Alters von über eintausend Jahren frei vom Staube
der Zeit und ihres Unbekanntseins wegen frei vom Belag
wissenschaftlicher Theorien sind. Noch niemals gab ein Archäologe
einen Generalbericht. Wohl hat Monti della Corte
1939 in Lalibela gearbeitet und gute Photographien mitgebracht
, wohl sind einige Merkmale des vergessenen Stiles der

Architektur frühchristlicher Kirchen, insbesondere von Debra
Damo, durch den im Kriege verstorbenen Berliner Bauforscher
Daniel Krencker in dem mit Recht vielgerühmtem zweiten
Bande der Deutschen Aksum-Expedition (1904), DAE, II,
Berlin 1913, veröffentlicht worden. Aber die erste Ubersicht
über die dortige Wunderwelt aus Stein hat erst 1947 der Engländer
Buxton in vorliegendem, kurzen, umfassenden und mit
gutem Bildmaterial ausgestatteten Bericht gegeben. Er hat
1945 fast alle frühen Kirchen, — allerdings nur flüchtig, — besucht
. Seiner Bestandaufnahme der frühäthiopischen Denkmäler
, an denen eine Stilwandlung von frühchristlicher Zeit
an bis in das 13. Jahrhundert zu verfolgen ist, kommt deshalb
eine besondere Bedeutung zu, weil die Kirchen in den fernsten
Felsen winkeln sonst kaum besucht werden dürften. Wird die
Architektur auch nur skizzenhaft behandelt, und auf die vorhandene
Plastik und Malerei so gut wie gar nicht eingegangen,
so genügt diese Vorlage doch zur Instruktion über das bisher
vergessene bedeutende Kapitel der christlichen Bauforschung.

Auf die Arbeiten vor Buxton kann hier nicht eingegangen
werden. Nur soviel sei festgestellt: die Probleme, die Krencker
an die berühmte, 33 m hohe, monolithische, vorchristliche
Stele und an die Palast- und Kirchenarchitektur von Aksum
anknüpfte, sind nun vorzüglich gelöst und seine oft genialen
Vermutungen bestätigt worden, nachdem die Kirchen von
Debra Damo und dem Zwillingskloster Debra Libanos, Imra-
hanna Kristos (Imraha), Jammadu Mariam, Lalibela ü. a m
durch Buxton aufgenommen wurden. Das Material ist um so
interessanter, als es sich bei den meisten Kirchen um Unica •
christlicher Architektur handelt, denn sie sind (mit Ausnahme
schon vorher bekannter wie Debra Damo) nicht gebaut, sondern
in ihrer Mehrzahl vollständig aus Felsen heraus-' oder
hereingeschlagen, teilweise sogar als unterirdische Höhlenkirchen
. Solche enormen Leistungen der Meißelarbeit sind aus
dem Vorderen Orient (Petra) und in größeren, prunkvolleren
Ausmaßen aus Indien bekannt. Daß aber im nördlichen
Äthiopien christliche Heiligtümer in solcher Zahl gefunden
wurden, ist eine große Überraschung. Die bis in das letzte
Detail aus dem Stein herausgehauenen Felsenkirchen blieben
naturgemäß sehr lange äthiopische Heiligtümer und werden
auch heute noch benutzt. Lalibela ist der unbestrittene Hauptplatz
dieser Architekturschule. Hier sind die schönsten Felsen-
kirchen beieinander, und die Gruppe von Lalibela gehört zu
den Wundern der Welt. Eine Welt aus Felsen mit Krypten,
Höhlen, Passagen, die die Kirchen in einem unterirdischen
System miteinander verbinden, — das ohne Gliederung in
endloser, geduldigster Arbeit geschaffen wurde. Bei diesem
Anblick wendete sich einst ein zerstörungswütiger moslemischer
Eroberer beschämt und gedemütigt ab.

Zehn Felsenkirchen hat Buxton gesehen, die teilweise von
außen nur durch einen hochgelegenen Eingang erkenntlich
waren. Seiner Ansicht nach mag es noch mehr geben. Die Gestaltungen
und Formungen sind verschieden, fast uneinheitlich
. Doch kann nachgewiesen werden, daß diese Felsenkirchen
in allen wesentlichen Zügen von den in der Stadt gebauten
und zerstörten Kirchen abgeleitet sind. „Lalibela kann deshalb
als ein Museum von versteinerten Kirchen betrachtet
werden, in welchem von jeder Form und von jedem Grundriß
einer Kirche, die früher existierte, ein Beispiel erhalten ist"
(S. 30). Man wird also auch von den Felsenkirchen auf andere,
nicht mehr erhaltene Kirchen Rückschlüsse ziehen dürfen.

Die hier notwendige Beschränkung des Raumes verbietet,
auf die Fülle der architektonischen Einzelheiten einzugehen,
wie: quadratische Grundrisse mit Ecktürmen, vorspringende
Ecken, Mehrschiffigkeit, Emporen, nur von innen sichtbare
Gewölbe, kreuzförmige Anlagen, Verstrebungen und Binder
durch angenommene, aber in Stein ausgeführte Holzbalken
(wie bei der Aksum-Stele), Quer- und Längsbögen, Triforien,
Dachformen, Einflüsse der Basüiken von Ägypten und Syrien,
Triumphbögen im Osten und Westen, Friese, Deckenschnitzereien
, Tierpannele, dekorative Effekte, besonders in den Fenstergittern
und Fensterfüllungen und in eigenartigen Doppelkapitellen
, — und bei Medhane Alem, der größten der Felsenkirchen
(L. 33,5; Br. 23,5; H. 11 m) die Kolonnade von 34
äußeren und 28 inneren aus dem Felsen gemeißelten Säulen.

Angesichts der außergewöhnlichen Fülle neuen Materials
ergeben sich zwei Wünsche: erstens, daß das Gebiet der
Malerei und das der Plastik von sachkundiger Hand eines
christlichen Archäologen erschlossen wird. (B. gibt leider nur
eine Abbildung des hl. Georg.) Zweitens, daß in der Auswertung
der dargebotenen Reichtümer insbesondere hinsichtlich
der im einzelnen noch unsicheren Datierungen, die begründeterweise
aber im ganzen vom 5. bis zum 13. Jahrhundert
reichen, mit äußerster Vorsicht gearbeitet wird.

Tübingen E. A. Voretzsch