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Ausgabe:

1950 Nr. 10

Spalte:

620

Kategorie:

Naturwissenschaft und Theologie

Autor/Hrsg.:

Weizsäcker, Viktor von

Titel/Untertitel:

Grundfragen medizinischer Anthropologie 1950

Rezensent:

Fichtner, Horst

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619

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 10

620

erstehung Jesu für den Kosmos ? An manchen Stellen der Darstellung
wünschte man angedeutete Linien zur Sakramentslehre
hin weiter ausgezogen.

Frankfurt/M. H.H.Harms

StÜCkelberger, Hans Martin, Pfarrer Dr.: Evangelischer Glaube. Versuch
einer zusammenfassenden Darstellung. St. Gallen: Verlag d. Evang.
Buchh. 1943. 215 S. 8°. Lw. sfr 8.80.

Die Glaubenslehre des St. Gallener Pfarrers und Doktors
der Geschichtswissenschaft ist dem Andenken der im Dienste
der Basler Mission gestorbenen Boten gewidmet. Mit dem Ausblick
auf die Mission schließt auch das inhaltsreiche Buch. Es
wendet sich an alle Kreise, die modern und kritisch gerichtet
sind, und will auch eine Hilfe für den Konfirmandenunterricht
geben. Zu diesem Zwecke werden die meisten Abschnitte zum
Schluß in diktierbaren Sätzen zusammengefaßt. Theologisch
sind starke Einflüsse des Barthschen Kreises in dem Buche
wirksam. In fünf Kapiteln werden die Lehren von der Schrift,
von Gott, vom Menschen, von Jesus Christus und von der
Kirche dargelegt, die Unterabschnitte dieser Kapitel stehen
unter möglichst modernen, ansprechenden Uberschriften. Bei
den biblischen Geschichten ist eine Bevorzugung der alttesta-
mentlichen zu beobachten, aber auch moderne Beispiele werden
gebracht, zum Teil unter Benutzung der Beispielssamm-
lungen von Dittmar u. a. Traktätchengeschichten werden fast
durchweg vermieden. Daß der Ausgangspunkt bei dem Bibelbuch
, nicht bei dem lebendigen Worte Gottes genommen wird,
bedeutet eine gewisse Verengung. Die Religionen, auch die
christliche Religion, werden wie bei Barth als menschliche Gebilde
der Offenbarung gegenübergestellt. Doch begegnen wir in
den Religionen dem sich nach der Wiederherstellung des ursprünglichen
Verhältnisses zu Gott zurücksehnenden Menschen
. Es handelt sich bei ihnen um gesuchte, aber nicht zustandegebrachte
Wiederanknüpfung. Die Lehre über den
Menschen kann nichts anderes enthalten, als die Lehre von
unserer Schuld. Einseitig wird die Relativität des Gewissens
betont, etwa mit dem Hinweis, daß ein Südseeinsulaner aus
Gewissensgründen seinen alten lebensschwachen Vater tötet
und verzehrt. In der Beurteilung von Gut und Böse seien eben
Gottes Gedanken himmelweit von unseren Gedanken entfernt
. Rom. 7 wird mit Luther und Calvin auf den wiedergeborenen
Menschen gedeutet. In der Lehre von Christus wird
der Weissagungsbeweis aus dem AT in der alten Weise erneuert
; den sich hier ergebenden Schwierigkeiten wird mit der
Feststellung begegnet, daß wir uns in keiner Weise um das
zu bekümmern haben, was die Propheten gemeint haben, sondern
nur um die Frage, ob ihre Verheißungen irgendwo und
irgendwann einmal in Erfüllung gegangen sind. Von Jesu
Selbstzeugnis im Johannesevangelium heißt es, daß es dem der
Synoptiker entspricht. Auch das Gleichnis vom barmherzigen
Samariter scheint mir christologisch überdeutet zu sein, wenn
es mit stärkstem Nachdruck auf Jesu Tat der Barmherzigkeit
an uns hinweisen soll. In dem Abschnitt über die Einwendungen
gegen Jesu Würde setzt sich der Verf. etwas zu lehrmäßig
-nur mit einigen schwierigen Bibelstellen auseinander, z. B. mit
Luk. 18, ig. Hier hätte gegenwartsbezogener geredet werden
müssen. Kraftvoll hebt der Verf. die Auferstehung Christi als
Fundament der Kirche hervor. Im Verständnis der Kirche
schließt er sich an Conf. Aug. 7 an, die Volkskirche wird bejaht,
ebenso die Kindertaufe. In der Abendmahlslehre wird das
klarste Verständnis bei Calvin gefunden. Auffallend knapp
wird unter der Uberschrift „die Hoffnung der Kirche" die
Eschatologie behandelt.

Trotz der im Vorstehenden angemeldeten theologischen
Bedenken ist das Buch eine wertvolle Gabe für unsere Theologie
, die an guten auch für den Laien lesbaren Dogmatiken
nicht allzureich ist. Eine Reihe von Kernsprüchen des Buches
verdiente eingeprägt zu werden, etwa die Sätze: „Wer nicht
betet, der kennt sich nicht", oder „Es dürfte besser sem,
wenigen aus der Not zu helfen, als allen gar nicht", oder
„Niemand darf die Wahrheit auf sich beruhen lassen. Wer sie
kennt, der muß ihr dienen".

Erlangen Hans Graß

Jelke, Robert, Prof D. Dr.: Das Fundament unseres Glaubens. Heidelberg
: Jedermann-Verlag 1947. 31 S. 8°. DM 1.—.

R, Jelke will begründen, weshalb und inwiefern die heilige
Schrift das Fundament unseres Glaubens ist. Die Schrift ist
„verläßliches Gotteswort". Schrift und Wort Gottes sind also
zu identifizieren, weil die Autorität der Kirche das bezeugt,
weil Christus in seiner einzigartigen Menschlichkeit und
Gottessohnschaft in ihr enthalten ist und der „Gesamteindruck
des Bildes Jesu" sich selbst bewahrheitet; und drittens,
weil im Glauben Trost und Heilkraft der Schrift erfahren
wird. Nach diesen Ausführungen bleiben jedoch folgende
theologische Fragen offen: Wie ist das Verhältnis von Wort
und Geist, von Gotteswort und Menschen wort in der Bibel
zu bestimmen ? Welche Funktion hat die Schrift für den Glauben
? Ist sie das Fundament des Glaubens, — dann müßte
Offenbarung und Schriftwort völlig identifiziert werden —
oder sie ist das Mittel des an uns handelnden Gottes, dessen
Offenbarung allein den Glauben begründet ? —

Kiel Redeker

MEDIZIN UND THEOLOGIE

Weizsäcker, Viktor von, Prof. Dr.: Grundfragen medizinischer Anthropologie
. Tübingen: Furche-Verlag[1948], 34 S. 8°= Forschungen und
Studien der Studiengemcinschaft der Evangelischen Akademie, hrsg. v.
H. Thielicke. Bd. 6. DM 1.20.

Die Schrift zeigt bei allem Zug zum Objektiven außerordentlich
persönliche Seiten; ist doch der Autor kein Geringerer
als der Vater der Anthropologischen Medizin selbst.
Im einzelnen gibt er zunächst eine auf sorgfältigen physiologischen
Untersuchungen beruhende Fuuktionsanalyse, um
daran die empirisch-philosophische Erkenntniskritik der
Grundlagenbegriffe, wie Antilogik, Grundverhältnis, Es-Bil-
dung und Gestaltkreis, anzuschließen. Zum Schluß arbeitet
er das Wesen der anthropologischen Medizin heraus als einer
bestimmten Art ärztlichen Denkens und Handelns, das er in
der Stufenfolge der Psychoanalyse, der psychosomatischen
und endlich der anthropologischen Medizin zu erklären versucht
. Die Klarheit seiner Beobachtungen und die Kühnheit
seiner Deduktionen nimmt den kritisch eingestellten Leser in
zunehmendem Maße gefangen; sympathisch berührt auch die
zurückhaltende Art des Autors in der Schlußbeurteilung seiner
Wissenschaft, in der er nicht einen Bestandteil des christlichen
Äons zu sehen meint, sondern lediglich einen Anlauf zum
Christentum hin. Als entscheidender Lehrsatz wird herausgestellt
: „Ich bekomme meine Krankheit nicht nur, sondern
ich gestalte sie auch; ich dulde mein Leiden nicht nur, sondern
ich gebrauche es auch. Meine Krankheit ist auch demeKrank-
heit; sie ist nur eine mikroskopisch eingefangene Wiederholung
dessen, was sich in der ganzen Welt begibt". Zum Heil
der notleidenden Menschheit kann nur gewünscht werden, daß
die Klinik des Verf .s, in der schulmedizinische Therapie, biographische
Anamnesen.Psychoanalysen, psychosomatische Forschungen
und endlich Arbeits- und Sozialtherapie im Zuge
einer gewollten Vereinigungstendenz getrieben werden, ein
voller Erfolg beschieden sein möge.

Berlin Horst Fichtner

Michel, Otto, Prof. Lic: Medizin und Theologie im Gespräch. Beiträge
von Landesbischof D. Wurm, Dr. Knorr, Dr. Kütemeyer, Prof. Lic. Michel
und Prof. Dr. Siebeck. Tübingen: Furche-Verlag [1948]. 85 S. 8°= Evangelische
Akademie. Stimmen zum Gespräch der Kirche mit der Welt, hrsg.
v. Dr. Eberhard Müller, H. 24. DM 2.80.

Das vorliegende Heft gibt die auf der Ärztetagung in Bad
Boll 1946 gehaltenen medizinischen Referate im Wortlaut
wieder, zusammen mit der Eröffnungsansprache von D.Wurm
und einer theologischen Betrachtung von Lic. Michel, die das
im einzelnen festzustellen und zu verarbeiten sucht, was sich
an wissenschaftlichen Ergebnissen im Tagungsverlauf ergab.
Es kann das Einzelne hier nicht gewertet werden, hat doch
jeder der Referenten ganz augenscheinlich von seinem Standpunkt
das Beste gegeben. Erstaunlich aber ist die Fülle des
Stoffes, die zusammengekommen ist, wenn Dr. Knorr ganz
konkret zum Konflikt des Arztes zwischen beruflichem, persönlichem
und familiärem Leben spricht, wenn Dr. Hütemeyer
in überlegenerer Gedankenführung das Thema: „Der
moderne Arzt vor den Dogmen der Kirche" behandelt und
wenn Dr. Siebeck in verpflichtender Weise das Problem: „Der
Arzt in der Not der Zeit" herausgestellt. Besonders dankbar
möchte ich auf die genannte Eröffnungsansprache hinweisen,
die in medizingeschichtlich einwandfreier Weise mit anderen
Worten das Thema des Priesterarztes heute umreißt, und auf
die theologische Betrachtung, die grundlegendes Baumaterial
zur Architektonik einer Theologie der Krankheit liefert. Dem
Heft ist sonderlich in den Kreisen der allerorts im Aufblühen
befindlichen Arbeitsgemeinschaften „Arzt und Seelsorger"
als Diskussionsgrundlage und als Ausgangspunkt für weitere
Forschungsarbeit starke Verbreitung zu wünschen.

Berlin Horst Fichtner