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Ausgabe:

1950 Nr. 10

Spalte:

616

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Altaner, Berthold

Titel/Untertitel:

Der griechische Theologe Leontius und Leontius der skythische Mönch 1950

Rezensent:

Dörries, Hermann

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615

Theologische Literaturzeitung 1950 Nr. 10

616

tischen Prinzipien, auf denen sein Werk ruht und die durch
Augustiii wie durch die Pelagianer erst recht ans Licht gezogen
wurden, der Verurteilung unterlagen, haben spätere Anhänger
nicht Weniges von den ethischen Maximen und von
der sittlichen Unterweisung des Ketzermeisters zu retten versucht
, und mit weltgeschichtlichem Erfolg. Kann man sich
aber das Bedenkliche dieses Erfolges nicht verhehlen, so meint
der Verf. in der abschließenden Würdigung, daß doch auch
umgekehrt die Verurteilung des Pelagius, so unvermeidlich sie
war, die kirchliche Entwicklung auf eine Bahn festgelegt habe,
die verengend wirken mußte und der mittelalterlichen und
neueren Kirche manches von der frommen Freiheit des optimistischen
Glaubens raubte, als deren Auwalt Pelagius auch
ein berechtigtes christliches Anliegen vertreten habe.

Es ist nicht eigentlich eine dogmen- oder theologiegeschichtliche
Monographie, die hier gegeben ist; aber indem
die Ideen und die sie vorantragenden Bücher in den biographischen
und geschichtlichen Zusammenhang eingestellt werden
, entsteht, mit sicherer Hand entworfen, ein lebensvolles
Zeitbild, das auch die Gedanken in ihrem Werden begleitet
und ihnen, wenn auch nicht überall ihre volle Tiefe und theologische
Tragweite, so doch ihre Lebenswirklichkeit und die
historische Bedeutung zurückgewinnt.

Göttingen H. Dörries

Zimmermann, Heinz: Auf dem Weg zuAugustinus. München: Kösei-

Verlag 1948. 22T S. 8°. Kart. DM5.50.

In einem früher weit verbreiteten und viel gerühmten
Buche von der Hand Wilhelm Herrmanns wurde „der Verkehr
des Christen mit Gott im Anschluß an Luther dargestellt"
^iSSö, '1921). An diese Themastellung fühlt man sich erinnert
, wenn man das vorliegende katholische Buch von Z.
zur Hand nimmt, das den Weg des Christen zu Gott im Anschluß
au Augustinus darzustellen sucht. Der Verf. ist sich
bewußt, daß es ein Versuch ist, „aus unserer eigenen Fragwürdigkeit
heraus Schritt für Schritt die Verbindung zu dem
leuchtenden Geist des Heiligen (seil. Augustinus) zu suchen".
Ebenso weiß er, daß es sich bei der Unerschöpflichkeit des
Augustinischen Geistes im Grunde um eine unvollendbare
Aufgabe handelt (vgl. S. 13t.). In sieben „Schritten" schildert
er nun (1) das Ubersteigen des gegenständlichen Denkens,
(2) das Ubersteigen von Raum und Zeit, (3) das übersteigen
der Gestalt, (4) das Aufsteigen durch die Seele, (5) die Geltung
des Unveränderlichen, (6) den Gottmenschen als Mittler,
(7) den Heiligen Geist als Verbindung. Die unsichere Stellung
von Abschnitt 5 innerhalb des Ganzen springt ohne weiteres
in die Augen. Der Leser erhält einen fortlaufenden Text, in
den zahlreiche Zitate aus Augustinus eingestreut sind, in
deutscher Ubersetzung; ein ausführlicher Anhang bringt die
Zitate nochmals in ausführlichem Wortlaut. Zitiert werden
De civ. Dei, confessiones, de trin., de doctr. christ., das en-
chir., der Joh.-Komm., die Briefe. Zu welcher Kühnheit das
spekulative Denken des Kirchenvaters gelegentlich fortschreiten
konnte, erfahren wir allerdings bei Z. nicht (vgl. z.B.
de lib. arbitr. II 3—15!); es liegt eben nicht in der Absicht
des Verf.s, eine streng historische Darstellung der Augustinischen
Gedankenwelt zu geben, sondern ein Amalgam von
Historie und gegenwartsnaher Dogmatik. Womit nicht gesagt
sein soll, daß man hier nicht mit dem Geiste Augustinus' in
Berührung käme. Das Interessante an dem Buche ist, daß mau
sieht, bis zu welchem Grade es in der Tat möglich ist, Augusti-
nisches Denken in die Gegenwart zu „transponieren". Wo
Augustinus auf Plotinus zurückgeht, ist eine solche Anknüpfung
an ihn heute wieder weithin möglich.

Jena Karl Heussi

Nielen, Josef Maria: Kirchenväterbriefe aus dem Alltag. Ausgewählt,
übertr. u. eingel. Freiburg: Herder [1949]. 88S. kl.8°= Zeugen des Wortes.
Pp. DM2.50.

„Daß wir vielfach durch die ,Patristik' verleitet, bei den
Vätern nur auf solche Briefe Wert legen, die keine sind, sondern
eine bestimmte Literaturgattung, kurze und längere Abhandlungen
, in denen viel Theologie vorkommt, ist nicht ihre
Schuld, sondern unsere Absicht. Die wahren Briefe und echten
Brieflein wurden kaum beachtet" (S. 5). Mit diesen Worten
zeigt der Herausgeber des zur Besprechung vorliegenden
Büchleins einen Ubelstand auf, dem er abhelfen will. Dieser
Ubelstand besteht tatsächlich. Er ist, wie Nielen richtig erkannt
hat, eine notwendige Folge der „Patristik". Denn für
den katholischen Forscher und Theologen ist die Patristik die
Disziplin, die sich mit den Vätern als den Trägern der Tradition
beschäftigt: quia in litteratura antiqua ecclesiastica
continetur revelata divinitus doctriua, ista litteratura non est
aliquid mere profani, sed elementum continet divinum (B.

Steidle, Patrologia S. 1; vgl. dazu M. Schmaus, Katholische
Dogmatik I, S. ii4ff.). Das heißt doch, daß die von der Kirche
anerkannten patres (und dazu gehören auch die Ketzer, soweit
sie kirchlich einwandfreie Lehren vertreten) „Offenbarungsträger
" sind. Von hier aus ist verständlich, daß das
Interesse sich auf die Schriften der alten Kirchenschriftsteller
beschränkt, die theologischen Inhalt haben. Es ist daher
wirklich ein Verdienst, wenn in dieser kleinen Auswahl die
patres als Menschen uns gegenübergestellt werden. Die evangelische
Theologie darf das besonders begrüßen, weil für sie die
„Patristik" zunächst ein fragwürdiges Unternehmen ist. Kann
sie doch die Wertung der Tradition nicht mitmachen, muß
sich aber andererseits darüber klar sein, daß auch sie in einer
Gemeinschaft mit den Vätern der alten Kirche steht, in der
Gemeinschaft des Hörens des Wortes Gottes. Patristische
Arbeit in der evangelischen Theologie bedeutet also: Die Begegnung
mit den Theologen der alten Kirche ermöglichen.
Diese Theologen sind nicht „Heilige", sondern Menschen, die
in aller Schwachheit und Unvollkommenkeit ringen und
fragen. Das Menschliche ist nun aber das entscheidende Merkmal
der Briefe, die in diesem kleinen Band ausgewählt shid —
und daher soll der Dank ausgesprochen und das Büchlein
empfohlen sem.

Die Auswahl ist sachlich angeordnet: Briefe über das Briefschreiben (Lob
der Freundschaft), Briefe aus den Ferien, über Menschenformung und Lebensgestaltung
, an NichtChristen, an Behörden, zu Hochzeiten, aus Krankheitstagen
usw. Sie alle vermitteln einen Eindruck von der Menschlichkeit der
Väter. Da das Büchlein eine Auswahl ist, teilt es das Schicksal aller Auswahlen
, daß man manches darin vermißt und manches für nicht unbedingt
aufnehmenswert hält. Der Herausgeber hat sich an Ambrosius, Augustinus,
Basilius, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa gehalten und hat sich
auf sie beschränkt, was angesichts der reichen Überlieferung des Briefwechsels
gerade dieser Väter verständlich ist. Wir wollen mit ihm nicht über diese Auswahl
rechten. Die Übersetzung ist manchmal sehr frei (z. B. S. 38/39 Brief
Nr. 5), aber im allgemeinen richtig. Als Grundtext ist Migne benutzt (außer
für Gregor von Nyssa), was allerdings anfechtbar ist. Eine Einleitung führt in
die Anliegen der Väterbriefe ein, kurze Anmerkungen am Schluß erläutern die
vorkommenden Namen.

Sülbeck über Northeim/Han. Wilhelm Schneemelcher

Altaner, Berthold: Der griechische Theologe Leontius und Leontius
der skythische Mönch. Eine prosopographische Untersuchung. Sonderdruck
aus der Tübinger Theologischen Quartalsschrift Bd. 127 [1947J,
S. 147—165. 8°. Tübingen: Laupp.

Als Sonderdruck der Tübinger Theologischen Quartalsschrift 1947 liegt
der ThLZ zur Besprechung eine Studie des namhaften Patristikers Berthold
Altaner vor, die sich mit der seit Loofs' bekanntem Werk über Leontius von
Byzanz viel unigefragten Gestalt befaßt. Loofs hatte nicht nur auf die Bedeutung
und geschichtliche Wirksamkeit der unter diesem Verfassernamen stehenden
Schriften hingewiesen, sondern auch deii Versuch gemacht, die Person des
Verf.s aus dem Dunkel hervorzuholen, das sich um sie breitet; er hatte zu
diesem Zweck geglaubt, den wichtigen Autor mit vier anderen Trägern dieses
Namens im justinianischen Zeitalter identifizieren zu dürfen, insbesondere mit
dem skythischen Mönch Leontius, der während des Theopaschitischcn Streits
als Teilnehmer an einer römischen Gesandtschaft (519/20) bekannt ist. Altaners
Studie, die weithin mit dem cfurch E. Schwartz' große Konzilsausgabe bereitgestellten
Material arbeitet, darüber hinaus aber die Ergebnisse seiner eigenen
Untersuchungen über die Beziehungen zwischen der abendländischen und
griechischen Theologie verwertet, führt den Nachweis, daß die von Loofs vermutete
Gleichsetzung der Kritik nicht standhält. Wenn es also wesentlich die
kritische Nachprüfung einer älteren These ist, worum es sich in dieser Studie
handelt, so vermittelt sie zugleich wichtige Einsichten gleichsam in die Lehrgeographie
des 6. Jahrhunderts, im Erweis der sprachlichen und theologischen
Zugehörigkeit des nördlichen Balkans zum lateinischen Westen, die Beachtung
verdienen. — Schließlich sind auch die Bemerkungen zutreffend, mit
denen A. auch Loofs' weitere Identifikationen, vor allem mit dem Origenisten
Leontius, in Frage zieht.

Göttingen H. Dorries

Wessely, Rudolfus: Textus et Paradigmata Syriaca ad usum privatum

auditorum rescripsit. Rom: Pontificium Institutum Biblicum 1947. 11,54 S.
gr. 8°. L300.—.

Das Syrische, in der Hauptsache von Theologen betrieben
und für die Kenntnis früh- und ostchristlicher Fragen neben
dem Griechischen von einzigartiger Wichtigkeit, verfügt bei
uns über eine Reihe vorzüglicher Grammatiken (Nöldeke,
Brockelmann, Ungnad u. a.), während es angesichts der
Seltenheit der Rödigerschen Chrestomathie bei der heutigen
Bücherlage häufig an Lesestoff fehlt, wenn mau die den beiden
zuletzt genannten Grammatiken beigegebenen Textstücke
durchschritten hat. So wird man auch in Deutschland das Erscheinen
dieses Büchleins mit früh-syrischen, meist kirchengeschichtlichen
Texten in jakobitischer Schrift (ohne kritischen