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Ausgabe:

1950

Spalte:

617-619

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Baillie, Donald M.

Titel/Untertitel:

God was in Christ 1950

Rezensent:

Harms, Hans-H.

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_ Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 10 gjg

Apparat) lebhaft begrüßen, da es leicht und für wenig Geld zu
«■schaffen ist. Eine beigegebene Aufstellung aller Verbal-
paradigmen erleichtert das Wiederholen und Nachschlagen auf
«losem gerade im Syrischen verhältnismäßig verwickelten Ge-
Diete. Das Werkchen darf überall, wo Syrisch getrieben wird,
ais wohlfeiles Unterrichtsmittel empfohlen werden.

Hamburg Bertold Spuler

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Bai 1 He, D. M., Prof. D. D.: God was in Christ. An Essay on Incarnation
and Atonement. London: Faberand Faber [1947]. 213 S. gr. 8°. Lw. 16 s.
Donald Baillics Beitrag zur Christologie und Versöhnungslehre
wird bei der künftigen Arbeit in diesem Gebiet der Dog-
niatik beachtet werden müssen. Das Buch (not a treatise, but
an essay!, S. 7) mit seiner klaren Gedankenführung und schlichten
Sprache ist die Frucht einer langen Beschäftigung mit den
genannten Lehrstücken und ihrer Geschichte. Es gewinnt eine
besondere Wärme dadurch, daß noch die subtilsten Erörterungen
und Auseinandersetzungen deutlich machen, wie Theologie
nicht um ihrer selbst willen getrieben werden, sondern
w"ie sie immer Zeugnis sein will, echte „Seelsorge". Gleichzeitig
ist B.s Buch mit seiner weiten Kenntnis der kontinentalen
, nicht nur der deutschen, theologischen Arbeit eine eindrucksvolle
Illustration zu Klaus Dockhorns Aufruf an die
deutsche Theologie, endlich den Provinzialismus zu überwinden
und hinterwäldlerische Vorurteile aufzugeben („Angelsächsische
" und „kontinentale" Theologie, in Evangelische
Theologie, 8. Jahrg., 1948/49, S. 501—515, besonders S. 514t.).

Baillie beginnt seine Erörterungen mit einer Darstellung
der wesentlichsten Beiträge der letzten Jahrzehnte zur Frage der
Christologie (so z. B. der Bedeutung der historisch-kritischen
Schule und der formgeschichtlichen Forschung für diesen Zusammenhang
, der christologischen Positionen Barths und
Brunners) und kommt zu dem Ergebnis, daß der Doketismus
tot ist, und daß sich auf der anderen Seite ein neuer historischer
Skeptizismus bemerkbar macht, der an dem geschichtlichen
Jesus kein Interesse mehr hat (S. 9ff.).

(Bei der Darstellung der Gedanken R. Bultmanns kommt leider nur
dessen Jesus-Buch zu Wort. — Eine Erörterung der christologischen Voraussetzungen
W. Vischers fehlt. — Lehrreich ist ein Vergleich der Baillieschen Beurteilung
von Barths und Brurmers christologischen Gedanken mit einem
äußerst kritischen, von Baillie nicht erwähnten Aufsatz des anglikanischen
Amerikaners W. Norman Pittenger, The Christology of the German Crisis-
Theology, in Anglican Theoiogical Review XX 1, 1938, S. 1—15, in dem P.
zu dem Ergebnis kommt, daß die von den „Barthianern" entwickelte christo-
•ogische Position „thoroughly sub-Christian" sei, S. 14.)

Und doch ist der geschichtliche Jesus für den Glauben —
und also für die Christologie — entscheidend wichtig. Ein
Kapitel von fast 30 Seiten beantwortet die Frage „Warum
der Jesus der Geschichte?"

Die Leben-Jesu-Forschung „hat die Theologie christozentrischer gemacht
, und man könnte fast sagen, daß sie die Christologie dadurch umgeformt
hat, daß sie einen neuen Zugang zum christologischen Dogma eröffnet
hat", S. 32. — „Die Frage nach der Bedeutung des .Jesus der Geschichte'
wirft letzten Endes das ganze Problem der Grundlage und Begründung unseres
christlichen Glaubens an die Inkarnation auf", S. 50. — Ohne „das wirkliche
Bild des historischen Jesus . . . wissen wir nicht, wer es ist, über den wir diese
wunderbaren Dinge sagen, und können wir nicht wissen, warum wir sie sagen.
Wir würden vorgeben, etwas zu glauben, was wir nicht kennen, und es würde
eine neue Art einer fides implicita sein!", S. 52. — „So kann ich nicht glauben,
daß es irgendeinen guten Grund gibt für den Defaitismus derjenigen, die alle
Hoffnung aufgeben, durch die Tradition hindurchzudringen und eine sichere
Kenntnis von der historischen Persönlichkeit Jesu zu erlangen. Solch ein
Defaitismus ist sicherlich nur ein vorübergehendes Alpdrücken der Evangeliumskritik
, von dem wir jetzt erwachen zu einem nüchternen Vertrauen bei
unserem Suchen nach dem Jesus der Geschichte", S. 58. — Barths Theologie
..ist in so strenger Form eine Theologie des Wortes geworden, daß sie (wenn
man mit dem grüßten Respekt so sagen darf) kaum noch eine Theologie des
fieischgewordenen Wortes ist". Waren die Vertreter der Leben-Jesu-Forschung
in Gefahr, neue Ebioniten zu werden, so sind „die dialektischen Theologen
trotz ihres Bestehens auf der vollen Menschheit Jesu in ihrer Christologie so
wenig daran interessiert, daß sie in Gefahr sein könnten, die neuen Mono-
physiten zu werden. Doch ist ihre Position faktisch eine neue, da sie dem
20. Jahrhundert angehören, und ihr könnte der neue Name .Logotheismus'
gegeben werden, da sie so viel strenger eine Theologie des Wortes Gottes ist
als eine der Inkarnation des Sohnes Gottes, des fleischgewordenen Wortes",
S. 53. „Bultmanns Jesus ist nur das Spiegelbild eines Barthianischen Antlitzes
", S. 56.

Das Interesse an dem geschichtlichen Jesus fordert nun
aber — im Gegensatz zu Strömungen in der historisch-kritischen
Leben-Jesu-Forschung — ein verstärktes Interesse an

der Christologie (S. 47L, 59—84). Denn „die echte christo-
logische Frage ist nicht einfach eine psychologische oder eine
historische Frage nach Jesus . . . sondern ist wesentlich eine
Frage nach der Natur und dem Handein Gottes" S. 63 (vgl
S. 66).

„Wenn Jesus recht hatte in dem, was er berichtete, wenn Gott wirklich
so ist, wie Jesus sagte, dann sind wir gebunden, etwas mehr zu sagen über
Jesus selbst und sein Verhältnis zu Gott, und wir müssen über Wörter wie
.Entdeckung' und sogar .Offenbarung' hinausgehen zu Wörtern wie .Inkarnation
'," S. 64. Sagen wir das nicht, „dann lassen wir nicht nur etwas Wesentliches
über Jesus fort, sondern auch etwas Wesentliches über Gott. Das heißt
wenn wir keine gesunde Christologie haben, können wir auch keine gesunde
Theologie haben", S. 65. „Christentum ist nicht Theismus plus Christologie",
S. 65. „Eine wahrhafte Christologie will uns nicht einfach sagen, daß Gott
gleich Christus ist, sondern daß Gott in Christus war. So will sie uns nicht
nur etwas über die Natur Gottes sagen, sondern über sein Handeln, über
das, was er getan hat, indem er den ganzen Weg zu unserem Heil in Jesus
Christus gekommen ist. Und es gibt keine andere Art, in der die christliche
Wahrheit über Gott ausgedrückt werden kann", S. 66f. (vgl. S. 78, 156 über
die Trinität).

In gleicher Weise gibt die Christologie eine Antwort *„f
Frage nach dem Sinn der Geschichte. (Hier setlt d

Die Christologie steht für ein christliches Verständnis der Geschichte
ein, aber sie kann nur dafür einstehen, weil sie für die Überzeugung einsteht,
daß Gott Mensch geworden ist in der geschichtlichen Ferson Jesu", S. 79,
vgl. S. 76. „Es ist gerade der Sinn der Christologie, uns zu zeigen, daß dieser
Beurteilungspunkt (für die Geschichte) in Christus zu finden ist", S. 73. Das
Christentum gab der Geschichte einen positiven Sinn durch eine echte Escha-
tologie „ein konkretes Zeit-Schema, eine heilige Geschichte (story), die fest
verbunden war mit der Geschichte (history) durch die Überzeugung, daß an
ihrem zentralen Punkt das (der?) Göttliche tatsächlich unmittelbar in die Geschichte
gekommen war", S. 76.

Nach einer Kritik an drei christologischen Typen (,, Anhy-
postasia", „Kenosis" und — unter der Überschrift „Leadership
and Lordship" — der Christologie K. Heims, S. 85—105)
kommt B. zu den zentralen Erörterungen über „das Paradoxon
der Inkarnation", S. 106—132, das nur von dem „zentralen
Paradoxon der Gnade" her verstanden werden kann,
welches seinen klassischen Ausdruck im Bekenntnis des Paulus
gefunden hat, 1. Kor. 15, 10, und dann.im Ablauf der Kircheu-
geschichte immer und immer wieder von neuem bekannt
worden ist (S. ii4ff.). Gerade dieses Bekenntnis ist das typische
Produkt der „Religion der Inkarnation". Erst von dieser
christlichen Erfahrung her wird das Inkarnationsgeheininis
verstanden (S. 117), das eben nur Christen verstehen können
(S. 119). Sagt Leonard Hodgson gerade von diesen Gedanken
B.s, sie seien einer der wichtigsten Beiträge unserer
Zeit zur Theologie überhaupt, der neue Wege eröffne (Church
Quarterly Review, Vol. CXLVI, 1948. Nr- 2Q2. S.251), so wird
auf der anderen Seite hier die Auseinandersetzung am heftigsten
einsetzen, die sicherlich nicht nur von kontinentalen
Theologen geführt wird, sondern ebenfalls von amerikanischer
Seite angekündigt ist (H. T. Kerr, in Theology Today, Vol. VI
1, 1949. S. 122L).

Von diesem Ansatzpunkt aus eröffnen sich B. mauche
Perspektiven, die in den abschließenden Kapiteln ausgeführt
werden. Besonders hingewiesen sei auf das von B. untersuchte
Verhältnis von Inkarnation und Trinität (S. 122; i33_l55>
besonders i44ff.), mit dem dann die christologischen Erörterungen
im strengeren Sinn abschließen. Die letzten Abschnitte,
„Warum Versöhnung?" (S. 157—179), „Das Lamm Gottes''
(S. 180—202), „Der Leib Christi" (S. 203—210), beleuchten von
immer neuen Seiten her das zentrale Paradoxon der Gnade
und führen immer wieder zu ihm zurück. Dieses Paradoxon ist
kein asvluni ignorantiae (S. 107), sondern hat. weil es gelebt
und erlebt wird, seine Berechtigung (S. io8f.). Die Christologie
führt notwendigerweise zur Soteriologie (S. 160). „Die
bemerkenswerteste Tatsache der gesamten Geschichte des religiösen
Denkens ist dies: daß, als die ersten Christen zurückschauten
und über die furchtbare Sache nachdachten, die geschehen
war, diese sie an die Liebe Gottes denken ließ. Nicht
einfach an die Liebe Jesu, sondern an die Liebe Gottes"
(S. 184). Die Verknüpfung von Christologie und Soteriologie
wird sichtbar. Inkarnation konnte nicht alles sein. Mehr war
nötig: Versöhnung (S. 202), die Gott noch heute wirkt (S. 203
bis 210).

Die große Fülle der Gedanken, die in meisterhaft klarer
Form angeboten werden, läßt bei aller Dankbarkeit für den
Reichtum Lücken fühlbar. Welchen Sinn hat die Auferstehung

Jesu für die Christologie ? Was bedeuten Leben, Tod und Auf-