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Ausgabe:

1950 Nr. 1

Spalte:

44-45

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Maske, Günther

Titel/Untertitel:

Remmer Janssen 1950

Rezensent:

Lerche, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 1

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Flueckigers Untersuchung bestätigt, daß die Verbindung von
Theologie und Philosophie bei Schleiermacher so eng ist, daß
an entscheidenden Stellen beide Deutungen möglich sind:
Die Theologie wird durch die Philosophie modifiziert — oder
die Philosophie durch den theologischen Ansatz bestimmt.
Zur Entscheidung dieser Alternative muß Schleierrnachers
Selbstzeugnis von ausschlaggebender Bedeutung sein. Es sei
denn, daß man ein hermeneutisches Prinzip verfolgt, das der
Kritik den Vorrang vor dem Verständnis gibt. Flückiger will
das nicht tun, wie die vorzüglichen darstellenden Partien seines
Buches erweisen. Er unterscheidet sich darin vorteilhaft von
'der Mehrheit der Schleiermacher-Kritiker. Aber Schleiermachers
Selbstaussagen hat er doch nicht genügend gewürdigt.
Sonst würde er dem theologischen Ansatz bei Schleiermacher
mehr Gewicht beilegen. Die Wahrheitsfrage, die an das Werk
Schleiermachers zu stellen ist, wäre damit noch nicht beantwortet
. Aber die Anerkennung, daß nicht das philosophische,
sondern das theologische Anliegen das für Schleiermacher bestimmende
ist, würde die entscheidende Vorfrage in einem
Sinne klären, welcher der Wahrheitsfrage erst ihren vollen
Ernst geben kann. — Schließlich 3. erhält die Frage nach den
Ursprüngen der Schleiermacherschen Philosophie von hier aus
erhöhte Bedeutung. Flueckiger hat in einem schönen Abschnitt
seiner Untersuchung von dem Intuitions-Charakter des
Schleiermacherschen Philosophierens gesprochen. Woher aber
kommen Schleiermacher seine „hohen Offenbarungen" ?
Dilthey hat erstmalig darauf hingewiesen, daß die Keimzelle der
Monologen in der Neujahrspredigt von 1792 vorliegt. Barth hat
in seiner Vorlesung von 1926 auf die Beziehung zwischen dem
„Prinzip der Mitte" und Schleiermachers Predigten aufmerksam
gemacht. Die Zusammenhänge, die sich hier andeuten,
müßten einmal genauer verfolgt werden. Es ist denkbar, daß
von hier aus die Gewichtsverteilung Theologie — Philosophie
bei Schleiermacher in neuem Lichte erscheint.

Wenn also auch Flueckigers Ergebnissen in manchem
Punkte widersprochen werden muß, so soll doch festgestellt
sein, daß sein Beitrag zum Schleiermacher-Gespräch zu den
nicht zahlreichen Stimmen gehören wird, die ihren Wert behalten
. Denn sein Buch ist sachlich wohl fundiert und anregend
auch da, wo man ihm nicht zuzustimmen vermag.

Düsseldorf Paul Fr. Seifert

Wenger, Paul Wilhelm: Geist und Macht. Versuche einer Entschleierung
des deutschen „Idealismus". Augsburg: Naumann [1948]. 102 S. 8° =
Abendländische Reihe Bd. 9, hrsg. v. J. W. Naumann. Pp. DM 4.50.

Der Verf. forscht nach den Quellen des „hybriden Wahnes
", „derMachiavelli-Renaissance", wie sie besonders in dem
nationalen Empfinden der deutschen Gegenwart Ausdruck gewann
. Der Schuldige ist diesmal der deutsche Idealismus, der
als Quelle dieses frevelhaften deutschen Titanismus „entlarvt
" wird und der eigentliche Hauptschuldige Hegel, der
„als Kirchenvater der deutschen Reaktion gleichermaßen in
der Ahnenreihe des Bolschewismus wie des Nationalsozialismus
stellt". Von ihm ist eine ganze „Galerie von Ubermensch-
Konstruktionen" ausgegangen, an deren Spitze Goethes Faust
(II. Teil) steht und die dann in Wagners Siegfried, inNietzsches
Ubermensch und in den „Lichtbolden der Kärl-May-Romane"
ihre Fortsetzung findet.

Die Schrift zeigt mit evidenter Klarheit, wie jede Haltung
, die mit einer vorgefaßten Tendenz an die Geschichte
herantritt, die — wie im vorliegenden Fall — einen Schuldigen
sucht, notwendig zu einer groben Verdeutung des geschichtlichen
Tatbestandes führen muß. Mit einer derartigen Haltung
gibt es darum nicht die Möglichkeit eines wissenschaftlichen
Gesprächs. Bei der Fülle der heutigen Versuche, die Schuldigen
in der Vergangenheit zu entlarven, drängt sich nur oft
der Gedanke auf, ob nicht der berühmte Satz J. G. Hamanns,
den ausgerechnet Hegel so liebte, zunächst von den Anklagevertretern
zu befolgen sei: „Nichts als die Höllenfahrt der
Selbsterkenntnis bahnt uns den Weg zur Vergötterung".

Kiel Werner Schultz

Koepp, Wilhelm, Prof. D.: Vom hohen Ethos der Brautliebe. Die Brautbriefe
A. H. Cremers. Hamburg: Reich <S Heidrich [1948]. 143 S. 8°.
Ein biographisches und ein sachliches Absehen ist es, das
Wilhelm Koepp treibt, indem er die Briefe, die der bekannte
Greifswalder Systematiker August Hermann Cremer im Jahre
1862 an seine damalige Braut und seine spätere Gattin, Maria
geb. Hülsmann, geschrieben hat, der Öffentlichkeit übergibt.
Das biographische gilt natürlich der Gestalt Cremers als des
großen Greifswalder Theologen. Das sachliche ist ausgedrückt
in dem Titel, den Koepp dieser Veröffentlichung gegeben hat:
Vom hohen Ethos der Brautliebe. Beides hängt natürlich zusammen
. Je klarer man die Persönlichkeit, das Leben und das
Ergehen eines bedeutenden Mannes überblickt, desto klarer
wird einem auch das, was er gewollt und vertreten hat. Und
was könnte uns tiefer in das Innerste eines Menschen blicken
lassen als Briefe, die er in der gehobensten Zeit seines Lebens
an die Vertrauteste seines Herzens, die er als Bräutigam an
seine Braut geschrieben hat. Nun war freilich die Brautzeit
Cremers nur kurz, vom 8. 7. bis zum 8. 10. 1862; aber während
dieser Zeit war der Briefwechsel so rege, und die Mitteilungen
gingen so ins Einzelne, daß wir uns ein sehr anschauliches und
lebendiges Bild von dem machen können, was Cremer während
dieser Zeit erlebt hat und wie er sich zu allem, was ihm zustieß
, gestellt hat. Aber das Wichtigste bleibt doch das, was
wir aus diesen Briefen über das Verhältnis der beiden Brautleute
zueinander und über ihr Verhältnis zu Gott erfahren.
In der beiderseitigen Verbundenheit der Brautleute mit Gott
und ihrem Trachten nach seinem Heile liegt eben das, was das
hohe Ethos dieser Brautliebe ausmacht. Zweifelslohne ist hierin
die überragende Gestalt Cremers von führender Bedeutung.
Aber ohne entsprechende Einstellung und Veranlagung der
Braut wäre doch die christliche Höhenlage, die der Briefwechsel
zeigt, nicht denkbar. Eben darum wäre es doch wohl
erwünscht gewesen, daß man als Leser neben den Briefen aus
der Feder Cremers wenigstens eine Probe der Briefe der Braut
vorgefunden hätte. Aber man versteht, daß Koepp sich dazu
nicht hat entschließen können, obwohl ihm auch diese Briefe
vorliegen. Die Hauptsache ist und bleibt doch, daß wir das
hohe Ethos der Brautliebe vor uns ausgebreitet sehen. Wie
weit die Braut Cremers ihm zu solcher Darstellung dieses hohen
Ethos geholfen hat, ist sachlich nicht von Bedeutung.

Dagegen dürfte es in anderer Hinsicht von großer Bedeutung
sein, durch die Briefe über Cremers eigene seelische
Veranlagung genau orientiert zu werden. Und daß gerade in
dieser gemeinten Hinsicht unser Briefwechsel wertvoll ist, darauf
hat der Herausgeber selbst klar hingewiesen. Eine Theologie
, die wie die Cremers es zuletzt mit der christlichen Gewißheit
zu tun hat, wird immer das, was an ihr allgemein bedingt
und was lediglich individuell-persönlich zu bewerten ist,
erkennen lassen müssen. Cremers Theologie ist mit Recht als
Gewissenstheologie verstanden. Ist sie damit etwas, was ganz
aus der seelischen Eigenart Cremers zu verstehen ist und somit
nicht überpersönlichen Charakter hat ? Es ist kein Geringerer
als Cremers Freund Martin Kähler gewesen, der auf das Todernste
des Charakters Cremers mit allem Nachdruck hingewiesen
hat. Da ist es, wie Wilhelm Koepp in seiner Einleitung
sehr klar ausführt, von größter Bedeutung, daß uns
diese Briefe zeigen, daß Cremer keineswegs einseitig der ernste,
freudlose Mensch gewesen ist. Vielmehr müssen beide Haltungen
, die starre, todernste, die die öffentliche war, und die
freudige, herzliche, die sich im engeren Kreise auswirkte, gleich
stark aus dem innersten Glauben dieses Mannes stammen.
Darum aber ist auch seine Gewissenstheologie nicht als eine
einseitig psychologisch-individuelle zu bewerten, sondern geht
zurück auf überindividuelle Erfahrung, die gottgewirkt ist,
was freilich nicht ausschließt, daß sie sich in den verschiedenen
Individuen verschieden spiegelt. So sind es die verschiedensten
Seiten, nach denen diese Briefe das Bild Cremers
klären. Für ihre Herausgabe verdient Koepp unseren aufrichtigen
Dank.

Heidelberg Robert Jelke

Abraham a Sancta Clara. Ernste und heitere Geschichten aus Werken des
großen Kanzelredners, Wiener Hofpredigers und Volksschriftstellers der
österreichischen Barockzeit 1644—1709. Ausgewählt u. bearb. v. Prof. Dr.
Karl Bertschet (3 Tie.). 1. Werkchen: Grillen und Pillen. Mit einem
Oedenkblatt auf Karl Bertsche u. d. Abrahamforschung v. Prof. Dr. Adam
Wrede. München-Pasing: Filser-Verlag 1948. 141 S. 8°. Kart. DM 4.95.

Homeffer, August: Die Freimaurerei. 3., bis auf die Gegenwart fortgeführte
Aufl. Stuttgart: Reclam [1948]. 150 S. kl. 8°. Kart. DM3.—.

Maske, Günther: Remmer Janssen. Das Leben eines ostfriesischen Er-
weckungspredigers. Hamburg: Reich & Heidrich 0. J. 125 S. m. 1 Abb.
kl. 8°.

Meyer, Hans-Arnold: Pascal. Hamburg: Reich & Heidrich [1948]. 15 S. 8°
= Schriftenreihe des Landeskirchlichen Amtes für Volksmission. DM —.50.

SchomerUS, Hanna, Oberin: Friedrich Zimmer. Berlin: Christlicher Zeitschriftenverlag
1948. 17 S. 8°= Hefte der Besinnung Nr. 14. Kart. DM 1.—.

Senf, Ernst, Pastor: Friedrich von Bodelschwingh. Ein Lebensbild für
unsere Zeit. Berlin: Christlicher Zeitschriftenverlag 1948. 64 S. 8°= Hefte
der Besinnung Nr. 10. Kart. DM 3.—.

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von: Evangelische Gedanken. Gewißheit
, Freude, Kraft. Zsgst. v. O. Uttendörfer Berlin: Christlicher
Zeitschriftenverlag 1948. 266 S. kl. 8°= Schriftenreihe „Hilfe für's Amt"
Bd. 14. Kart. DM 5.—.